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April 1913 Fünfundfünfzigster Jahrgang Ur. 4

siirkirche, schule uMaus
iherausgegeben von
o D. theol. David lstoch
0 Erscheint monatlich in einem lieft zu Z2 bis 48
Zeiten und enthält viele rertillustrationen, 1-2
farbige Kunstbeilagen unü bisweilen Noten.
Preis für öas Vierteljahr 2 stlark. ?u beziehen
durch alle Postämter und Nuchhanölungen.
Vrgsn des Sundes der freunde für Volkskunst.




Moderne Bestrebungen auf dem Gebiete des
protestantischen Kirchenbaus.
"H^^enn sich der Laie ein neues bemerkenswertes Gebäude beschreiben lassen will,
! / pflegt er zuerst zu fragen: „In welchem Stile ist dieses Gebäude gebaut?"
Diese Frage ist für den modernen Architekten Nebensache. Ihm sind
drei Gesichtspunkte wichtig: I. die Zweckmäßigkeit des Gebrauchs; 2. die Zweck-
mäßigkeit der Konstruktion und des Materials; Z. die zweckmäßige Aufstellung
des Gebäudes im Stadt- und im Landschaftsbilde. Gr benutzt Stilformen der Ver-
gangenheit, wenn sich ihre Verwendung mit diesen drei Gesichtspunkten verein-
baren läßt. Aber er bedarf ihrer nicht. Seiner Seele erstehen aus dem Zweck,
für den das Gebäude bestimmt ist, aus den Möglichkeiten der Konstruktion und
der Verwendung neuer Materialien, wie des Betons und des Eisens, aus den
Anforderungen des Stadt- resp. des Landschaftsbildes neue Schönheitsformen, die
die dekorativen Formen der Vergangenheit entbehrlich machen. Mir wissen noch
nicht, ob aus diesen neuen Formen sich ein neuer Stil entwickeln wird. Ansätze
dazu sind vorhanden. Ich möchte es kaum wünschen, weil in jedem solchen
modernen Bau ein Stück Seele des Künstlers steckt und die Seele verloren geht,
wenn die Form zum Stil, das ist nichts anderes als Uniform und Schablone, wird.
Aber nimmt nicht der Kirchenbau, den wir heute behandeln wollen, eine
Ausnahmestellung ein? Ist nicht für ein kirchliches Gebäude das erste Erfordernis
ein kirchlicher Stil? Das war Jahrzehnte die öffentliche Meinung und die Meinung
der Eisenacher Konferenz deutscher evangelischer Kirchenregierungen. Diese forderte
in einem im Jahre 1861 erlassenen Regulativ Anschluß an die geschichtlich ent-
wickelten christlichen Baustile und zwar „neben der altchristlichen Basilika und
der sogenannten romanischen Bauart vorzugsweise den Anschluß an den sogenannten
germanischen (gotischen) Stil."
 
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