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Chlodna 3). Diese Anlagen begrenzten die strahlenförmig verlaufenden Zufahrts-
alleen (z.B. die Ulica Krolewska), deren östlicher Ausgangspunkt der Schloßhof
und deren westlicher ein neu angelegter Platz in der Gegend der Kirche in der
heutigen Ulica Chlodna war. Die Alleen bildeten zugleich repräsentative Zufahrts-
straßen zur Stadt. Ein weiteres städtebauliches Projekt bezog sich auf die Residenz
in Ujazdöw, wo man einen großen Komplex sakraler Bauwerke plante. Als Schwer-
punkt dieses Vorhabens waren das zu einem Klostei umgebaute Ujazdowski-
Palais und der Kalvarienweg (Droga Kalwaryjska), das wichtigste urbanistische
Element, vorgesehen. Der Kalwaria-Ujazdowska-Komplex entstand in den Jahren
von 1724 bis 1731 nach dem Entwurf von Jauch; erhalten geblieben ist eine Skulp-
tur aus der Kapelle des Grabmals Christi (jetzt in der St.-Alexander-Kirche) und
die Säulen mit Kreuzen auf dem Plac Trzech Krzyzy. Der Kalvarienweg (jetzt
Aleje Ujazdowskie), eine Spazier- und Verbindungsstraße zwischen Ujazdöw und
der Altstadt, wurde bald zu einer der wichtigsten Verkehrsadern der Hauptstadt.
Ein Teil des Ujazdöw-Großprojekts war der Königskanal, auch Piaseczynski-Ka-
nal genannt, der in den Jahren von 1720 bis 1731 abgesteckt wurde. Er zieht sich
längs der Schloßachse in Richtung zur Weichsel durch den Agrykola-Park bis zur
Ulica Czerniakowska hin und vermittelt heute eine Vorstellung von den weitrei-
chenden städtebaulichen Plänen der Sachsenkönige.
In der Tätigkeit auf dem Gebiet der Architektur standen den beiden Monarchen
der königliche Minister bzw. Ministerpräsident Heinrich von Brühl und seine
Gattin Anna, geb. Kollowrath, nicht nach; sie beschäftigten Architekten, vor
allem Johann Friedrich Knöbel. Im Auftrag Brühls leitete Knöbel den Bau der
St.-Laurentius-Kirche im Stadtteil Wola (nach dem Entwurf von Jauch), ließ
etwas später das Schlößchen in Mlociny errichten, das heute nicht mehr existie-
rende Brühl-Palais (später Palais der Familie Potocki) in der Ulica Wierzbowa
sowie die Gartenpavillons in Brühls Residenz in der Ulica Nowy Swiat. Eine
herausragende Leistung Knobels war der in den Jahren von 1752 bis 1759 im Auf-
trag Brühls durchgeführte Umbau des Sanguszko-Palais, das vorher die Familien
Ossoliriski und Lubomirski besaßen. Dieses Bauwerk gehörte zu den größten
Errungenschaften der spätbarocken Residenzarchitektur in Warschau (während
des Zweiten Weltkriegs vollständig zerstört).
Die lebhafte Bautätigkeit blieb nicht auf den Königshof beschränkt. Die polnischen
Magnaten wollten nicht zurückstehen und nahmen die Dienste der königlichen
Baumeister in Anspruch. Damit sicherten sie sich ein hohes künstlerisches Niveau
und eine moderne architektonische Gestaltung ihrer Residenzen. Ähnlich wie im
Städtebau waren auch in der Schloßbaukunst die von sächsischen Baumeistern in
Polen eingeführten Muster französischer Herkunft. Das französisch-sächsische
Rokoko verhalf dem Typ von Residenzen entre cour et jardin endgültig zum
Durchbruch. Dieser Typ hatte in Warschau eine Tradition, die bis zum Beginn
des 17.Jahrhunderts zurückreichte; so wurden die Palais des Wasa-Geschlechts
in der ersten Hälfte des 17.Jahrhunderts angelegt (Kazimierzowski-Palais, Palais
der Familie Koniecpolski). Eine ähnliche Konzeption legte auch Tyllman van
Gammeren seinen Warschauer Palästen zugrunde (Umbau des Palais der Familie
Ossoliriski für Stanislaw Herakliusz Lubomirski, das Palais der Familie Radzi-
will, Ulica Miodowa). Diese Bauweise war in Warschau so stark verankert, daß
sie später einigen eklektischen Bauwerken des 19.Jahrhunderts ihren Stempel
aufdrückte (z.B. dem Palais der Familie Zamoyski, Ulica Foksal). In der ersten
Hälfte des 18.Jahrhunderts übernahmen auch die Baumeister Johann Sigismund
Deybel und Carl Friedrich Pöppelmann diese Konzeption. Das von ihnen ausge-
baute Blaue Palais wurde zum Vorbild für die Warschauer Schloßbaukunst im
zweiten Viertel des 18.Jahrhunderts. Im Raum um Warschau wurde nach diesem
Muster ein ganze Reihe von Palais erbaut bzw. umgestaltet: die Palais der Fa-
milie Denhoff (später Eigentum der Familie Potocki, Ulica Krakowskie Przed-
miescie 15), Deybel, der Familien Branicki (Ulica Miodowa 8) und Mniszech
Ulica Senatorska 40), Pierre Ricaud de Tirregaille, der Familie Czapski (Ulica
Krakowskie Przedmiescie 5), Deybel und Franz Anton Mayer. Deybel, ein be-
sonders bevorzugter Baumeister, wandte beim Bau des Blauen Palais und anderer
Bauwerke, wie z.B. des Sapiezyriski-Paiais (Ulica Zakroczymska 6) und der
Südfassade des linken Schloßhügels in Wilanöw, ausgereifte spätbarocke Formen
an. Die flach und linear gestalteten Wände lockerte er durch eine ausgesuchte
Rokokoornamentik auf; diese Dekoration erschien an den Lisenenkapitellen der
Zwischenfensterfüllungen, zierte die reichen Kartuschen, Frontispize und auch
die ovalen Lukarnen.
Um die Mitte des 18.Jahrhunderts wurden die Häuser in den Straßen Krakowskie
Przedmiescie 81, 89 und Senatorska 9 sowie die bescheideneren Palais der Familien

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