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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 17.1878

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https://doi.org/10.11588/diglit.7195#0001
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Chriſtliche

Kunſtblätter.

Organ des chriſtlichen Kunſtvereins der Erzdiöceſe Freiburg.

(Beilage zum Freiburger Kirchenblatt.)

Nro. 168.

Domine dilexi decorem domus iuae. Ps. 25, 8.

1878.

Der Triumph des Todes und der Todtentanz.)

Jn der Provinz Bergamo, am reizenden Jſeo-See, liegt
das Städtchen Cluſone, dem man es auf den erſten Blick
nicht anſieht, daß es einen ſeltenen kunſthiſtoriſchen Schatz
nicht ſowohl einſchließt, als vielmehr offen der Betrachtung
und dem Studium darbietet. An der weſtlichen Außenwand
der kleinen Miſericordia-Kirche S. Bernardino wird faſt die
ganze Mauerfläche von einem Frescobild aus dem erſten
Drittel des 1õ. Jahrhunderts eingenommen, das in zwei
horizontal geſchiedenen Abtheilungen zwei wenigſtens ſcheinbar
verſchiedene Darſtellungen enthält: J1 Trionfo della Morte
und la Danza Macabra, den Triumph des Todes und den
Todtentanz.
Der Triumph des Todes ſpielt ſchon im 14. Jahrhun-
dert eine große Rolle. Seit ihm Petrarca in der Reihe ſeiner
Triumphe eine Stelle eingeräumt, hat auch die Malerei des
Stoffes ſich bemächtigt und vielfach Gebrauch davon gemacht.
Jch erinnere nur an den Triumph des Todes im Campo
ſanto zu Piſa, wo die Todesgöttin (in Jtalien iſt der Tod,
la morte, weiblichen Geſchlechtes) eine heitere, zu traulichem
Liebesgeſpräch und muſikaliſchem Genuß vereinigte Geſell-
ſchaft mit ſcharfer Senſe überfällt, die Glücklichen nieder-
mäht, die Krüppel aber und Elenden, welche Erlöſung ihrer
Noth von ihr erflehen, nicht beachtet und erbarmungslos
ihrem Jammerleben überläßt. Daß ſie ſonſt keinen Unter-
ſchied macht zwiſchen Hoch und Niedrig, Alt und Jung,
Mann, Weib und Kind, bezeugen die neben einander am
Boden aufgeſchichteten Todten. Jm Ospedale grande zu
Palermo iſt eine Wand von einem großen Frescobild bedeckt,
auf welchem man den Tod in Geſtalt eines Gerippes auf
einem halbverwesten Pferd über Welt und Menſchen ver-
nichtend dahinreiten und ohne Unterſcheidung und Mitleid
Alles vor ſich niederwerfen ſieht. Einer ähnlichen Vorſtellung
iſt die neugriechiſche (?) Sage entſprungen von Charon, dem
Herrſcher im Todtenreich, der die Kinder der Erde jedes
Alters und Geſchlechtes im Sturme mit ſich fortreißt und

ihnen nichts läßt als den Rückblick auf das glückliche, thätige,
genußreiche Leben, aus dem er ſie mit Gewalt entführt hat.
Der Künſtler von Cluſone — die Geſchichte hat ſeinen
Namen nicht aufbewahrt — hat das Thema von der ſieg-
reichen Macht des Todes möglichſt klar in gedrängter Kürze
und draſtiſch ausgeführt. Jn der Mitte der oberen, durch
einen ſtumpfen Winkel abgeſchloſſenen Abtheilung ſteht die
koloſſale Geſtalt eines gekrönten, mit einem offenen Fürſten-
mantel angethanen Skelets, in welcher wir, da die Merk-
male des Geſchlechtes dem Gerippe fehlen, den Fürſten des
Todes zu erkennen haben. Gleich dem Teufel, der Unzählige
ſeinesgleichen als Diener und Gehilfen hat, dient dem Tod
eine ihm verwandte Schaar von Gerippen. Er ſteht auf
dem Rand eines offenen Sarkophags, in welchem Schlangen
und Kröten, Würmer und Skorpione bei den zuſammenge-
preßten Leichen eines Papſtes und eines Kaiſers Wohnung
genommen; das niedrigſte Gethier neben den höchſten Mächten
der Erde!
Jn jeder Hand der ausgeſtreckten Arme hält der Tod
eine Schriftrolle, in ſeiner Linken mit der Jnſchrift: Digna
mi son di portar corona (würdig bin ich, die Krone zu
tragen), woran eine zweite Rolle ſich ſchließt mit dem
Spruch: E che signoresi ogni persona (Und alle Welt
zu beherrſchen). Jn den Schriftrollen ſeiner Rechten ſteht:
Giunge la Morte piena di egualeza (Vollkommen gleich
verbindet alle der Tod). Sols ve voglio e non vostra
recheza (Euch nur will ich und nicht eure Reichthümer).
Dieſe Worte gelten der Schaar um Erbarmen Flehender,
die zu beiden Seiten des Sarkophags auf ihren Knieen
liegen, Geiſtliche und Weltliche, Alte und Junge, die in
koſtbaren Gefäßen Summen Goldes anbieten, ſich loszu-
kaufen von der vernichtenden Macht des Allgewaltigen.
Aber ihm zur Seite ſtehen je ein Diener, zur Rechten wie
zur Linken mit Feuerrohr und Bogen, tödtliche Geſchoſſe
entſendend, die auch bereits die erwählten Opfer erreicht
haben und denen zu entrinnen eine fröhliche Jagdgeſellſchaft
auf flüchtigen Roſſen den vergeblichen Verſuch macht.
Auch an der Vorderſeite des Sarkophags liegen in
buntem Gemiſch Hohe und Niedere, wie ſie der Tod ſich

) Von Ernſt Förſter in der ,,Allg. Ztg.''
 
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