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Rotonda, und eine Schloßanlage, die aus einem rechteckigen, durch viertelkreis-
förmige Galetien mit den Eckpavillons verbundenen Zentralbau bestand. Das
beste Beispiel für den Einfluß venezianischer Kirchen stellt die Fassade der Bern-
hardinerkirche (Ulica Krakowskie Przedmiescie 68) dar, die in den Jahren von
1786 bis 1788 nach Entwurf von Chrystian Piotr Aigner und Stanislaw Kostka
Potocki entstand. In Anlehnung an das Gestaltungsschema der Villa Rotonda,
eines eingeschossigen Bauwerks mit quadratischem Grundriß und vier zu ihm
führenden Portiken, errichtete Merlini in den Jahren von 1786 bis 1789 das Kröli-
karnia-Palais (Ulica Pulawska 113a). Das Primas-Palais (Ulica Senatorska 11),
dessen Umbau nach einem Entwurf von Schräger ebenfalls im Anfügen von Ga-
lerien und Pavillons bestand, war eine der ersten klassizistischen Versionen der
Palladio-Anordnung in Polen und trug wesentlich zu deren Verbreitung bei.

ROMANTIK: ANFÄNGE DER NEUGOTIK, EXOTISCHE KUNST
Parallel zu der Hinwendung zur Antike kam eine andere künstlerische Richtung
auf, die scheinbar zu den klassizistischen Idealen im Widerspruch stand, jedoch
ebenfalls eine Reaktion auf Kunst- und Lebensformen des Barocks darstellte. In
der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts begann der Mensch Ausgleich in der un-
berührten Natur zu suchen, und immer häufiger wandten sich seine Gedanken der
weit zurückliegenden Zeit des Mittelalters oder dem durch seine Rätselhaftigkeit
anziehenden Fernen Osten zu. Die Anbetung der Natur fand vor allem in der
sentimentalen Gartenbaukunst ihren Niederschlag. Man legte Landschaftsparks
an, deren Ursprung in England und Frankreich zu suchen ist. Diese Art der Garten-
anlagen, die man als Landschaftspark, oder englischen Park bezeichnet, tauchte
in Warschau sehr früh auf. Der Mittelpunkt der Parkkomposition war ein kleiner
Wohnsitz in der Manier maison de plaiscmce (z.B. das Palais in Mokotöw oder das
vornehme Schlößchen in Natolin). In den malerisch gestalteten Parkanlagen gesell-
ten sich zu antiken Tempeln neugotische Pavillons und zu Minaretten dörfliche
strohbedeckte Häuser. Auf diese Weise komponierte Izabella Fürstin Czartoryska
um 1770 den Powqzki-Park (Überreste in der Ulica Dolnoslqska 12) und Izabella
Fürstin Lubomirska um 1775 Mokotöw (Ulica Pulawska 55/59) sowie Kazimierz
Fürst Poniatowski um 1779 Ksiqz^ce und Göra (Überreste in der Ulica Ksiqzeca
und in der Aleja na Skarpie). Ümgestaltet und erweitert wurden die barocken
Schloßanlagen von Lazienki, Natolin und Wilanöw. Die meisten Parkanlagen und
deren malerische Architektur schuf Simon Gottlieb Zug (Powqzki, Mokotöw,
Ksiqz^ce, Göra, Solec).
Beim Bau kleiner Gartenpavillons brach man mit der traditionellen architekto-
nischen Flächenaufteilung. Es entstanden asymmetrische Bauwerke mit unregel-
mäßigem Grundriß und Baukörper (Rotunde in Morysin, flämische Gloriette in
der Ulica Pulawska 55/59). Eine ähnliche Freiheit herrschte bei der Wahl der
architektonischen Form. Es wurden sowohl einfache Hütten und Giotten (Ksiqz?-
ce) als auch chinesische Pavillons (Wilanöw), antike Monumente und gotische
Türme (Ulica Pulawska 55/59) errichtet. Die Pavillons in den Landschaftsparks
kündigten die differenzierten historisierenden Bauten des 19.Jahrhunderts an.

DER KLASSIZISMUS IM KÖNIGREICH POLEN
Nach der Gründung des Königreiches Polen bot die politische und ökonomische
Lage günstige Bedingungen für die Ordnung und den Ausbau der Hauptstadt:
neue öffentliche Gebäude für die Staatsverwaltung, den Handel, für Banken sowie
kulturelle und schulische Einrichtungen. Der offizielle Baustil des Königreiches
war der Klassizismus. Ihn akzeptierten die Behörden, da sie sich dem Zeitalter dei;
Aufklärung verpflichtet fühlten.
Ein Baumeister, dei die klassizistischen Formen besonders gern anwandte, war
Chrystian Piotr Aigner. Beim Umbau des Statthalter-Palais (Ulica Krakowskie
Przedmiescie 46/48) in den Jahren 1818/19 bediente er sich des Kompositions-
schemas Palladios mit dem Erdgeschoß als tragendem Sockel und einer durch
Pilaster und Halbsäulen in Kolossalordnung gegliederten Fassade. Bei der durch-
brochenen Fassade der Bernhardinerhauptwache knüpfte er an die römische Antike
an, beim Glockenturm dagegen an die italienische Baukunst des 15.Jahrhunderts.
In enger Anlehnung an das antike Vorbild eines römischen Pantheons entstand die
in den Jahren von 1818 bis 1825 errichtete und von Aigner projektierte St.-Alexan-
der-Kirche am Plac Trzech Krzyzy.

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