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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 17.1878

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https://doi.org/10.11588/diglit.7195#0005
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Chriſtliche

Kunſtblätter.

Organ des chriſtlichen Kunſtvereins der Erzdiöceſe Freiburg
(Beilage zum Freiburger Kirchenblatt.)

Nro. 169.

Domine dilexi decorem domus iuae. Ps. 25, 8.

1878.

Cornelius und der dentſche Hellenismus.
Von Dr. A. Reichensperger.
Seit vielen Generationen hat in Deutſchland der Tod
eines Künſtlers keine ſo tiefe Senſation zu Wege gebracht,
wie der unſeres Meiſters Peter v. Cornelius. Die Ge-
dächtnißreden, Biographien und Beurtheilungen, welche dem
Andenken des Neſtors der Malerei gewidmet wurden, haben
zweifelsohne ihr Echo in den öffentlichen Blättern aller
civiliſirten Länder gefunden; es iſt daher der Gedanke ferne
von mir, oft und ausführlich Geſagtes wiederholen oder
gar eine Schilderung und Charakteriſtik ſeiner Werke geben
zu wollen. Vielmehr geht meine Abſicht lediglich dahin,
an den Meiſter und ſein Wirken einige Bemerkungen, vor-
wiegend practiſcher Art, anzuknüpfen, welche allerdings
wenig mit demjenigen ſtimmen, was die Mehrzahl der
Wortführer auf dem äſthetiſchen Gebiete proclamirt.
Um mich wenigſtens einigermaßen zur Sache zu legiti-
miren, ſei noch erwähnt, daß ich faſt ſämmtliche bedeutende
Kunſtſchöpfungen von Cornelius, von ſeinen Fresken in der
Villa Bartholdi bei Rom an, bis hinauf zu ſeinen Cartons
für das Berliner Campo Santo, zu ſehen Gelegenheit hatte,
ſowie daß ich mit dem Hingeſchiedenen mehrere Jahre in
einem nahen perſönlichen Verkehr geſtanden habe.
Als Cornelius bei der Akademie zu Düſſeldorf ſeine
Künſtlerlaufbahn begann, ward ihm von dem Vorſtande
der Akademie der Rath ertheilt, ſich einem bürgerlichen
Gewerbe zu widmen, weil ihm das zum Malen erforder-
liche Talent fehle. Abgeſehen von einigen unweſentlichen
Aeußerlichkeiten, waren eben die damaligen Akademien ganz
dasſelbe, was unſere heutigen noch ſind — Pflanzſchulen
des Eklekticismus, der Vielwiſſerei und der Routine. Eine
ſo ſcharf ausgeprägte Jndividualität mußte ſich nothwendig
ſelbſt das Ziel ſtecken und den Weg zu demſelben hin
bahnen. Der Zauber des Namens Rom zog ihn nach der
ewigen Stadt, wo er mit einigen anderen deutſchen Männern
zuſammentraf, welche, wie er, von dem Gedanken beherrſcht
waren, die verſchütteten Quellen der chriſtlichen Kunſt wieder
aufzugraben, um das immer mehr zur Wüſte ſich geſtaltende
Gebiet der Aeſthetik neu zu befruchten. Wie die Verhält-

niſſe während der erſten Decennien unſeres Jahrhunderts
lagen, war Rom in der That der einzige Ort, wo Cornelius,
im Verein mit ſeinen gleichſtrebenden Freunden Overbeck,
Schnorr, Veit, Schadow rc., die Hebel anſetzen, das Werk
der Regeneration beginnen konnte. Dennoch wäre ich aber
faſt geneigt, es als ein Mißgeſchick zu bezeichnen, daß er
die erſten Stadien ſeiner Künſtlerlaufbahn an den Ufern
der Tiber zurücklegen mußte. Sein Naturell wie ſein Genie
trugen auf das Entſchiedenſte das germaniſche Gepräge an
ſich; was die Schöpfer unſerer gothiſchen Kathedralen als
Baumeiſter waren, das hätte er, ſeiner ganzen Anlage nach,
als Maler werden können. Durch den allzu frühen und
allzu langen Verkehr mit der Antike und der italieniſchen
Kunſt iſt er ſeinem eigenſten, innerſten Weſen in gewiſſem
Maße entfremdet worden und das, was ich den architekto-
niſchen Sinn nennen möchte, iſt in ihm nicht zu voller Ent-
faltung gediehen. Zwar bewunderte er ſtets die monumen-
talen Schöpfungen des germaniſchen Mittelalters, allein ein
allſeitiges, gründliches Verſtändniß derſelben hat er nicht
angeſtrebt, und insbeſondere war er nicht von der Grund-
wahrheit durchdrungen, daß die Architektur principiell das
Centrum aller Kunſtübung bildet, daß insbeſondere die
Malerei und die Sculptur, wie ſie aus ihr erwachſen ſind,
ſo auch nach ihr hin gravitiren, im Großen und Ganzen
von ihr Maß und Regel empfangen müſſen, inſoferne ſie
überhaupt monumentalen Zwecken dienen wollen. Jch hebe
dieſen Punkt hervor, weil eben Cornelius die Wiederbelebung
der monumentalen Malerei ſich von vornherein zur Lebens-
aufgabe geſtellt, auch ſeine Naturanlage ihn vorzugsweiſe
auf ſolchen Wirkungskreis hingewieſen hatte. Der Staffelei-
malerei mit Oelfarbe hat er ſich niemals zugewendet; ſeine
für den Kupferſtich beſtimmten Zeichnungen, wie zum Bei-
ſpiel ſeine Jlluſtrationen zum Nibelungenlied und zu Göthe's
Fauſt, tragen ſtets ein gewiſſes monumentales Gepräge an
ſich; man könnte faſt ſagen, ſie ſeien im Lapidarſtile gedacht.
Das Genie v. Cornelius' würde ſich in noch höherem
Glanze gezeigt haben, wenn nicht während des größten
Theiles ſeiner Lebenszeit der Sinn für die monumentalen
Schöpfungen des Mittelalters, wie er in jüngſter Zeit faſt
 
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