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74

Christliches Kunstblatt für Kirche, schule und Haus

Nr. 3

zu rasten, so empfinden wir das gleiche verlangen auf unsrer Wanderung durchs
Leben. Und zwar denke ich bei der Nast vor allem daran, daß man nicht immer
weiter schaffen, weiter verdienen, weiter sich mühen und plagen kann; sondern
daß man auch manchmal innehalten muß, - ich meine jetzt nicht, um dem
müden Körper eine Pause zu gönnen; vielmehr um bei sich selbst einzukehren,
sich zu besinnen vor allem auch über sich selbst, sich zu sammeln in ernsten Ge-
danken, sich ernste, wichtige, tiefe Fragen vorzulegen. Gott nötigt selbst manch-
mal zu solcher Nast, wenn er den Menschen in die Stille des Krankenzimmers
nimmt. Uber ernste Menschen lassen es nicht darauf ankommen, sondern wünschen
und verschaffen sich selbst solche Nast. Und sie freuen sich, daß sie dazu ihre Sonntage
haben. Zu den Tagen aber, an welchen besonders viele Menschen das Bedürfnis
nach stiller Einkehr bei sich selbst, nach ein paar Stunden des Nastens empfinden,
gehört sicher der Karfreitag. Daraus wird es auch mit zu erklären sein, wenn
an diesem Tag mehr Menschen als sonst das Gotteshaus aufsuchen.
Mer aber am Karfreitag das Bedürfnis nach Nast empfindet, der möchte
doch gerade eine Nast halten unter dem Kreuz. Jene zwei Wanderer
auf dem Bild haben sich den Platz unter dem Kreuz gewählt, weil der ihnen
besonders gefiel - vielleicht, weil hier der schönste Blick hinaus in die weite
sich zeigte, vielleicht weil sie von hier aus die Heimat sahen; vielleicht aber auch,
weil es ihnen besonders ansprechend schien, gerade im Schatten des Kreuzes zu
ruhen, warum wir das Bedürfnis haben, am Karfreitag gerade unter dem Kreuz
zu rasten, das spüren wir selbst: weil am Karfreitag einst jene große Tat ge-
schehen ist, die uns das Kreuz so kurz und bündig andeutet. Damals war's,
daß der Hirte sein Leben gelassen hat für die Menschen, die ihm so teuer waren.
Damals war's, daß der heiligste, den die Geschichte kennt, von verständnislosen,
undankbaren, unheiligen Menschen zu einem unwürdigen, qualvollen Tod gezwungen
wurde. Zu einem Tod, der zunächst für seine Jünger das größte Nätsel, die
größte Enttäuschung, ja die größte Ungerechtigkeit schien, der aber durch Gottes
Macht zu einem Segen, zu einer Erlösung für viele geworden ist. Darum, wenn
wir sonst in Stunden der Nast gerne von Iesu predigt, Sesu Heilungen, von
Iesu Wirksamkeit überhaupt hören — am Karfreitag, da wollen wir etwas
hören von seinem Tod. Da wollen wir ihn sehen als den Gekreuzigten. Nicht
um uns in seine Malen hineinzudenken, nicht um uns zu entrüsten über die,
welche seinen Tod verschuldet haben. Sondern um zu hören und zu schauen,
wie er auch am Kreuz der blieb, der er immer war, der heilige Gottes. Um
zu sehen, wie das wunderbare, innere Leben eines Gotteskindes auch im Leiden
und Sterben nicht verlischt, wie Menschen wohl den Leib töten, aber die Seele
nicht vermögen zu töten. Um aus seinem Mund wieder zu vernehmen die Worte
einer wunderbaren göttlichen Liebe, die auch noch für Feinde beten kann, an-
statt sie, wie andre taten, zu verfluchen; einer Liebe, die auch im größten Schmerz
nicht bloß mit sich selbst sich beschäftigt, sondern fürsorglich noch an andre denkt.
Endlich, um wieder vom Kreuz herab Worte unerschütterlichen Gottvertrauens
 
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