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da, wo das Hochschiff anschließt, am letzten Drittel des viereckigen Unterbaues in
der Höhe von 150 Ulmer Werkschuhen nnd führte bis zum Jahr 1494 den
Bau fort zur Höhe von 440 Schuhen, d. h. über den Anfang des Achtecks hinaus.
Im Jahr 1494 erwählten ihn die Eßlinger zum Meister ihrer Frauenkirche,
die er bis zu dem herrlichen durchbrochenen Helm vollendete, welcher bis daher
„der schönste" aller unserer Türme heißen durfte. Im Jahr 1494 begann
Burkhard Engelberg jene Unterfahrung des brüchig gewordenen Turmes.
Als letzter Kirchenmeister wurde 1518 Bernhard Winkler von Rosenheim
auf Lebzeiten angestellt. Aber schon im nächsten Jahr zwang das infolge der
Überrumpelung Reutlingens gegen Herzog Ulrich von Württemberg nötig ge-
wordene Aufgebot des Schwäbischen Bundes, „den Bau am Münster zu mindern."
Im Jahr l521 wurde das Achteck mit Aussetzung jenes Notbaues beschlossen,
welcher mit seinen vier kleinen Türmchen um die größere vierseitige, in eine
Laterne ausgehende Dachspitze bis 1883 stehen bleiben mußte als ein Denkmal
böser Zeiten.
Am 30. Juni 1377 war der erste Grund zum Münster gelegt. 117 Jahre
lang wurde an ihm gebaut. Volle 323 Jahre geschah nichts Wesentliches an
ihm und für ihn. Im Jahr 1844 wurde unter dem Ulmer Meister Thrän
mit — zwei Steinmetzen die Ausbesserung des Zerstörten und Verwitterten be-
gonnen. Im Jahr 1877 waren durch Thrän und Scheu die Strebepfeiler,
Strebebögen, der obere Chorumgang und die Chortürme fertig. Am 30. Juni 1885
begann unter August Beyer der Aufbau des Achtecks. Am 30. Juni 1890
haben die ernsten Töne der alten „Schwörglocke" die Ulmer und ihre Gäste zum
Dankgottesdienst für die glückliche Vollendung des Turmes in das hehre Gottes-
haus rufen dürfen, wo Dekan Bilfinger die kraft- und geistvolle Festpredigt hielt.
Das ist ein Wunder vor unfern Augen. War der halbausgebaute „in die
blendende Pracht spätgotischer Steinmetzkunst gehüllte" Rumpf schon als ein Meister-
werk des Höchsten zu schauen, wie stehen wir jetzt so klein vor dem ausgewachsenen
Riesen und doch so hoch erhoben im Geiste des Gemütes! Die äußere Höhe
und Größe des Werkes packt auch den geringsten im ungebildeten Volk. An
seine hohe Kunst glaubt, seine hohe Bedeutsamkeit ahnt jeder Gebildete. Alle
Münsterbeschreiber waren und sind seines Lobes voll, und die neuern Kunst-
geschichten sind bei aller wohlberechtigten Kritik einig in seinem Preise, von
Franz Kugler, dem Vater der deutschen Kunstgeschichtschreibung an bis zu
Wilhelm Lübke uud Robert Dohme. (Schluß in der August-Nummer.)
Chronik.
Berlin. Zu dem an der theologischen Fakultät der Berliner Hochschule bestehenden Lehr-
stuhl für christliche Kunst ist ein Schüler des verstorbenen Professors vr. Piper, der Privat-
dozent Licentiat vr. Nikolaus Müller in Kiel berufen worden. Derselbe ist ein geborener
Nheinpfälzer, hat in Erlangen studiert und später eingehende Studien in Italien, besonders
auch in den Katakomben gemacht.
Außer dem Berliner steht im protestantischen Deutschland nur noch ein akademischer Lehr-
stuhl für christliche Kunst, nämlich in Tübingen.
Inhalt: Der Münsterturm in Ulm. Von H. Merz. — Chronik.
Verantwortliche Redaktion: Prälat Mer; in Stuttgart.
Druck und Verlag von I. F. Steinkspf in Stuttgart.
 
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