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88

Christliches Kunstblatt für Kirche, Zchule und Haus

Nr. 3

von herodes Ngrippa erst nach dem Tode des Heilands errichtet, welche zweifel-
los den heutigen Platz der Grabkirche einschloß, kommt gar nicht in Betracht.
Über den Lauf dieser zweiten Blauer war man bisher im Zweifel, und diese
Ungewißheit machte eine definitive Erledigung der topographischen Frage un-
möglich. hier lag der eigentlich kritische Punkt der Untersuchung. Vie Verteidiger
der Echtheit betonten die Möglichkeit, daß die zweite Mauer einen engeren
Napon umschrieben und das traditionelle Golgatha ausgeschlossen habe- weiter
reichten ihre Beweisgründe nicht. Vie Gegner leugneten diese Möglichkeit, und
noch in neuerer Zeit schrieb einer derselben: „Vie Stelle der heutigen Grabkirche
konnte sich nicht außerhalb der Stadt befinden, so wenig als heute; damals war
ja die Stadt noch viel volkreicher denn zu unserer Zeit" (Furrer, Wanderungen
durch Palästina 25). Uuf beiden Seiten gestand man zu, daß die Entscheidung
vom Lauf der zweiten Mauer abhänge.
Der Vorsehung Dank, daß gerade auf diesen dunklen Punkt in unserer Zeit
unerwartetes Licht fiel. Mir verlassen die Grabkirche, durchschreiten den Hof,
gehen zwischen dem Muristan, dem alten Sohanniterhospiz und dem griechischer!
Hospiz durch und stehen vor einem sehr stattlichen Neubau der Nüssen östlich von
der Grabkirche. Mir erbitten uns Einlaß und finden inmitten des Neubaues
mit schöner Nirche, tief unter dem Niveau der heutigen Straße, merkwürdige,
sorgfältig erhaltene und in den Neubau eingefügte alte Säulen, Napitelle, Bogen,
Mauertrakte. Sie sind es, welche die Lösung des großen Zweifel brachten.
Nusgegraben von der russichen Palästina-Gesellschaft im Jahre l88Z, gesichtet
und gedeutet durch den verdienten Ierusalemsforscher Baurat E. Schick, unfern
württembergischen Landsmann aus Balingen, legen diese Steine, so laut Steine
zu reden vermögen, Zeugnis ab über den Lauf der zweiten Mauer. Und ihr
Zeugnis geht dahin, daß dieselbe die Stätte der Grabkirche nicht einschloß, sondern
ausschloß. Schick fand den zur zweiten Mauer gehörigen, künstlich angelegten
Festungsgraben, großenteils aus dem lebenden Fels gehauen; am inneren, der
Stadt zugekehrten Nande des Grabens fand er Neste der zweiten Mauer, die
nur südlich der helenazisterne (unter dem koptischen Nloster) abbrechen, weil hier-
für den konstantinischen Lasilikenbau ein Teil abgetragen wurde, jenseits des
Bereiches der Bauten Nonstantins aber sich fortsetzen. Gerade auf der Stelle
des russischen Neubaues war die Mauer durch ein größeres Fort verstärkt. Der
Nnschluß dieser zweiten Mauer an die erste oder innere und das Tor Gennath
ist wahrscheinlich beim Turm phasael zu suchen.
So ist nun der von den Gegnern der Echtheit geforderte, von den Verteidigern
ersehnte Beweis erbracht. Topographisch kann die Frage als gelöst gelten. Daß
Nreuzigungsstätte und Grabesstätte unter einem Vach sich befinden, hat nichts
Bedenkliches. Dieses eine Vach deckt einen großen Naum. Vie Entfernung
beider Punkte voneinander, die Lage des einen in starker Erhöhung über dem
andern entspricht durchaus unfern Erwartungen und dem biblischen Bericht, wo-
nach an dem Ort, wo Jesus gekreuzigt wurde, sich ein Garten befand und in
 
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