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jene künstlerische Geltung haben, welche die Mehrzahl der großen Arbeiten Griechen-
lands und Roms darbieten, sei es vom Gesichtspunkt der Komposition, oder von
dem der Zeichnung, oder der Ausführung. Unter der Regierung der letzten römischen
Kaiser waren die bildenden Künste so herabgekommen, daß sie um das fünfte Jahr-
hundert der christlichen Zeitrechnung sich im Zustande fast völliger Barbarei befanden.
Obgleich bei der Verlegung des Hofes von Rom nach Konstantinopel hier
sich manches gesammelt hatte, was ein gewisses Künstlertum vorstellen konnte, so
fehlte doch die feste Schule, da die antike Bildung eine starke Unterbrechung erlitten
hatte. Es galt neu aufznbauen. Dies geschah denn auch in Byzanz auf christ-
licher Grundlage. Und so sehen wir von Konstantinopel ans manch künstlerisches
Gebilde, auf christlicher Weltanschauung ruhend, in alle Welt wandern. Byzanz be-
hauptete sich von nun an (einigermaßen vor den Verheerungen der Völkerwanderung
sicher) lange als Mittelpunkt der europäischen Kunstbestrebuugen, bis die germa-
nischen Völker zur Ruhe gekommen waren und als Glieder des heiligen römischen
Reiches deutscher Nation ihre Reichshauptstätten zu derartigen Mittelpunkten machten.
Ein solcher war zur Zeit der Ottonen Magdeburg. Der Hof der Ottonen in
Sachsen mit seinen Lupusbedürfnissen und die Entdeckung der Mineralschätze des
Harzes mußten das Harzgebiet vorzugsweise für die Metallindustrie bestimmen.
Auf diese Weise sind wohl an den verschiedensten Orten Niedersachsens Gießstätten
entstanden, die es Bernward ermöglichten, an die Ausführung eines Werkes zu
denken, das den Erzguß voraussetzte.
Aber nun fragt es sich: wie sah es hier zu Lande mit der künstlerischen Kompo-
sition eines solchen Werkes und mit der Behandlung schwieriger Gußkörper aus?
Die aus Byzanz eingeführte und von daher erlernte Kunst war im Ent-
werfen größerer Kompositionen noch sehr zurück. Steife, aneinander gereihte
Heiligen-Darstellungen konnte man Wohl (selbst nicht ohne guten Gesichtsausdruck)
liefern; aber Bewegung in diese Gestalten zu bringen, das hatte seine großen
Schwierigkeiten. Dieser Leistungen, die man bei anderem Stoff Wohl hervor-
bringen konnte, enthielt man sich in der morgenländischen Schule bei dem Guß,
wie wir dies bei jener Thür an der Geburtskirche in Bethlehem sehen, die
zwar das Sinnbild der h. Dreieinigkeit (durch Zirkel und Kreuz) in großer
Zahl und mehrfacher Formgebung, aber nicht das geringste Relief zeigte. Man
fürchtete sich offenbar vor einer Komposition, welche die Formung eines bewegten
Reliefs verlangte. An der Bernwardschen Thüre ist diese Zaghaftigkeit in einer
Weise überwunden, die fast über das Ziel hinausschießt. Die Reliefs treten zum
Teil so stark aus der Fläche hervor, als wären es freistehende Figuren — eine
Manier, die später bei der Christussäule im Domhofe zu Gunsten einer gleich-
mäßigen Behandlung des Reliefs abgelegt ist.
Leider ist Bernwards Schrift über Alchimie, welche sicher derartige technische
Leistungen behandelt hat, verloren gegangen; sonst würden wir aus seiner Feder
über die damalige Behandlung der Gußarbeiten mit so starkem Relief etwas
erfahren können. So aber müssen wir uns begnügen mit den Mitteilungen des
Priesters Theophilus, der etwas später die Schrift über die verschiedenen Künste
(8ollsän1n äivorsarnin nrtinrn) schrieb. Wir erfahren von ihm im Kochbuchstil,
jene künstlerische Geltung haben, welche die Mehrzahl der großen Arbeiten Griechen-
lands und Roms darbieten, sei es vom Gesichtspunkt der Komposition, oder von
dem der Zeichnung, oder der Ausführung. Unter der Regierung der letzten römischen
Kaiser waren die bildenden Künste so herabgekommen, daß sie um das fünfte Jahr-
hundert der christlichen Zeitrechnung sich im Zustande fast völliger Barbarei befanden.
Obgleich bei der Verlegung des Hofes von Rom nach Konstantinopel hier
sich manches gesammelt hatte, was ein gewisses Künstlertum vorstellen konnte, so
fehlte doch die feste Schule, da die antike Bildung eine starke Unterbrechung erlitten
hatte. Es galt neu aufznbauen. Dies geschah denn auch in Byzanz auf christ-
licher Grundlage. Und so sehen wir von Konstantinopel ans manch künstlerisches
Gebilde, auf christlicher Weltanschauung ruhend, in alle Welt wandern. Byzanz be-
hauptete sich von nun an (einigermaßen vor den Verheerungen der Völkerwanderung
sicher) lange als Mittelpunkt der europäischen Kunstbestrebuugen, bis die germa-
nischen Völker zur Ruhe gekommen waren und als Glieder des heiligen römischen
Reiches deutscher Nation ihre Reichshauptstätten zu derartigen Mittelpunkten machten.
Ein solcher war zur Zeit der Ottonen Magdeburg. Der Hof der Ottonen in
Sachsen mit seinen Lupusbedürfnissen und die Entdeckung der Mineralschätze des
Harzes mußten das Harzgebiet vorzugsweise für die Metallindustrie bestimmen.
Auf diese Weise sind wohl an den verschiedensten Orten Niedersachsens Gießstätten
entstanden, die es Bernward ermöglichten, an die Ausführung eines Werkes zu
denken, das den Erzguß voraussetzte.
Aber nun fragt es sich: wie sah es hier zu Lande mit der künstlerischen Kompo-
sition eines solchen Werkes und mit der Behandlung schwieriger Gußkörper aus?
Die aus Byzanz eingeführte und von daher erlernte Kunst war im Ent-
werfen größerer Kompositionen noch sehr zurück. Steife, aneinander gereihte
Heiligen-Darstellungen konnte man Wohl (selbst nicht ohne guten Gesichtsausdruck)
liefern; aber Bewegung in diese Gestalten zu bringen, das hatte seine großen
Schwierigkeiten. Dieser Leistungen, die man bei anderem Stoff Wohl hervor-
bringen konnte, enthielt man sich in der morgenländischen Schule bei dem Guß,
wie wir dies bei jener Thür an der Geburtskirche in Bethlehem sehen, die
zwar das Sinnbild der h. Dreieinigkeit (durch Zirkel und Kreuz) in großer
Zahl und mehrfacher Formgebung, aber nicht das geringste Relief zeigte. Man
fürchtete sich offenbar vor einer Komposition, welche die Formung eines bewegten
Reliefs verlangte. An der Bernwardschen Thüre ist diese Zaghaftigkeit in einer
Weise überwunden, die fast über das Ziel hinausschießt. Die Reliefs treten zum
Teil so stark aus der Fläche hervor, als wären es freistehende Figuren — eine
Manier, die später bei der Christussäule im Domhofe zu Gunsten einer gleich-
mäßigen Behandlung des Reliefs abgelegt ist.
Leider ist Bernwards Schrift über Alchimie, welche sicher derartige technische
Leistungen behandelt hat, verloren gegangen; sonst würden wir aus seiner Feder
über die damalige Behandlung der Gußarbeiten mit so starkem Relief etwas
erfahren können. So aber müssen wir uns begnügen mit den Mitteilungen des
Priesters Theophilus, der etwas später die Schrift über die verschiedenen Künste
(8ollsän1n äivorsarnin nrtinrn) schrieb. Wir erfahren von ihm im Kochbuchstil,