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Mchcrdericht.
Deutsche Kunstgeschichte von H. Knackfuß. Bielefeld und Leipzig, Verlag
von Velhagen & Klasing. In fünf Abteilungen zu je 4
Dieses Werk, dessen erste Abteilung im Christlichen Kunstblatt 1888, S. 143
besprochen wurde, ist rasch zum Abschluß gekommen. Die zweite Abteilung schil-
dert mit Wort und Bild die erste Blütezeit der bildenden Kunst in Deutschland
zur Zeit Friedrichs II. und der nächstfolgenden Jahrzehnte, insbesondere die
herrlichen Bildhauerarbeiten zu Bamberg, Hildesheim, Freiberg, Wechselburg,
Naumburg, Braunschweig, in welchen dis deutschen jetzt nicht mehr mönchischen,
sondern weltlichen Werkmeister die besten Bildwerke anderer Länder durch Natur-
treue und Schönheit weit übertrafen. Dann die Herrlichkeit der Gotik, vornehm-
lich in den drei großen rheinischen Domen, aber auch im übrigen Deutschland
und in den Innungen der Kunsthandwerker, in der altkölnischen Malerschule,
deren beste Werke, von „tiefinnerlicher Frömmigkeit getragen, von einem wunder-
bar poetischen Gefühl durchgeistigt, von unvergleichlichem Liebreiz übergossen,
durch die ideale Schönheit ihrer Formen und Farben alle noch vorhandenen Un-
richtigkeiten vergessen lassen und mit der ganzen Macht wahrer Kunstwerke jedem
Unbefangenen einen hohen Genuß bereiten."
Nun bereitet die Renaissance wie immer Schwierigkeit und Verlegenheit für
den Kunstgeschichtsschreiber, der nicht recht weiß, wo und wann er mit ihr an-
fangen soll. Im eigentlichen Sinne bezeichnet das Werk ja die im 15. Jahr-
hundert geschehene Wiedergeburt der Kunst des Altertums in Italien, von wo
aus eine Umgestaltung des ganzen Kunstwesens sich im 16. Jahrhundert über
die übrige bildungsfähige Welt verbreitete. Im weiteren Sinn wird das Werk
aber auch für Wiedergeburt der Natur gebraucht, d. h. für das Erwachen der
Erkenntnis, daß die Natur die alleinige, einzige gültige Lehrmeisterin der bil-
denden Künste sei. Diese Erkenntnis ging im "Norden zuerst selbständig den
flandrischen Künstlern auf und brachte von dort her über ganz Deutschland einen
neuen Morgen, in dem die Kunst am alten Baum der Gotik neue Knospen trieb.
H. Knackfuß faßt diese deutsche Nachgotik und Frührenaissance zusammen in dem
Abschnitt „Die Vorläufer der neuzeitlichen Kunst" und faßt damit zusammen die
Schongauer, Zeitblom, Holbein den älteren, Michael Wohlgemut, Adam Kraft,
Veit Stoß, Niklas Lerch, Mich. Pacher, die Meister von Liversberg, Lübek,
Kalkar u. s. w. Dieser Abschnitt schließt mit der Bemerkung, daß die Farblosig-
keit der Bildhauerwerke für die Neuaissancekunst wesentlich charakteristisch sei.
Wir bezweifeln die Richtigkeit dieser Bemerkung; denn wie es schon in der mitt-
leren Zeit der Gotik farblose Steinbildwerke gab, so wurde tief in die Renaissance-
Zeit hinein die Färbung der Stein- und Holzbilder festgehalten, das zeigen z. B.
die bemalten Steinbildnisse des einstigen Lusthauses neben den gleichzeitigen un-
bemalten Grafenbildern im Chor der Stiftskirche zu Stuttgart.
Unbedenklich hätten die genannten „Vorläufer" noch der „Gotik" zugeteilt
bleiben können. Mit Dürer und Holbein u. s. w. hätte die eigentliche Renais-
sance und damit der zweite Band des Werkes begonnen werden können, während
jetzt der erste Band mitten in der vierten Abteilung schließt und der zweite mit
 
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