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in der Berliner Nationalgalerie, hat die Ausstellung ein ernst gearbeitetes, wenn
auch nicht sehr glückliches Bild „Domlns <gno vnäi8?" aufzuweisen, das beson-
ders in der abendlichen Landschaft ausdrucksvoll gestimmt ist, dagegen aber in
der Figur des Herrn viel zu wünschen übrig läßt. — Die im ganzen erfreulichste
Arbeit hat O. Brausewetter eingesandt. Sein „Christus am Kreuz" ist ernst
und würdig vorgetragen und wohl geeignet, den Altar einer Kirche zu zieren,
woselbst es dann noch eindringlicher wirken könnte, wenn der Künstler es zweck-
mäßig Heller gestimmt hätte. —
Düsseldorf ist durch E. v. Gebhardt mit einem kleinen Bilde vertreten,
das schon in der vorigen Besprechung genügend und treffend gewürdigt worden
ist. Hinzufügen wollen wir nur, daß es, wenngleich überzeugend beobachtet und
geschildert (wie trefflich ist z. B. in der Maria die hingebende Gläubigkeit, in
Lazarus der grübelnde Zweifel, der überlegende Verstand, in Christus — nur
etwas zu stark betont — das eindringliche Erklären des Wortes Gottes gegeben),
doch im Grunde nur ein ins Einzelne eingehend gemaltes Sittenbild ist, welches
noch den Mangel hat, daß es aus zwei für sich abgeschlossenen Bildteilen von
gleich starker Anziehungskraft besteht.
Dresden hat in zwei Bildern von Th. Grosse würdige Vertretung ge-
sunden. Seine „Madonna" ist eine fleißige, zart empfundene und lebendig erfaßte
Arbeit, welche durch den in ihr liegenden idealen Zug gewinnt. Dagegen ist
seine „Auffindung der Leiche des Stephanus" ein kühles, akademisches Werk,
welches nicht über einen farbigen Karton hinauskommt und sich durch eine selt-
same Steifheit und Unwahrheit der Figuren auszeichnet.
Aus Königsberg sandte L. Corinth mit der Bezeichnung „Pieta" eine
Leistung, welche in Bezug auf künstlerischen Gehalt alles und jedes zu wünschen
übrig läßt und, aus naturalistischer Grundlage aufgebaut, durch seine pietätlose
Roheit abstößt. Der stark verkürzte, aus dem Boden liegende, von den Fußsohlen
her gesehene Leichnam eines Mannes, an dessen Seite ein jugendliches, weibliches
Wesen hockt — das eine Pieta! Kaum dürste es möglich sein, den Vorgang
noch nüchterner und herabwürdigender aufzufafsen, und schwer ist es zu begreifen,
daß solche Arbeit eine wirklich ernst gemeinte ist. —
Nicht viel Erfreuliches war über die religiöse Kunst in Deutschland zu be-
richten. Ließen sich doch die meisten Bilder nur durch die Aufschrift dazu zählen.
Ihr Inhalt, oder besser die Ausgestaltung desselben war meistens kaum die eines
Kunstwerkes, geschweige eines christlichen. Am Ende des neunzehnten Jahr-
hunderts, in unserer gärenden, aufregenden Zeit mag es ja schwer, vielleicht
unmöglich sein, daß sich die Künstler in die Kunst versenken, daß sie, noch dazu
auf dem schwierigen Gebiete der religiösen Kunst, Werke schassen möchten, welche
zum Herzen gehen, welche hinaus und hinüber heben über das Elend des Lebens.
Dazu müssen sie eben vom Herzen kommen, und zwar vom gotterlenchteten, frommen.
Wenn schon die Masse der weltlichen Bilder geistig so niedrig steht, daß man zu-
frieden ist, wenn aus hundert oder zweihundert eines durch ethischen Gehalt und
wirklich künstlerische Eigenschaften sich heraushebt, so kann es nicht befremden, daß die
Ausstellung eine so ärmliche Auslese auf dem religiösen Felde gewährt. R. S.
in der Berliner Nationalgalerie, hat die Ausstellung ein ernst gearbeitetes, wenn
auch nicht sehr glückliches Bild „Domlns <gno vnäi8?" aufzuweisen, das beson-
ders in der abendlichen Landschaft ausdrucksvoll gestimmt ist, dagegen aber in
der Figur des Herrn viel zu wünschen übrig läßt. — Die im ganzen erfreulichste
Arbeit hat O. Brausewetter eingesandt. Sein „Christus am Kreuz" ist ernst
und würdig vorgetragen und wohl geeignet, den Altar einer Kirche zu zieren,
woselbst es dann noch eindringlicher wirken könnte, wenn der Künstler es zweck-
mäßig Heller gestimmt hätte. —
Düsseldorf ist durch E. v. Gebhardt mit einem kleinen Bilde vertreten,
das schon in der vorigen Besprechung genügend und treffend gewürdigt worden
ist. Hinzufügen wollen wir nur, daß es, wenngleich überzeugend beobachtet und
geschildert (wie trefflich ist z. B. in der Maria die hingebende Gläubigkeit, in
Lazarus der grübelnde Zweifel, der überlegende Verstand, in Christus — nur
etwas zu stark betont — das eindringliche Erklären des Wortes Gottes gegeben),
doch im Grunde nur ein ins Einzelne eingehend gemaltes Sittenbild ist, welches
noch den Mangel hat, daß es aus zwei für sich abgeschlossenen Bildteilen von
gleich starker Anziehungskraft besteht.
Dresden hat in zwei Bildern von Th. Grosse würdige Vertretung ge-
sunden. Seine „Madonna" ist eine fleißige, zart empfundene und lebendig erfaßte
Arbeit, welche durch den in ihr liegenden idealen Zug gewinnt. Dagegen ist
seine „Auffindung der Leiche des Stephanus" ein kühles, akademisches Werk,
welches nicht über einen farbigen Karton hinauskommt und sich durch eine selt-
same Steifheit und Unwahrheit der Figuren auszeichnet.
Aus Königsberg sandte L. Corinth mit der Bezeichnung „Pieta" eine
Leistung, welche in Bezug auf künstlerischen Gehalt alles und jedes zu wünschen
übrig läßt und, aus naturalistischer Grundlage aufgebaut, durch seine pietätlose
Roheit abstößt. Der stark verkürzte, aus dem Boden liegende, von den Fußsohlen
her gesehene Leichnam eines Mannes, an dessen Seite ein jugendliches, weibliches
Wesen hockt — das eine Pieta! Kaum dürste es möglich sein, den Vorgang
noch nüchterner und herabwürdigender aufzufafsen, und schwer ist es zu begreifen,
daß solche Arbeit eine wirklich ernst gemeinte ist. —
Nicht viel Erfreuliches war über die religiöse Kunst in Deutschland zu be-
richten. Ließen sich doch die meisten Bilder nur durch die Aufschrift dazu zählen.
Ihr Inhalt, oder besser die Ausgestaltung desselben war meistens kaum die eines
Kunstwerkes, geschweige eines christlichen. Am Ende des neunzehnten Jahr-
hunderts, in unserer gärenden, aufregenden Zeit mag es ja schwer, vielleicht
unmöglich sein, daß sich die Künstler in die Kunst versenken, daß sie, noch dazu
auf dem schwierigen Gebiete der religiösen Kunst, Werke schassen möchten, welche
zum Herzen gehen, welche hinaus und hinüber heben über das Elend des Lebens.
Dazu müssen sie eben vom Herzen kommen, und zwar vom gotterlenchteten, frommen.
Wenn schon die Masse der weltlichen Bilder geistig so niedrig steht, daß man zu-
frieden ist, wenn aus hundert oder zweihundert eines durch ethischen Gehalt und
wirklich künstlerische Eigenschaften sich heraushebt, so kann es nicht befremden, daß die
Ausstellung eine so ärmliche Auslese auf dem religiösen Felde gewährt. R. S.