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Nr. l2
Christliches Kunstblatt für Kirche, Schule und Haus
439

Virgil zurückgeführt; eine Menge von Vorstellungen der alten Welt ist in Statuen
und Gemälden erneuert, und die fabeln der Dichter sind in täuschenden Gestalten
wieder aufgestellt. Götter der ersten Größe und Halbgötter wohnen hier unter den
sterblichen und neben den elysischen Feldern hat auch Pluto sein Reich mit allen
seinen Ungeheuern eröffnet. Den Göttern sind hier Tempel, den Philosophen
Griechenlands Einsiedeleien und selbst den Zauberinnen höhlen erbauet. Man
hat nicht bloß das Grabmal des Virgil erneuert, man ist selbst in die grauen
Jahrhunderte der Pyramiden Ägyptens zurückgestiegen. Noch mehr. Man
glaubte, aus den Nomanen der Ritterzeiten, aus den Gedichten des Tasso schöpfen
zu dürfen und Nrmide hat hier nicht allein ihren Palast, auch ihre Gärten
wiedergefunden. Noch nicht genug: Der Türke erblickt hier seine schöngebaute
Moschee und der Thinese seine Pagode und sein Dorf." Text und Bilder (dar-
unter besonders die Wiedergaben von Aquarellen I. h. Tischbeins beachtenswert)
sind dazu angetqn, die widersprechendsten Gefühle in uns auszulösen. Zwei
Stücke aus Nlt-Hessen - vieles vorüber und bei manchem gut, daß es vor-
über ist!
Und in einem solchen Stücke Nlt-Hessen ist die neue „Deutsche Kunstaus-
stellung Rassel l9l3" untergebracht. Ls ist das Orangerieschloß, das Land-
graf Rarl unter den Eindrücken seiner italienischen Reise (l700) hat bauen lassen.
Line eingeschossige Galerie, mit einem Ruppelraum in der Mitte und je einem
Pavillon an den beiden Enden — so lockte der Bau mit seinen hohen Fenstern,
die fast bis zur Lrde reichen, ihn durch Linbauten und Stoffbespannung in ein
Nusstellungsgebäude umzuwandeln. Denn Rassel ist noch nicht so glücklich wie
Darmstadt, die Runststadt des Großherzogtums, ein eigenes Nusstellungsgebäude
zu besitzen. Nls ich vor zwei Jahren zum letztenmal hier war, war die Rolonial-
ausstellung da gastlich aufgenommen. Noch erinnern einige Malereien und Stuck-
dekorationen, ein Treppengeländer (letzteres so ganz anders als das von holt-
meyer in seinem erstgenannten Buch einmal gerügte „schwindsüchtige Lisen-
gestänge" neuerer Mietskasernen) an vergangene Zeiten; die Wölbung des
Ruppelraumes zeigt neue Bemalung, Silhouetten in der Nrt der Vasenmalerei
der Nntike nach Entwürfen von Nkademieprofessoren, des Nrchitekten von Tettau
und des Malers Professor Wagner, recht glücklich. Der an neue Nusstellungs-
bauten gewöhnte und durch sie vielleicht verwöhnte Besucher hat garnicht den
Eindruck, daß das Gebäude ursprünglich anderen Zwecken bestimmt. Die Be-
leuchtungsfrage ist überaus gut gelöst. Im Ruppelraum hat man die Großplastik
untergebracht, die kleinere Plastik in den übrigen Rabinetten für die Gemälde
und in den je drei der graphischen Nbteilung vorbehaltenen Räumen im ersten
Stock der beiden Eckpavillons.
Das Romite der Nusstellung leitete der Gedanke, einen Überblick von dem
deutschen Runstschaffen der Gegenwart zu geben. So sind nur lebende deutsche
Künstler berücksichtigt und das Nusland war von vorneherein ausgeschlossen.
Nus diesem geschäftsführenden Nusschuß seien genannt: vr. Boehlau, Museums-
 
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