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auch auf die anderen hier in Frage kommenden Provinzen und ferner bei ge-
nauer Sichtung des urkundlichen Materials, sonderlich der Vertrage, der Bau-
rechnungen u. a., soweit sie noch in den oft reichen Schätzen der klösterlichen und
bischöflichen Archive ruhen, die schwebenden Fragen über den Gang der Schul-
einflüsse zu einem allgemein befriedigenden Abschluß gefördert werde.. -
Doch nun die Frage: Ist damit alles erreicht? Lind damit die Wurzeln
und Ursachen des gewaltigen Reiches bloßgelegt, welches die gotische Architektur
in ihrer Gesamterscheinung ausmacht? Wir glauben es nicht, so oft und so
nachdrücklich es auch namentlich von feiten der Architekten versichert worden ist.
Es ist unbestritten, daß seit der Mitte unseres Jahrhunderts, seitdem die bau-
wissenschaftliche Untersuchung der vorhandenen Denkmäler fo glänzende Ergeb-
nisse über die konstruktiven Eigenheiten der einzelnen Stile zu Tage förderte,
daß seit dieser Zeit die gesamte baukuustgeschichtliche Betrachtung sich mehr uud
mehr daran gewöhnte, die Erscheinung des Stils aus ihrer Verbindung mit der
allgemeinen Kultur- und Geistesgeschichte loszulöseu und sie nach ihrer konstruktiven
Bedeutung zu verstehen. Es ist leicht zu verstehen, daß diese Art der Betrachtung
Schule machte. Lieferte sie doch ein Verfahren, bei welchem der Weg klar vor-
gezeichnet ivar, bei welchem in exakter Form die Ergebnisse schrittweise gefunden
und durch zahlenmäßige Belege sicher gestellt werden konnten. Wenn nur das
baukünstlerische und urkundliche Material nicht versagt, muß die Lösung der Frage
hier zum sicheren Abschluß gelangen.
Wir glauben aber, daß sich die Untersuchung über das Wesen und die Be-
deutung der gotischen Architektur — wie feder anderen -— auf einer doppelteil
Linie zu bewegen hat: die eine, sehr wesentliche hat die Mittel und ihre Ent-
wicklung zu untersuchen, welche der gotischen Baukunst zur Verfügung standen,
die Fortschritte für das Verständnis der statischen Momente, kurz die gesamte
konstruktive Thätigkeit der gotischen Meister. Die andere hat die Arbeit zn er-
gänzen, indem sie ans dell allgemeinen kultur- und volksgeschichtlichen Bedingungen,
aus dem Staude des gesamten geistigen Ideengehaltes heraus die Formen zu ver-
stehen sucht, welche das Bild des gotischen Architekturwerkes uns bietet. Uud
daß der Standpunkt, der dieser zweiten Seite der Arbeit ihr Recht sichern will,
nicht der niederere ist, dafür glauben wir auf Anerkennung auch seitens der
bauenden Meister rechnen zu dürfen, solange sie davon überzeugt sind, daß es
sich in der Architektur eben nicht um Bauhaudwerk, sondern um Baukunst
handelt.
Freilich dürfen wir nicht verkennen, daß die Untersuchung auf dieser zweiten
Linie nicht zu fo bestimmten uud allgemein anerkannten Resultaten gelangen wird,
ivie ans jener. Der geistige Gehalt einer Zeit läßt sich nicht fo leicht auf das
Secierbrett spannen, wie das Maß der technischen Kenntnisse, über welches die
romanischen oder gotischen Meister verfügt haben müssen. Die Wirkung von
einer inneren Vorstellung auf die Formengestaltung, iu der sich ihre Gedaukeu
ausdrückeu, hat hier deu Umweg durch das Typische und Symbolische zu machen,
die Einwirkung von der Erkenntnis des konstruktiven Vorteils auf die Ausführung
im Material ist unmittelbar.
auch auf die anderen hier in Frage kommenden Provinzen und ferner bei ge-
nauer Sichtung des urkundlichen Materials, sonderlich der Vertrage, der Bau-
rechnungen u. a., soweit sie noch in den oft reichen Schätzen der klösterlichen und
bischöflichen Archive ruhen, die schwebenden Fragen über den Gang der Schul-
einflüsse zu einem allgemein befriedigenden Abschluß gefördert werde.. -
Doch nun die Frage: Ist damit alles erreicht? Lind damit die Wurzeln
und Ursachen des gewaltigen Reiches bloßgelegt, welches die gotische Architektur
in ihrer Gesamterscheinung ausmacht? Wir glauben es nicht, so oft und so
nachdrücklich es auch namentlich von feiten der Architekten versichert worden ist.
Es ist unbestritten, daß seit der Mitte unseres Jahrhunderts, seitdem die bau-
wissenschaftliche Untersuchung der vorhandenen Denkmäler fo glänzende Ergeb-
nisse über die konstruktiven Eigenheiten der einzelnen Stile zu Tage förderte,
daß seit dieser Zeit die gesamte baukuustgeschichtliche Betrachtung sich mehr uud
mehr daran gewöhnte, die Erscheinung des Stils aus ihrer Verbindung mit der
allgemeinen Kultur- und Geistesgeschichte loszulöseu und sie nach ihrer konstruktiven
Bedeutung zu verstehen. Es ist leicht zu verstehen, daß diese Art der Betrachtung
Schule machte. Lieferte sie doch ein Verfahren, bei welchem der Weg klar vor-
gezeichnet ivar, bei welchem in exakter Form die Ergebnisse schrittweise gefunden
und durch zahlenmäßige Belege sicher gestellt werden konnten. Wenn nur das
baukünstlerische und urkundliche Material nicht versagt, muß die Lösung der Frage
hier zum sicheren Abschluß gelangen.
Wir glauben aber, daß sich die Untersuchung über das Wesen und die Be-
deutung der gotischen Architektur — wie feder anderen -— auf einer doppelteil
Linie zu bewegen hat: die eine, sehr wesentliche hat die Mittel und ihre Ent-
wicklung zu untersuchen, welche der gotischen Baukunst zur Verfügung standen,
die Fortschritte für das Verständnis der statischen Momente, kurz die gesamte
konstruktive Thätigkeit der gotischen Meister. Die andere hat die Arbeit zn er-
gänzen, indem sie ans dell allgemeinen kultur- und volksgeschichtlichen Bedingungen,
aus dem Staude des gesamten geistigen Ideengehaltes heraus die Formen zu ver-
stehen sucht, welche das Bild des gotischen Architekturwerkes uns bietet. Uud
daß der Standpunkt, der dieser zweiten Seite der Arbeit ihr Recht sichern will,
nicht der niederere ist, dafür glauben wir auf Anerkennung auch seitens der
bauenden Meister rechnen zu dürfen, solange sie davon überzeugt sind, daß es
sich in der Architektur eben nicht um Bauhaudwerk, sondern um Baukunst
handelt.
Freilich dürfen wir nicht verkennen, daß die Untersuchung auf dieser zweiten
Linie nicht zu fo bestimmten uud allgemein anerkannten Resultaten gelangen wird,
ivie ans jener. Der geistige Gehalt einer Zeit läßt sich nicht fo leicht auf das
Secierbrett spannen, wie das Maß der technischen Kenntnisse, über welches die
romanischen oder gotischen Meister verfügt haben müssen. Die Wirkung von
einer inneren Vorstellung auf die Formengestaltung, iu der sich ihre Gedaukeu
ausdrückeu, hat hier deu Umweg durch das Typische und Symbolische zu machen,
die Einwirkung von der Erkenntnis des konstruktiven Vorteils auf die Ausführung
im Material ist unmittelbar.