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Wessel (Ulica Krakowskie Przedmiescie 25), Jablonowski (Ulica Nowy Swiat51),
Loupi (Ulica Senatorska 11) und Mokronowski (Ulica Zakroczymska 2) im Stil
des Spätbarocks umgebaut. Besondere Aufmerksamkeit erregt das Wohnhaus der
Familie Prazmowski (Ulica Krakowskie Przedmiescie 87). Seine gewellte, mit einem
Rocaille bekrönte Fassade und die subtile Ornamentik sind typisch für die War-
schauer Architektur, die nach neuen Fassadengestaltungen suchte.
Im zweiten Viertel des 18.Jahrhunderts entstanden viele Warschauer Gotteshäuser.
Die Formen dieser Kirchen inspirierte die italienische Architektur, realisiert wur-
den sie jedoch von ortsansässigen Baumeistern, z.B. Carlo Bay und Jakub Fontana,
oder von den sächsischen Architekten Jauch und Knöbel. Ein ausgezeichnetes
Beispiel für eine Säulenfassade ist die Visitantinnenkirche (Ulica Krakowskie
Przedmiescie 34), die nach dem Entwurf von Carlo Bay und Ephraim Schräger
(Vollendung des Projekts) erbaut wurde. Säulenfassaden haben auch die St.-Mar-
tins-Kirche (Ulica Piwna 9/11) und die Dominikanerobservanten-Kirche (im Jahre
1818 zerstört). Flach ist dagegen die Fassade der von Jauch entworfenen St.-Lau-
rentius-Kirche (Ulica Wolska 140a). Sie wurde mit Pilastern in strenger toskani-
scher Ordnung aufgegliedert und mit dreieckigem Frontispiz überdeckt. Die
Kamaldulenserkirche in Bielany (Ulica Gwiazdzista 81) mit einem vielseitigen
Schiff und sechs Seitenkapellen ahmt österreichische Vorbilder nach. Die Fassade
der Heiligkreuzkirche, mit deren Gestaltung man gegen Ende des 17.Jahrhunderts
nach einem Entwurf von Giuseppe Simon Bellotti begonnen hatte, wurde bereits
in der zweiten Hälfte des 18.Jahrhunderts vollendet. Der letzte Entwurf des
Mitteljoches wird Jakub Fontana zugeschrieben, der die Fassade mit Rokoko-
schmuck aufzulockern versuchte. Ein ähnliches Beispiel für die Umgestaltung im
Geiste des Rokokos stellt der Innenraum der Visitantinnenkirche dar.

ZWISCHEN BAROCK UND KLASSIZISMUS
Warschau war das Hauptentwicklungszentrum der klassizistischen Kunst in Po-
len. An der Wende von 1761 und 1762 projektierte Ephraim Schräger die Fassade
der Karmeliterkirche mit fast ausschließlich klassizistischen dekorativen Elemen-
ten. Die Weiterentwicklung der klassizistischen Kunst vollzog sich unter der
direkten Leitung Königs Stanislaw August.
Merkmale des neuen Stils erschienen sowohl in den für den König angefertigten
Projekten Jakub Fontanas als auch in den Entwürfen des französischen Baumei-
sters Victor Louis, den Stanislaw August rufen ließ, um die Gestaltung des War-
schauer Königsschlosses zu übernehmen. Obwohl in den Entwürfen dieser Archi-
tekten barocke und klassizistische Elemente vermischt waren, überwogen letztere
immer häufiger, und - was noch wichtiger war - sie inspirierten andere Baumeister.
So ist z.B. bekannt, daß einige Details in Dekoration und Ausstattung der von
Louis entworfenen Innenräume Domenico Merlini angepaßt oder nachgeahmt hat.
In seinen architektonischen Kompositionen bevorzugte Merlini dagegen barocke
Stilformen, die die Bauten im Lazienki-Park vetanschaulichen. Dem Baukörper und
der Südfassade des Palais auf der Insel (Palac na Wyspie) fehlt jene klassische Stren-
ge, die die klassizistische Kunst charakterisiert. Skulpturen in Rokokoposen, fragile
Fenstergestaltungen mit profiliertem Gewände oder die volutenartigen Balkon-
gitter verraten, daß ihr Schöpfer nur mit Mühe die gewohnten Rokokoformen
unterdrücken konnte.
Eine große Errungenschaft des Mäzenatentums Stanislaw Augusts von unver-
gänglichem Wert war die Herausbildung des individuell-repräsentativen Palastin-
terieurs. Die entscheidende Rolle spielte dabei die Person des Königs, dessen Tole-
ranz es ermöglichte, Elemente verschiedener Stilrichtungen miteinander zu ver-
binden. Der Kult der klassischen Formen war für den König das Gebot des
Zeitgeschmacks, doch vor allem sagten ihm die lebensvolle Pracht und Farbigkeit
der Barockkunst zu-besonders aus der Epoche Louis’ XIV. Aus der Verschmel-
zung dieser Formen entstand der besondere Charakter des Interieurs im Königs-
schloß und im Lazienki-Palais, die enge Verbindung von Architektur, Plastik,
Malerei und Dekorationskunst. Die in weißem oder vergoldetem Stuck ausge-
führten Wandgliederungen betonten oft Marmorsäulen in Pastellfalben, die
Decken füllten große, illusionäre Gemälde aus, und in die Wände wurden Gemälde,
Spiegel und Kamine eingelassen. In einem so gestalteten Interieur stellte man mit
großer Zurückhaltung Wandkonsolen, Hocker und kleine Bankette auf, schmückte
die Wände mit vergoldeten Bronzeapplikationen und ergänzte das Ganze durch
Nipptischchen, Leuchter und Uhren. Die Interieurs aus der Poniatowski-Zeit,

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