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und reichsten aller bisherigen Weltausstellungen zu seinen Füßen ausgebreitet
haben in naajorsua rsvolntioum st imtnoum Aloriana.
Wahrlich, die Franzosen könnten sich genügen lassen an solchem Ruhm, die
ersten zu sein in friedlicher Arbeit und an der Spitze der Weltbildung den Völkern
die Gesetze der Mode, der Sitte und der Kunst zu diktieren.
Daß unsere neueste deutsche Kunst, insbesondere die Malerei, sich wieder
recht unter französische Oberherrschaft gestellt, ihr Muster und Vorbild aus Paris
geholt hat, ist durch die erste Münchener „Jahres-Ausstellung" bestätigt worden.
Ein Teil unserer deutschen Maler ist auch in die Pariser Weltausstellung selber
gegangen, um dort zu zeigen, wie herrlich weit sie es in der Meisterschaft dessen,
was sie dort sich abgesehen, gebracht haben, und was die Deutschen in der Ver-
leugnung ihrer Eigenart, in der Verachtung ihres eigenen Besitzes, in der Über-
schätzung des Fremden auch immer leisten können, zehn, zwanzig Jahre nach
Siegen unerhört über den Erbfeind.
Es mag ja wohl der nüchternen „Grau- und Freilichtmalerei", welche die
Ausstellungen beherrscht, ein berechtigtes Streben nach ehrlicher Wahrheit, un-
befangener Natürlichkeit zu Grunde liegen. Die einfache getreue Wiedergabe der
Wirklichkeit soll auch immerhin ein notwendiger Gegenstoß gegen das akademisch
und theatralisch Erkünstelte sein. Es kann jedenfalls der bildenden Kunst nicht
verwehrt werden, dem Strome der Zeit, welche an die Stelle der Poesie, der
Spekulation und meist auch der Religion die Politik, die Kritik, die Mathematik,
die Statistik, die Wage, das Mikroskop gesetzt hat, zu folgen. Aber die Männer
der „Wissenschaft," der Technik, der Staats- und der Geldmacht müssen wenig-
stens von einem Stanley an das Wort sich erinnern lassen, daß zwischen Himmel
und Erde sich so manches findet, wovon alle technische und gelehrte Schulweisheit
sich nichts träumen läßt. So müssen auch unsere hochmodernen Maler wenigstens
von dem gesunden Sinn des Volkes, welches achtlos oder mit Kopfschütteln an
ihren nach französischem Muster, nur meist weniger sorgfältig, gemachten Werken
vorübergeht, das Urteil sprechen lassen, daß sie undentsch und unwahr seien.
W. Lübke hat seine meisterliche „Geschichte der deutschen Kunst von den
frühesten Zeiten bis zur Gegenwart"soeben mit dem ernsten Wort geschlossen:
„Die neueste Wendung der deutschen Malerei scheint uns wieder völlig unter
französische Botmäßigkeit bringen zu wollen. Es ist die jüngste Mode der dortigen
Impressionisten und Pleinairisten, in deren Nachahmung ein großer Teil unserer
Künstler die absolute Wahrheit und das einzige Heil für die Malerei erblickt.
Der Grundgedanke dieser Richtung lautet dahin, daß die Kunst nur die flüchtigsten,
äußerlichsten Eindrücke der Wirklichkeit wiederzugeben habe, und vor allem nach
Wahrheit des Lufttons streben müsse. Das bis dahin herrschende Atelierlicht
wird daher verschmäht und das Malen in freier Lust zum ausschließlichen Gesetz
erhoben. Ohne Zweifel liegt ein Körnchen Wahrheit in dieser Anschauung, wie
denn schon Lionardo da Vinci darauf hingewiesen hat, daß Scenen, die im Freien
spielen, nicht in geschlossenem Raum gemalt werden dürfen. Aber es ist sicher

*) Stuttgart, Verlag von Ebner L Senbert (Paul Neff) 1889.
 
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