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432

Christliches Kunstblatt für Kirche, Zchule und Haus

Nr. 12

erziehung gekommen — oder nahe ist. Vie schöpferische Phantasie, das Bedürfnis
nach Verklärung, die Mittel des Zpmbols, die Mitarbeit der Dichter und Künstler
an der 5eele des neuen Geschlechts wird ohne Überschwang und Draufgängertum
uns nahe gebracht, so das; wir Väter und Mütter an so einem Weihnachtstag
beruhigter über die Kinderschar hinwegsehen können, beruhigt durch den Ge-
danken: in die deutsche Erziehung soll immer mehr Poesie, weniger Vrot-Studium-
geist, mehr Zelbsttätigkeit, weniger Mechanismus kommen. Es mögen einige
Übschnitte aus den Gebieten hieher gesetzt sein, die in den Umkreis der reli-
giösen Volkskunst hereinspielen. Mögen diese frischen, herzensguten Morte Lust
erwecken, dies Buch zu lesen.
Das Kind im 5piel.
Ihr müßt die Spielneigung eurer Kinder beobachten und, wenn es not tut, regeln.
All diese Gewinnspiele müssen sich nicht in den Vordergrund drängen. Tun sie es doch,
nehmen sie den Spielen der eigentlichen Tat, den Spielen der Nachahmung, der Arbeit
und der Bewegung auch nur ein wenig von ihrem Neiz, dauernd, denn daß für ein
paar Tage oder wenige Wochen eine einzelne Spielgattung des Interesses überwiegend
sich bemächtigt, ist durchaus das Übliche, — dann hütet euer Kind vor niederer Leiden-
schaft. Dann ist es geneigt, von Erregungen und Spannungen sich überwältigen zu
lassen. Dann wird es auch gegen Alkohol, gegen Geschlechtsreizung, gegen alle sinnlichen
Genüsse einer Stärkung bedürfen. Dann müssen im Geist die Interessen, die durch Be-
obachtung oder durch hervorbringen das Ich in die Welt auflösen, gestärkt werden; dann
bedarf der Körper und auch der soziale Mille durch die Bewegungsspiele befreiender
Belebung. Dann belegt die Nichtstuerspiele mit Spott und macht die Gewinnsüchtigen
lächerlich. Dann spielt gegen die Spielsucht die heroischen Triebe aus, indem ihr den Spieler
als den Weichling kenntlich macht, der sich mit Süßigkeiten den Appetit verdirbt für ehrliche
Kost. Dann nehmt nnter Umständen die Karten weg mit dem Ausdruck der Verachtung.
Seht ihr aber, daß eure Kinder mit den Karten oder mit Brettspielen sich nicht
anders beschäftigen als mit Puppen und Bleisoldaten, mit Ankerbaukasten und Modellier-
stäbchen, ebensowenig darin aufgehen, ebenso gleichmütig davon lassen, so seht ihr, daß
sie gesund sind, wenn ihr sie nicht krank macht. Dann sind auch die Karten ein Wind,
der morgen verweht ist, und dann ist auch dieses Spiel mit seiner Freude und seinem
Verzicht, seiner Erregung und seiner Gelassenheit eine leichte Übung des Geistes und eine
Lust, die ihnen nichts schadet.
Dlumen, Tiere und Kinder.
Nichts Köstlicheres für ein Kind als die Miese.
vor meiner Seele steht der Oranienburger park; uralte Niesenstämme mit dunklen
Wänden, weite Miesen umragend, und auf der Miese als rotes pünktcheu unser Kind.
Vas Kleidchen rot, das Hütchen rot, so schwebt es über den grünen Grashalmen. Greift
hier nach den gelben Blümchen, hier nach den weißen, den blauen, den roten, — wie
soll man sie bergen im Fäustchen, — da flattert ein Zitronenfalter vorüber, und wir
müssen hinterher; da huscht ein Fink uns gerade vor die Füße, und wir greifen darnach.
Mir setzen uns in grüne Gras, um die Blumen im Schürzchen zu sammeln und besser zu
fassen; da hopst uns ein Heuschreck kurzerhand auf den Schoß, stemmt behaglich die Arme
in die Seite, wetzt und kratzt sich, — weg ist er. In den Himmel hineingesprungen, Luft
geworden. Glaubt ihr, hier wäre es nötig, Langeweile zu zerstreuen, das Ich zu be-
 
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