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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 17.1878

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https://doi.org/10.11588/diglit.7195#0013
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Chriſtliche

Kunſtblätter.

Organ des chriſtlichen Kunſtvereins der Erzdiöceſe Freiburg
(Beilage zum Freiburger Kirchenblatt.)

Nro. 171.

Domine dilexi decorem domus iuae. Ps. 25, 8.

1878.

Monumentale Kirchenmalerei.
Von Joh. Schrott. *)
Die Kirchenmalerei ſteht nicht im beſten Anſehen und,
wir geben gern zu, nicht ganz mit Unrecht.
Wenn die bekannte Denkſchrift, welche die Anſichten
notabler Künſtler und Kunſtinduſtriellen über die Pflege
der Kunſt an den öffentlichen Bauwerken enthält, ſagt: ,,Die
monumentale Kunſt iſt es, durch welche der mächtigſte Ein-
druck erzielt wird'', ſo gilt dies ganz beſonders von der
hiſtoriſchen Frescomalerei, zumal der kirchlichen. Je wahrer
und klarer, je einfacher und anſchaulicher eine religiös-hiſto-
riſche Begebenheit oder ein pſychologiſcher Vorgang des
Gemüthes dargeſtellt iſt, deſto ſicherer und bleibender wird
der Eindruck auf das Volk ſein, das in dieſer Hinſicht ein
guter und dankbarer Beurtheiler iſt. Nicht eine für Kenner
berechnete raffinirte Malkunſt gibt hier den Ausſchlag, ſondern
die gediegene Charakteriſtik des dargeſtellten Jnhaltes, der
eine ewige Wahrheit in ſchönem, aber nicht blendendem Ge-
wande zur Anſchauung zu bringen hat. Es iſt uns ein ver-
bürgter Vorfall bekannt, der wohl als ein Beiſpiel für viele
gelten mag, von wie großer Wirkung gute Gemälde auf
Phantaſie und Gemüth des Volkes ſind. Eine ſchlichte Bauers-
frau in der Kleidung der Dachauerinnen, von fern in der
Ludwigskirche angezogen durch das Bild des Cornelius,
wagte ſich über die Stufen des Presbyteriums, um es in
der Nähe zu betrachten. Nachdem ſie eine geraume Zeit,
die Blicke bald nach rechts, bald nach links richtend, mit
offenem Munde dageſtanden war, brach ſie endlich in Thränen
aus, knieete nieder und betete. Man mag über eine ſolche
Betrachtungsweiſe denken, wie man will, wir glauben aber,
daß der große Meiſter ſelbſt dieſe Wirkung ſeiner Schöpfung
als ſeinen ſchönſten Lohn angeſehen haben würde.
Die Unmittelbarkeit eines ſolchen Eindruckes erklärt ſich
allerdings zunächſt aus dem Standpunkt des Glaubens.
Aber eine religiöſe Wahrheit auf eine ſo verſtändliche und
überwältigende Weiſe mit den Mitteln der Kunſt gleichſam
gepredigt zu haben, darin liegt eben das hohe Verdienſt

des Cornelius. Wegen ſeiner inneren, Herz und Gewiſſen
entſchleiernden Wahrheit wird der Eindruck des Bildes kein
ſchwächerer ſein, wenn man es nur vom pſychologiſchen
Standpunkte betrachtet. Alle Formen und Erſcheinungen
des Guten und Böſen ſind hier nach ihrer vollendeten Ent-
wickelung und in ihren letzten zum Abſchluß gekommenen
Conſequenzen dargeſtellt und wie aus einer Laterna magica
als Herzens- und Gewiſſensſpiegel der ganzen Menſchheit
im Koloſſalbild an die Wand geworfen. Wenn man ſich
aber angeſichts eines ſo gewaltigen Werkes nur in klein-
lichen Kritteleien über Farbe, Perſpective u. ſ. w. ergeht,
wenn man höchſtens nur die gut gezeichneten Geſtalten in
ihren verſchiedenartigſten Körperwendungen zu loben, von
dem geiſtigen Jnhalt aber nichts zu ſagen weiß, oder achſel-
zuckend davon abſieht, ſo möchten wir fragen: welche Pupillen-
ſtellung ein ſolcher Beſchauer nicht ſowohl in ſeinem Auge
als vielmehr in ſeiner Seele hat?
Es ſei erlaubt, noch ein Beiſpiel, ebenfalls von einem
Weib aus dem Volk, anzuführen, bei welchem die Betrach-
tung eines Kirchenbildes zu einer anderen Wirkung geführt
hat. Eine Gemeinde der Regensburger Diöceſe beſtellte ſich
bei Moriz v. Schwind ein Altarbild, das den Erzengel
Michael im Kampfe mit dem Drachen darſtellen ſollte. Der
geniale Romantiker unterzog ſich dieſer Arbeit mit aller
Liebe und malte den Engel in der Geſtalt eines jugend-
lichen mittelalterlichen Ritters, wie einſt Raphael in der
eines römiſchen Kriegers. Der Held, mit einem Fuß auf
einer Wolke, mit dem andern auf dem Dämon ſtehend, hat
dieſem ſoeben den Todesſtoß, der ſich in den Zuckungen
aller ſeiner Glieder äußerte, verſetzt. Jene Frau nun, welche
ſich in einem mütterlichen Zuſtande befand, verſah ſich —
nicht in das ſchöne Geſicht des himmliſchen Helden, ſondern
in die krampfhaft eingezogene Hand des Dämons, bei welcher
die Finger, des Schmerzes und der Lage wegen, nicht ſichtbar
ſein konnten. Die Arme gebar einen Knaben mit ähnlicher
Hand, krampfhaft verzogen und fingerlos. Die Gemeinde
verbat ſich das Gemälde, wenig erbaut von einem Sieger,
deſſen infernaler Gegner noch ſolche Revanche zu nehmen
vermochte. Das ſchöne Gemälde, von dem Hermann Walde

*) Aus der Allg. Ztg
 
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