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Curtius, Ernst [Hrsg.]
Die Ausgrabungen zu Olympia (Band 2): Übersicht der Arbeiten und Funde vom Winter und Frühjahr 1876-1877 — Berlin, 1877

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https://doi.org/10.11588/diglit.764#0008
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II. BERICHT ÜBER DIE AUSGRABUNGEN.

T~\ie Ausgrabungen von Olympia haben nach einer längeren
-*— Sommerpaufe am 25. September 1S76 zum zweiten Male
begonnen und find, im Winter vielfach durch ungünftige Wit-
terung unterbrochen bis zum 26. Mai 1877 fortgeführt worden.
In diefen acht Monaten ift der Zeustempel gänzlich gereinigt
und nunmehr an allen Seiten auf bedeutende Entfernungen hin
frei gelegt worden: im Often auf 50, im Welten auf 25-—35,
im Norden auf 25 — 40 Meter. Da an letzterem Orte keine
Spuren des Pelopion fleh zeigten, welches nach dem Paufanias
nördlich vom Oplfthodöm geflieht werden mufste, fo wurden im
April, um eine fichere Bafis für das weitere Vorgehen zu ge-
winnen, mehrere Verfuchsgräben angelegt, welche von dem
Centrum aus ftrahlenförmig fich ausbreiteten. Der nord-
östliche derfelben mitten auf den Fufs des Kronion gerichtet
legte dafelbft Fundamente kleiner viereckiger Bauten frei, welche
die Thefauren getragen haben mögen. Ein zweiter Ein-
schnitt, in der Verlängerung der Oftfront des Tempels nach
Norden gezogen leitete unmittelbar am Hange des Kronion zu
einer grofsen, halbrunden römifchen Anlage aus Backfteinen,
welche vierzehn Statuen enthielt, die nach den infehriftlichen
Zeugniffen die Familien des M. Aurelius und des Herodes Atticus
darftellten. Der dritte, dem vorigen parallele Graben, ober-
halb des Opifthodoms begonnen führte auf die bedeutenden
Refte des in jeder Beziehung fehr merkwürdigen Heraion,
welches gleich unter dem kleinen Hügel am weltlichen Fufse
des Kronion fich erhebt; in diefem Tempel fand fich unter an-
derem der Hermes mit dem Dionyfoskinde aus parifchem Mar-
mor, welchen Paufanias im Heraion als ein Werk cles Praxiteles
erwähnt hat.

Schon beim Beginn der Grabungen war der Weftfront ge-
genüber ein etwa 180 Meter langer Einfchnitt weftlich zum
Kladeos geführt worden, an deffen Ufer ein Theil einer grö-
fseren römifchen Backfteinruine zum Vorfchein kam. Diefer
Graben hatte in erfter Linie den Zweck, eine fchon von den
Franzofen gefundene Kirche 80—90 Meter weftlich vom Zeus-
tempel aufzudecken, welche als ein urfprünglich antiker Bau
fich zu erkennen gab, zu deffen fpäterer Umwandlung auch
mannigfache antike Refte verwendet wurden.

Bei diefen Grabungen haben im Allgemeinen die Erfchei-
nungen des vorigen Jahres fich wiederholt: die Stärke der be-
deckenden, an ihrer Oberfläche ebenen Sandfchicht wechfelt
je nach der höheren oder tieferen urfprünglichen Lage des

Altisbodens von etwa drei bis zu fünf Metern: auffallend fchwacli
hat fich die fchwarze Schicht nördlich vom Tempel gezeigt.

Vor der Oftfront fanden fich theihveife in die fpäten Hütten
verbauet, und theilweife unter gewaltigen Epift vi blocken be-
graben fo viele Refte des Oftgiebels, dafs wir nunmehr von
allen einundzwanzig Beftandtheüen, welche Paufanias nennt,
bedeutende Fragmente befitzen.

Gleich günftig ftellt fich das Verhältnifs beim Weftgiebel
deffen grofse und zum Theil fehr wohl erhaltene Bruchftücke,
nur zwifchen den geftürzten Baugliedern verftreuet vor der Weft-
front an das Licht kamen.

Die Falllinie beider Giebel erfcheint bedeutend nach Norden
verfchoben: von den grofsen Fundftücken lag das weitefte im
Often etwa 32 Meter, im Welten etwa 28 Meter von der Front
des Tempels entfernt.

Was im Often cles Tempels an den Tag getreten, ift ge-
eignet, auch über die fpäteren Schickfale der Olympifchen
Ebene den erfehnten Auffchlufs zu geben. Unter den fpäten
Hütten find die Zeugen einer anderen vorangehenden, aber nicht
mehr antiken Bevölkerung deutlich zu erkennen: die mit quadrat-
ifchen Thurmen und engen Pforten verfehene „Oftmauer", fowie
die „Weftmaucr" erweifen fich als Beftandtheüe eines gefchlof-
fenen, etwa 100 Meter breiten und langen Mauervierecks, deffen
nördlicher (..Nordmauer") und weltlicher Schenkel fich der füd-
weftlichen, bez. der nordöstlichen Tempclecke unmittelbar an-
fügen. Für die Zeitbeftimmung diefer ftarken Mauern mag zu-
nächft auf die Analogie verwiefen werden, welche die fogenannte
Valerianifche Mauer in Athen bietet: mit allen Kräften fucht eine
frühbyzantinifche Bevölkerung auf einem verhältnifsmäfsig klei-
nen Räume fich noch gegen die Anfälle der andringenden Bar-
baren zu vertheidigen, welche vom fechften Jahrhundert an immer
häufiger wiederkehren. In Olympia fehlen nicht chronologifche
Anhaltspunkte: zu dem Münzfunde des vorigen Jahres kommt
ein ähnlicher, welcher von einem irdenen Topf umfchloffen im
Opifthodom des Heraions vergraben lag; auch feine Beftand-
theüe reichen nur hinunter bis zu den Zelten der unmittelbaren
Nachfolger Iuftinians, alfo in die zweite Hälfte des sechften Jahr-
hunderts; eine innerhalb des Heratempels gefundene Kupfer-
münze gehört dem Kaifer Mauritius Tiberius an. Unter diefem
Kaifer aber, im Jahre 589 fand nach einer beftimmten Nach-
richt (Hertzberg, Gefchichte Griechenlands feit dem Abfterben
des antiken Lebens LS. 137) ein Einfall von Slavenhorden in den
 
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