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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 17.1878

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https://doi.org/10.11588/diglit.7195#0009
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Chriſtliche

Kunſtblätter.

Organ des chriſtlichen Kunſtvereins der Erzdiöceſe reibnrg
(Beilage zum Freiburger Kirchenblatt.)

Nro. 170.

Domine ilexi decorem domus iuae. Ps. 25, 8.

1878.

Gegenſatz zum Chriſtenthum. Nicht ſelten habe ich ihn äußern
gehört, daß nur vom Chriſtenthum das Heil im Diesſeits
wie im Jenſeits zu erwarten ſei; er war empört über das
Treiben Derjenigen, welche die vorchriſtliche Literatur und
Kunſt als Waffe gegen den Weltheiland und die im Evan-
gelium wurzelnden Ordnungen zu gebrauchen ſuchen. Mit
Entrüſtung würde er ſich von ſeinem Biographen Riegel
abgewendet haben, wenn er den in deſſen neueſter Schrift )
enthaltenen Verunglimpfungen der Kirche, ihrer Lehren,
Symbole und Heiligen begegnet wäre, oder wenn er darin
auch nur geleſen hätte, wie Riegel die Kölner bitter dar-
über tadelt, daß ſie ihr neues Muſeum nicht mit Darſtel-
lungen aus der heidniſchen Mythologie ausſchmücken laſſen
haben (Seite 179), anſtatt, wie geſchehen iſt, die aus dem
Chriſtenthum hervorgegangene Cultur durch die meiſterhaften
Frescobilder Steinle's verherrlichen zu laſſen. So lange
Cornelius lebte, durfte Riegel es nicht wagen, ihn als einen
vom Katholicisuus abgewendeten Künſtler hinzuſtellen; er
that es daher in verſteckter Weiſe, indem er ihn mit Schinkel
und Thorwaldſen paralleliſirte und dieſen beiden Männern
eine Tendenz unterſchob, welche ihnen durchaus fremd war;
ſie gingen beide darauf aus, die chriſtliche Kunſt durch das,
was ſie für helleniſch ausgaben, zu verdrängen; an eine
Verſchmelzung der einen mit der andern dachten ſie nicht.
Zwar hat Schinkel ſich mitunter auch im gothiſchen Stile
verſucht; allein alle dieſe Verſuche, ohne Ausnahme, zeigen,
daß ihm das Weſen des chriſtlichen Mittelalters und die
Ausdrucksweiſe desſelben ſtets fremd geblieben iſt. Ganz
zweifellos aber wird dies durch das Gepräge, welches ſeine
hervorragendſten Bauwerke, das Berliner Muſeum an der
Spitze, an ſich tragen. Mit dem Chriſtenthum verträgt es
ſich nun einmal nicht, daß die eine Hand dem wahren Gotte,
die andere den heidniſchen Göttern Weihrauch opfert. Dieſe
Ueberzeugung fängt denn auch bereits an, die Maſſen zu
durchdringen und aus derſelben zwei ſich feindlich einander
gegenüberſtehende Lager zu bilden; die Masken werden ab-

Cornelius und der deutſche Hhellenismus.
Von Dr. A. Reichen sperger.
(Schluß.)
Riegel glaubt unter Anderem, Cornelius in der Art ver-
herrlichen zu ſollen, daß er ihn mit dem Architekten Schinkel
und dem Bildhauer Thorwaldſen auf ein Poſtament ſtellt
und allen Dreien nachrühmt, es ſei ihnen die Verſchmelzung
des Hellenenthums mit dem Deutſchthum, der chriſtlichen
mit der heidniſchen Schönheit gelungen. Sie ſollen alſo, mit
einem Worte, das Problem glücklich gelöst haben, an welchem
die edleren, vom Chriſtenthum nicht innerlich abgefallenen
Renaiſſanciſten des 16. und 17. Jahrhunderts ſich ſo lange
vergeblich abgemüht haben, bis endlich das Delirium des
Rococco beinahe die geſammte Kunſtwelt erfaßte. Was unter
dem Einfluſſe von Schinkel, trotz ſeines bedeutenden Talentes,
aus der Berliner Architektur geworden iſt, darf als ebenſo
bekannt angenommen werden, als es neu iſt, daß in den
Sculpturen Thorwaldſens ein germaniſches Element ſich dem
helleniſchen beigemiſcht finde. Das Wirken beider hat ſich
als unfruchtbar erwieſen; weder Schinkel noch Thorwaldſen
haben einen nachhaltigen Jmpuls zu geben, eine Schule zu
gründen vermocht; ihre Werke ſind dem Volksherzen durchaus
fremd geblieben; ſie haben nicht viel mehr Wurzel im Volke
geſchlagen, als etwa die Aufführungen griechiſcher Dramen
in der Urſprache, welche der philologiſche Claſſicismus, um
auch ſeinerſeits darzuthun, daß er nicht zurückgeblieben ſei,
mitunter verunſtaltete. Cornelius kann mit dieſen beiden
Männern nicht auf eine Linie geſtellt werden. Cornelius
war ein gläubiger Katholik; er hat als trener Sohn ſeiner
Kirche gelebt und iſt als ſolcher, ein Crucifix in ſeinen ge-
falteten Händen haltend, geſtorben; ſein letztes Wort war:
,,Beten''. Demzufolge hat er denn auch die Kunſt der alten
Griechen in einem höheren Lichte geſchaut; er erkannte oder
ahnte doch darin die tiefreligiöſen Grundgedanken, die Nach-
klänge der Uroffenbarung; er ſchuf daher auch niemals todte
Masken nach antikem Zuſchnitte; in allen ſeinen Bildungen
pulſirt warmes Blut. Verdrängte in Cornelius der Helle-
nismus auch bald mehr, bald weniger den Germanismus,
ſo brachte ihn erſterer doch niemals in einen feindlichen

*) Deutſche Kunſtſtudien von Hermann Riegel. 1. Heft. Hannover
bei Karl Rümpler, 1868.
 
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