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Curtius, Ernst [Editor]
Die Ausgrabungen zu Olympia (Band 2): Übersicht der Arbeiten und Funde vom Winter und Frühjahr 1876-1877 — Berlin, 1877

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https://doi.org/10.11588/diglit.764#0005
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"\Tachdem die Ausgrabung des Tempelbodens von Olympia
■^ ^ den 13. Mai 1S76 gefchloffen worden war, wurde fie am
23. September von Neuem in Angriff genommen. Herr Dr. Guftav
Hirfchfeld leitete wiederum in archäologifcher Beziehung die
Arbeiten. Die technifche Leitung übernahm zu Neujahr an Stelle
des Herrn Bötticher der Baumeifter Herr Streichelt, welchem
der Bauführer Herr Steinbrecht beigeordnet wurde. Nach Neu-
jahr wurde Herr Dr. Weil zur Unterftützung Hirfchfelds aus
Athen berufen. Als Commiffar der griechifchen Regierung trat
von Neuem Herr Dr. Dimitriadis ein, der, von feinem Bruder
unteritützt. mit unferen Beamten in freundfchaftlichftem Einver-
nehmen wirkte. Um fo fchmerzlicher ift es. dafs diefer ein-
fichtsvolle Mann im Frühjahr von einer Krankheit heimgefucht
wurde, welche die Rückkehr auf feinen Poften zweifelhaft macht.
Das Arbeiterperfonal wurde diesmal nur aus der Bevölke-
rung der umliegenden Dorffchaften genommen. Die Zahl
fchwankte nach den Jahreszeiten, je nachdem die Bearbeitung
der Felder, Weinberge und Korinthenpflanzungen mehr oder
weniger Kräfte in Anfpruch nahm. Die höchfte Zahl betrug
250. Die Arbeiten find durch Einführung von Pferdekarren
wefentlich gefördert worden; auch ift die Herftelhing der Fahr-
ftrafse, welche wir der griechifchen Regierung verdanken, den
Arbeiten fowie dem Transport der Formen fchon wefentlich zu
Gute gekommen. Die Mannfchaften arbeiteten an den verfchie-
denen Ausgrabeftellen unter der Leitung von Auffehern, von denen
drei im Dienft des Direktoriums flehen und einer in dem der
griechifchen Regierung. Unfer Oberauffeher der Dalmatiner
Carlo Danese bleibt auch während der Arbeitspaufe in Druva,
um die beiden Häufer und das übrige deutfehe Eigenthum zu
beauffichtigen. Die in proviforifchen Mufeen untergebrachten
Schätze alter Kunft flehen aufserdem unter dem Schutz einer
Abtheilung griechifcher Gensdarmerie.

Die zweite Arbeitsperiode, deren Ergebniffe wir in diefem
Bande vorlegen, zerfällt in drei Abfchnitte.

Während der letzten Monate des Jahres 1876 mufsten die
oberen Erdfehichten vor der Weilfronte iiinwc-gu-cräunit werden.

in denen keine Funde gemacht werden konnten. Auch litt der
Fortgang der Arbeit unter ungewöhnlicher Näffe der Jahreszeit.
Dennoch gelang es in jener Zeit folchc Schätze zu heben, wie
die Bruchftücke des Vicrgefpann und das Fragment des männ-
lichen Kopfes von dem Oftgiebel, ferner zwei Köpfe des Weft-
giebels, und endlich die Athena von einer Metope der Oft- und
den Iolaostorfo von einer Metope der Wertteile.

Als ich am Jahresfehluffe in Olympia verweilte, um einige
Wochen perfonllchen Antheil an der Leitung der Arbeiten zu
nehmen, hatte ich fchon die Genugthuung, die Kunft des Paio-
nios in viel vollkommenerer Weife als bisher vertreten zu fehen
und in dem Kopfe der „DeTdameia" wie in dem Lapithenkopfe,
welche innerhalb der Säulentrümmer gefunden wurden, die erften
Vorboten der an der Wcftfeite zu erwartenden Erndte mit
frohem Herzen zu begrüfsen. Alle voreiligen Beforgniffe in
Betreff des Weftgiebels waren auf einmal befeitigt und mit
fettem Vertrauen konnte ich den Ergebniffen des neuen Jahrs
entgegenfehen.

Freilich bewährte fich auch jetzt die Erfahrung, dafs Aus-
grabungen in Weilgrkxhenland viel fchwieriger auszuführen find
als in dem ungleich trockneren Klima von Attica und Argolis
und es begreift fich leicht, wie in einer niedrig gelegenen und
von tiefen Gräben durchfehnittenen Flufsebene die bis in den
März hinein dauernde Winternäffe nachtheilig auf unfer Werk
einwirken mufste. Diefer Störungen ungeachtet kamen jetzt vom
Ende Januar bis Mitte März anftatt der fporadifchen Funde des
letzten Quartals reihenweife die beim Tempelfturz über die Säulen
hinweg gefchleuderten Weftgiebelfiguren an das Tageslicht,
Figuren einzelner Kämpfer fowie Gruppen von Kentauren, welche
Frauen und Knaben rauben, die entweder widerftandslos fich
ergeben oder mit letzter Kraftanftrengung ringen. Solche Ge-
walten konnte man erwarten. Ueberrafchend aber waren fchon
in den Ecken, wo man fich Verwundete liegen dachte, die Ge-
ftalten behaglich zufchauender Nymphen, deren eine faft voll-
ftändig erhalten zu Tage kam; ferner die Geftalten von Men-
fchen untergeordneten Standes, durch unedlere Gefichlszüge
 
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