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Klärz 1913 Fünfundfünfzigster Jahrgang Ur. 3


Line Karfreitagspredigt über Ludwig Richters
„Rast unter dem Kreuz."
Text: Württ. Leidensgeschichte, Abschnitt VI.

Bild von einem bekannten deutschen Maler, Was sehen wir darauf?
Zwei Menschen - offenbar auf einer Wanderung begriffen. Lin alter
Mann mit weißem haar und ein junges Mädchen, vielleicht seine Enkel-
tochter. 5ie haben die höhe eines Berges erreicht, von der höhe schaut man
weit hinaus in die Lande- auch das Bild läßt etwas ahnen von der prächtigen
Aussicht — im Hintergrund sehen wir in weiter Ferne einen Lee und am Horizont,
nur noch in matten Umrissen, einige Berge. 5tuf der höhe des Berges selbst ist
wenig zu sehen, ein paar Gesträuche; weiter nichts. Uber eines, das kann man
doch nicht übersehen. Auf einfachem Lteinsockel erhebt sich ein Kreuz und am
Kreuz hängt der Gekreuzigte. Gerade hier aber, unter dem Kreuz, haben sich
unsre zwei müden Wanderer niedergelassen, sie haben ihre Lasten abgelegt, Korb
und Bündel, und ruhen nun hier aus, um sich zu stärken. Vas Mädchen ist in
einen erquickenden Schlaf gesunken, der Mann sitzt da, gebeugt und mit ge-
falteten Händen — als wollte er das Lied sagen, an das der Maler wohl gedacht
hat: „Ich wollt, daß ich daheime wär!" „Heimweh" - so hat der Maler sein
Bild betitelt. Man kann ihm auch eine andre Überschrift geben und sie ist dem
Bild schon mit Recht gegeben worden: „Rast unter dem Kreuz". Nun, diese
Überschrift, die für das Bild paßt, die paßt auch für unsre heutige Karfreitags-
predigt. So schreibe ich darüber die Worte

„Rast unter dem Kreuz."
hie und da hat doch jeder Mensch das Bedürfnis nach einer
Rast in dem Leben, das so unaufhaltsam davon eilt. Wie die zwei Menschen
auf dem Bild das verlangen empfunden haben, auf ihrer Wanderung ein wenig
 
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