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allen seinen bisher geschanten Bauten völlig fremd scheinenden Gedankenkreis,
d. h. einen rein christlichen —, mich versetzt sah. Aber er stimmte doch mit den
immer mehr und dämonischer den König beherrschenden Gedanken von unbeschränkter
Herrschermacht und dem Vollgefühl selbstherrlicher Würde, in dem er sich nicht
genug thun konnte, das ihm Ludwig XIV. so geistesverwandt nahe brachte und
dem er in dem diesen zugewandten Kultus in Lindcrhof und Herrenchiemsee einen
so verletzenden Ausdruck gab. Aber die Formen und Gestaltungen, in denen
dies sich hier geltend macht, sind ganz andere, wohlthuende, mit denen wir
uns in ihrer äußeren Erscheinung wenigstens befreunden können.
Der riesige, im Viereck gebaute, bei aller Größe doch äußerst wohlthuende
Maßverhältnisse zeigende Saal ist an der Schmalseite, auf welcher der noch nicht
vorhandene, aus Elfenbein geschnitzte Thron hätte zu stehen kommen sollen, eirund
abgerundet. Zwölf Stufen in weißem Marmor führen zu dieser Apsis hinauf.
Im Halbrund der Nischenwand treten uns die überlebensgroßen, auf Goldgrund
gemalten Gestalten der sechs „bekennenden," um die Ausbreitung des Christen-
tums verdientester Könige entgegen: Kasimir von Polen, Stephan von Ungarn,
Heinrich II. von Deutschland, Ludwig von Frankreich, Ferdinand von Spanien und
Eduard von England. Auf beiden Seiten aber stehen die Apostel des Herrn, und
in der Höhe der Rotunde erscheint Er selbst auf dem Regenbogen, in göttlicher
Glorie, der Herr aller Herren. Das schien König Ludwig die würdigste Darstellung
des ihn bis zum Übermaß beherrschenden Majestätsbewußtseins. Er allein,
von niemanden, von keinem profanen Auge gesehen, auf dem Thron, umgeben
von den heilig gesprochenen Mitkronenträgern, über ihm nur der König der
Könige, vor dem auch die der Erde sich anbetcnd neigen!
Der eigentliche geweihte Raum des Saales, dessen Fußboden italienische
Marmormosaik mit figürlichen Tierdarstellungen ist, wird von den festen Wänden
durch eine etwa vier Meter von letzteren gegen die Saalmitte abstehende Säulen-
stellung geschieden, durch welche Anordnung die Riesenhaftigkeit des Raumes
angenehm gemildert und die erwünschte Gelegenheit zur Prachtentfaltung gegeben
erscheint. Diese ist auch aufs vollständigste ausgenützt worden. Sechzehn
glänzend geschlissene ägyptische Porphyrsäulen tragen die in der Höhe des fünften
Stockwerks liegende Galerie. Diese ist gegen den Saal offen und durch eine
zweite über jener ersten stehende, eine zauberische Wirkung hervorrufende Säulen-
reihe durchbrochen, die auf den ersten Anschein von Lapis-Lazuli zu sein scheint.
Allein ihre Größe macht diese Annahme unmöglich: sie besteht aus einer glatt-
geschliffenen glänzenden Masse, welche dem kostbaren Lasurstein völlig gleich
kommt. Über diesen herrlichen Säulen, deren Blau zu dem Not der unteren
harmonisch stimmt, erhebt sich gegen die Decke hin eine zweite Galerie mit rundem
Abschluß, welche den obern Teil der Wände sehr anmutig durchbricht und den
Übergang zu der holzgetäfelten gewölbten Decke vermittelt.
Prächtige, meist riesige Wandgemälde spinnen den Gedanken, welchen jene
„bekennenden" Könige anregen, nämlich die Macht und Bedeutung, die Ein-
führung und Ausbreitung des Christentums, weiter aus. Die heilige Klotilde
bekehrt ihren Gemahl Klodwig; Stephan von Ungarn und Ferdinand der Katho-
 
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