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Chronik für vervielfältigende Kunst — 3.1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.3813#0014
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um die herrschende Tradition, in einem Stile, der ihm
allein angehört. An manchem Widerspruch hat es dem
Künltler freilich auch nicht gefehlt. Namentlich die selbst-
ständige Weise seiner Fleischbehandlung hat bei den
Freunden glatt und sauber nebeneinander gelegter Strich-
lagen nur karge Anerkennung finden können. Gewiss
widerstreitet das Spiel seines Stichels, wo es gilt, ein Ant-
litz oder eine Hand lebendig und charakteristisch zu mo-
delliren, den Regeln schematischer und oft so empfin-
dungsleerer Gleichförmigkeit in der Führung des Stichels.
Aber was diese Eigenmächtigkeit in der Behandlung, die
stets das technische Mittel dem künstlerischen Zwecke
unterordnet, auszeichnet und ihr die künstlerische Berech-
tigung einräumt, ist ihre Beredtsamkeit in der Wiedergabe
des innerlich Empfundenen. Bestimmt und klar, wo es die
Form erfordert, ist sie ebenso gefügsam im Andeuten zarter
Tönungen und feiner, farbiger Abstufungen. Neben den
grossen Holzschnitten, die Hecht nach Lenbach (Bismarck)
und Angeli (Franz Joseph I.) ausgeführt hat, gehört die
Henriette van Dyck's zu den vorzüglichsten seiner Arbei-
ten. Sein Holzschnitt gibt die vornehme Gesammthaltung
des Bildes charakteristisch und mit einer Wärme der
Empfindung und Unmittelbarkeit in Strich und Farbe, wie
es keine photomechanische Vervielfältigung vermag. Und
doch werden heute Neun unter Zehn, wenn es gilt, ihr
Heim mit Werken graphischer Kunst zu schmücken, eher
zu dem Erzeugnis photomechanischer Vervielfältigung
greifen, als einen grossen modernen ,,Holzstich" an die
Wand hängen. Betrachtet ihn ja noch immer die grosse
Menge mit scheelem Auge als den Proletarier im Reiche
der Kunst. Wie er zu dieser Unterschätzung seines wahren

Werthes gekommen ist, das hier zu erörtern, würde zu
weit führen. Jedenfalls ilt es ein Verdienst der Gesellschaft
für vervielfältigende Kunst, dass sie ihre Pflege auch dem
Holzschnitte zuwendet, und sie darf des Dankes des
wahren Freundes echt volksthümlicher Kunst gewiss sein,
wenn sie Werke veröffentlicht von dem künstlerischen
Werthe dieses neuen Galeriewerkblattes.
Wir machen noch darauf aufmerksam, dass der
Holzschnitt von Wilhelm Hecht nur in 550 Exemplaren
(100 Vorzugsdrucke in drei verschiedenen Gattungen und
450 Drucke mit der Schrift, die nur an die Abnehmer des
Galeriewerkes zur Vertheilung gelangen) gedruckt wird,
dass also keinerlei Reproduktionen in den grossen illustrir-
ten Zeitschriften erfolgen werden.
Bei dieser Gelegenheit lenken wir die Aufmerksam-
keit auf den jüngsten grossen Holzschnitt des Franzosen
Charles Baude. Er reproducirt ein herrliches Selbst-
bildnis Rembrandt's aus der Haager Galerie. Der Kopf ist
drei Viertel nach rechts her gewendet, ein gezackter
Federhut bedeckt die Haare. Er hat Ohrringe, auf dem
dunklen Mantel eine eiserne Halskrause mit funkelnden
Nägeln und eine Halskette. Dieses lebensgrosse Brustbild,
das nur den Namenszug trägt, wurde um 1634 gemalt.
Es ist eine sorgfältig gemalte Studie, keck im Ausdrucke,
tief und leuchtend in der Färbung. Baude hat die male-
rische Lichtwirkung dieses Bildes mit derselben Meister-
schaft und Freiheit in der Behandlung wiedergegeben,
wie jenen van der Geest van Dyck's, der auf der vorjähri-
gen Münchener Ausstellung mit Recht als das Hauptwerk
der graphischen Abtheilung bewundert wurde.
 
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