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430
Christliches Kunstblatt für Mrche, Zchule und Haus
Nr.l2

Michelangelo.
Gedichte von K. E. Knodt - Bensheim a. d. B.

Michelangelo.
Skulptur ist eine heft'ge, aber schäm'ge Kunst . . .
Glüht auch im Innern stärksten Feuers Brunst,
Nach außen wirkt sie ganz in Nuh:
Schau nur dem größten Meister zu!

Auftakt.
Deine ewigen Gestalten tragen all' ein Weh,
Drin nicht Tod ich, nein! Geburt des neuen Lebens seh'.
In die bald'ge Freiheit weisen diese Schmerzensmienen,
Und vom Glanz des nahen Friedens sind sie schon beschienen.
An Michelangelos Hände.
Irl deinen Händen ward der Stein so stolz,
Nls müßt' er, daß er sei von Gottes Gnaden;
In deinen Händen formte sich das Holz,
6ls sei's gewachsen all zu Bundesladen.
Du warst ein Meister jeglicher Gestalt.
Den Farben liehen deine Hände Leben, —
Und über Päpste hattest du Gewalt!
. . . Nur einem wußtest du nicht Form zu geben:
vir selber, deiner eigensten Natur.
Sie war so stark und wieder so gebrochen,
Daß du dich fühltest als die Kreatur,
In die der Schlange Biß zutiefst gestochen.
Und brannte dich der Biß, dann wardst du klein,
Dann ließest du dich formen von den Händen,
Vie kein's noch sah. vu knietest ganz allein,
Ein Büßender, in deiner Kammer Wänden.
Und schriest aus tiefster Pein zu deinem Gott:
Er möge dich, den härt'sten Stein zerschlagen
Und dich aus aller, aller Menschennot
In seines hohen Hauses Freiheit tragen!
Michelangelos „pietä".
Gott rief zu ihm : wer steckt im Stein? Und wieder rief's: Komm her zu mir!
Vie antwort kam: wer wird es sein, Vie antwort kam: Kann nicht zu vir!
Denn vu allein? Tritt selbst herfür!
Und neu rief Gott: Hau mich heraus!
Vein Herz ist mir das liebste Haus.

So wuchs die „pietä" daraus.
 
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