Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 17.1878

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7195#0021
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Chriſtliche

Kunſtblätter.

Organ des chriſtlichen Kunſtvereins der Erzdiöceſe Freiburg
(Beilage zum Freiburger Kirchenblatt.)

Nro. 173.

Domine dilexi ecorem domus tuae. Ps. 25, 8.

1878.

Das Münſter 3u leberlingen
8 Jener Theil des Bodenſee's, der ſich von der Jnſel
Mainau bis Ludwigshafen erſtreckt, zeichnet ſich aus durch
liebliche Ufer, indem ſanft anſteigende Hügel und Berge
hier den blauen See umkränzen. See und Geſtade ſollen
auch eine gewiſſe Aehnlichkeit haben mit dem See Geneſareth,
auf deſſen Wellen der Heiland gewandelt und an deſſen
Ufern er ſo oft das Wort des Lebens verkündiget hat.
Dieſer ſchöne Flecken Erde, von Natur ſchon ſo paradieſiſch,
birgt nun auch einen Juwel der Kunſt, um den die andern
Ufergelände neidiſch ſein könnten; es iſt dieſes das Münſter
zu Ueberlingen. Jahrhunderte lang war Ueberlingen eine
Filiale von dem Gotteshaus ,, Aufkirch'', einer uralten
Stätte der chriſtlichen Religion. Papſt Clemens VJ. erhob
dann 1350 das aufblühende Städtchen zum Hauptort mit
der Pfarrkirche. Die fromme Bürgerſchaft entſchloß ſich
nun auch, dem Herrn einen würdigen Tempel zu erbauen.
Kein Opfer und keine Mühe ſollte geſcheut werden. Eine
in den Thurm des Münſters eingemauerte Jnſchrift lautet:
,,Jm Jahre des Herrn 1353 am dreizehnten Tage des
Monates Mai zur achten Stunde iſt der erſte Stein zu
zu dieſem Chore, der im Namen des hl. Nicolaus erbaut
iſt, durch Meiſter Eberhard Raben, Steinmetz von Franken,
gelegt worden.'' Dieſer Baumeiſter Eberhard Raben wird
wahrſcheinlich auch den Plan zum Bau entworfen haben.
Das Münſter ſollte nach dem erſten Entwurfe dreiſchifſig
werden; zwei am Chore angebaute Thürme mit pyramidalen
Helmdächern ſollten dem Dome einen erhabenen Abſchluß
geben. Man begann den Bau mit dem Chore. Am Oſter-
montag 1408 konnte er eingeweiht werden.
Später verließ man den alten Plan, das Langhaus in
drei Schiffen zu erbauen. Dasſelbe ſollte verbreitert und
in fünf Schiffen errichtet werden. Dieſe Aufgabe wurde
1429 dem ,,Meiſter Hans'' übertragen. Außerdem wurden
noch zu beiden Seiten der Schiffe je ſechs Kapellen erbaut.
Dieſe letzteren Bautheile tragen freilich den Stempel ihrer
ſpätgothiſchen Entſtehungszeit; doch der Eindruck des nun
ſeit 1563 vollendeten Tempels iſt ein gewaltiger. Leider
ſtehen die beiden Thürme unvollendet da. Der nördliche

Thurm war einſt ausgebaut, und hatte eine in die Wolken
reichende Pyramide. Unglückſeliger Weiſe beſchloß man
1574 die Pyramide ,,biß auf den underſten Sternen nechſt
den Glocken'' abzubrechen, um auf dieſer Höhe ein Wächter-
haus gegen etwaige Feinde zu errichten. Der ſüdliche Thurm
war nie vollendet. Seit 300 Jahren ruht die Bauthätig-
keit. Die Gemeinde aber ſammelt ſich beſonders an Sonn-
und Feſttagen in dem Gotteshaus, das die gläubige, fromme
Vorzeit ihr errichtet. Aber liegt der Nachwelt nicht auch
eine Pflicht ob?
Wer könnte leugnen, daß dieſe vor Gott und Mit-
menſchen verpflichtet iſt, dieſes Denkmal einer ſchönen Ver-
gangenheit und dieſe ehrwürdige Stätte, wo die Ahnen
ſeit Jahrhunderten den dreieinigen Gott angebetet haben,
unverſehrt zu erhalten? Es zeigen ſich an verſchiedenen
Stellen des Dach- und Mauerwerkes Riſſe, Senkungen
und ſonſtige Schäden. Ja Bauverſtändige hegen ſogar für
den ganzen Bau große Beſorgniſſe, wenn nicht bald eine
umfaſſende Reſtauration vorgenommen wird.
Sollte aber nicht auch das, was vor 300 Jahren un-
vollendet gelaſſen wurde, endlich ausgebaut werden können?
Welch' ein Schmuck wären für Stadt und Umgebung die
zwei ausgebauten Thürme! Es wäre dieſes eine verhält-
nißmäßig kleine Aufgabe. Außerdem müßte man auch dar-
auf denken, die Tünche im Jnnern, welche eine ſeichte
Aufklärungsperiode angebracht hat, wieder zu entfernen.
Bei feuchter Witterung ſchimmern die alten Wandgemälde
traurig unter der trübſeligen Tünche durch und ſcheinen
um endliche Erlöſung zu ſeufzen. Anderes ſei einſtweilen
hier übergangen.
Damit das Jntereſſe für die ehrwürdigen alten Gottes-
häuſer wieder reger werden und Verſtändniß für eine kunſt-
gerechte und pietätvolle Reſtauration geſchaffen werde, iſt
vor allem eine wiſſenſchaftliche Darſtellung der Geſchichte
ihrer Entſtehung nothwendig. Wenn man lieſt, was die
vergangenen Geſchlechter gethan haben, ſo wird man auch
zur Nachahmung angetrieben. Darum darf die Schrift,
welche Herr Fr. H. Ullersberger jüngſt bei Stettner in
Lindau über das Münſter in Ueberlingen herausgegeben
hat, mit höchſter Freude begrüßt werden. Nur auch in
 
Annotationen