VI. MARIENBURG
eber die Geschichte des Marienburger Gold-
schmiedegewerbes besitzen wir ebenso wie
über die Entwickelung des bürgerlichen Lebens
in dieser Stadt nur dürftige Nachrichten. Bis
zur Besitzergreifung durch Polen stand das Schloß als
Residenz der Hochmeister im Vordergrund, und die Stadt
gedieh gleichsam in seinem Schatten; unter polnischer
Herrschaft war sie zu einer kleinen, abgelegenen Provin-
zialstadt herabgesunken. Die glanzvolle Hofhaltung der
Hochmeister auf der Marienburg begann, nachdem der
deutsche Orden 1309 das Schloß zu seinem Haupthause
angegeben, 1411 werden 62 und 1432 75 silberne
Schalen genannt; hierzu kamen die silbernen Konvents-
löffel, Schüsseln, Krudeschalen und -Fässer (Gefäße für
eingemachte Früchte) und als Trinkgeräte: Kannen, Köpfe
mit und ohne Deckel (let) und Stützchen. Dieses Silber-
gerät erforderte dauernde Ausbesserungen und Erneuerun-
gen. Auch für kirchliche Zwecke wurde der Goldschmied
vielfach in Anspruch genommen; wir hören von silber-
vergoldeten Kelchen, Ampullen, Monstranzen, Agnus Dei.
Die Ordenskirche besaß kostbare Reliquiare, u. A. ein
goldenes mit Kreuzpartikeln, welches von König Karl V.
und zum Sitz des höchsten Ordensgebietigers
erwählt hatte. Die Stadt selbst war schon
früher, 1276, bald nach der Gründung der
Burg, um diese entstanden. Handwerker
wurden durch die Bedürfnisse des hoch-
meisterlichen Hofes herangezogen, siedelten
sich in der Stadt an und fanden dort
reichliche Nahrung. Nicht zum mindesten
die Goldschmiede. Die Angaben des Marien-
burger Treßlerbuches vom Ende des 14. und
dem Anfänge des 15. Jahrhunderts enthalten
dafür zahlreiche Belege. x) Es wird berichtet,
daß unter der Regierung des Hochmeisters
Dietrich von Altenburg (1335—1341) sich
die Handwerke in Marienburg entwickelten und mit Ge-
werksrollen und Privilegien ausgestattet wurden. Ob die
Goldschmiede schon damals zahlreich genug waren, um
sich zu einem Gewerk zusammenzuschließen und ob auch
ihnen damals eine Ordnung und Vorrechte verliehen
worden sind, läßt sich mangels an Nachrichten nicht sagen.
Es erscheint aber nach dem, was wir von der Entwickelung
der Goldschmiedekunst im Ordenslande Preußen über-
haupt wissen, wenig wahrscheinlich. Die Wahrscheinlich-
keit wird noch geringer angesichts der Tatsache, daß um
die Mitte des 16. Jahrhunderts eine Anzahl Marienburger
Goldschmiede zu einem Gewerk zusammentraten und bei
der städtischen Obrigkeit die Bestätigung einer von ihnen
vorgelegten Gewerksrolle beantragten und erhielten.
Der Verbrauch von Edelmetall am hochmeisterlichen
Hofe war nicht unbedeutend. Der Bestand des Kelleramtes
an silbernen Schalen für den Konvent wird 1396 auf 54
*) Das Marienburger Treßlerbuch der Jahre 1390—1409, hsg.
v. Joachim, Königsberg 1896, Goldschmiedearbeit s. S. 14, 16, 17,
53, 66, 102, 131, 163, 166, 183, 230, 286, 294, 342, 385, 431,
476, 479, 482, 497, 515, 531, 535, 539, 541, 547, 553, 556, 563,
573, 583 usw.
von Frankreich verehrt worden war und eine
vom deutschen Kaiser Karl IV. einem Ordens-
komtur geschenkte Reliquie der hl. Katharina,
welche in einem prächtigen, aus Edelmetall
gefertigten Gehäuse (wohl Brustbild oder
Herme) aufbewahrt wurde. Die Heiligtümer
zu Marienburg wurden in gewissen Zeit-
räumen am Tage Philippi und Jakobi (r.Mai)
unter Zufluß einer großen Menschenmenge
öffentlich ausgestellt.
Noch größere Anforderungen an die
Tätigkeit des Goldschmiedes stellten die
persönlichen Bedürfnisse des Hochmeisters
und seine Schenkungen an geistliche und
weltliche Würdenträger. Zu seiner Kleidung und Be-
waffnung hatte der Goldschmied zu liefern: Haken, Ösen
und Knöpfe für die Gewänder und Pelze; Beschläge,
Nadeln und Eicheln für Helme; Sporen, Panzergürtel,
Buckel, Senkel und Fesseln für die Schwerter; schließlich
zum Schmuck Ketten und edelsteinbesetzte Ringe. An
Tischgeräten: Schüsseln, Kannen, Becken, Löffel, Messer-
beschläge (Beiwürfe); für die Jagd silberne Hunde-
halsbänder und Falkenschildchen; als Zierat der Wohnung
werden in Silber gefaßte Straußeneier und vergoldete
Wisenthörner genannt; zu seinen Andachten dienten
„Täfelchen“, d. h. gravierte oder getriebene bildnerische
Arbeiten in der Art des früher beschriebenen Eibinger
Reliquiars, Kirchenleuchter, Paternoster, schließlich ist
noch sein an silberner Kette hängendes Ingesiegel zu
erwähnen. Viele der genannten Gegenstände für den
Gebrauch des Hochmeisters waren vergoldet. Zahlreich
sind die von ihm ausgehenden Verehrungen an Würden-
träger und Gebietiger des Ordens, an die litauischen
Herzöge Witowd, Sigismund (Coribut) und Switrigal,
an die Bischöfe benachbarter Kirchensprengel, von Kur-
land, Reval, Gnesen oder an hervorragende Besucher,
wie die Herzöge von Lothringen, von Öls, an den Bürger-
Fig- 31-
Siegel des Goldschmiede-
gewerks zu Marienburg.
eber die Geschichte des Marienburger Gold-
schmiedegewerbes besitzen wir ebenso wie
über die Entwickelung des bürgerlichen Lebens
in dieser Stadt nur dürftige Nachrichten. Bis
zur Besitzergreifung durch Polen stand das Schloß als
Residenz der Hochmeister im Vordergrund, und die Stadt
gedieh gleichsam in seinem Schatten; unter polnischer
Herrschaft war sie zu einer kleinen, abgelegenen Provin-
zialstadt herabgesunken. Die glanzvolle Hofhaltung der
Hochmeister auf der Marienburg begann, nachdem der
deutsche Orden 1309 das Schloß zu seinem Haupthause
angegeben, 1411 werden 62 und 1432 75 silberne
Schalen genannt; hierzu kamen die silbernen Konvents-
löffel, Schüsseln, Krudeschalen und -Fässer (Gefäße für
eingemachte Früchte) und als Trinkgeräte: Kannen, Köpfe
mit und ohne Deckel (let) und Stützchen. Dieses Silber-
gerät erforderte dauernde Ausbesserungen und Erneuerun-
gen. Auch für kirchliche Zwecke wurde der Goldschmied
vielfach in Anspruch genommen; wir hören von silber-
vergoldeten Kelchen, Ampullen, Monstranzen, Agnus Dei.
Die Ordenskirche besaß kostbare Reliquiare, u. A. ein
goldenes mit Kreuzpartikeln, welches von König Karl V.
und zum Sitz des höchsten Ordensgebietigers
erwählt hatte. Die Stadt selbst war schon
früher, 1276, bald nach der Gründung der
Burg, um diese entstanden. Handwerker
wurden durch die Bedürfnisse des hoch-
meisterlichen Hofes herangezogen, siedelten
sich in der Stadt an und fanden dort
reichliche Nahrung. Nicht zum mindesten
die Goldschmiede. Die Angaben des Marien-
burger Treßlerbuches vom Ende des 14. und
dem Anfänge des 15. Jahrhunderts enthalten
dafür zahlreiche Belege. x) Es wird berichtet,
daß unter der Regierung des Hochmeisters
Dietrich von Altenburg (1335—1341) sich
die Handwerke in Marienburg entwickelten und mit Ge-
werksrollen und Privilegien ausgestattet wurden. Ob die
Goldschmiede schon damals zahlreich genug waren, um
sich zu einem Gewerk zusammenzuschließen und ob auch
ihnen damals eine Ordnung und Vorrechte verliehen
worden sind, läßt sich mangels an Nachrichten nicht sagen.
Es erscheint aber nach dem, was wir von der Entwickelung
der Goldschmiedekunst im Ordenslande Preußen über-
haupt wissen, wenig wahrscheinlich. Die Wahrscheinlich-
keit wird noch geringer angesichts der Tatsache, daß um
die Mitte des 16. Jahrhunderts eine Anzahl Marienburger
Goldschmiede zu einem Gewerk zusammentraten und bei
der städtischen Obrigkeit die Bestätigung einer von ihnen
vorgelegten Gewerksrolle beantragten und erhielten.
Der Verbrauch von Edelmetall am hochmeisterlichen
Hofe war nicht unbedeutend. Der Bestand des Kelleramtes
an silbernen Schalen für den Konvent wird 1396 auf 54
*) Das Marienburger Treßlerbuch der Jahre 1390—1409, hsg.
v. Joachim, Königsberg 1896, Goldschmiedearbeit s. S. 14, 16, 17,
53, 66, 102, 131, 163, 166, 183, 230, 286, 294, 342, 385, 431,
476, 479, 482, 497, 515, 531, 535, 539, 541, 547, 553, 556, 563,
573, 583 usw.
von Frankreich verehrt worden war und eine
vom deutschen Kaiser Karl IV. einem Ordens-
komtur geschenkte Reliquie der hl. Katharina,
welche in einem prächtigen, aus Edelmetall
gefertigten Gehäuse (wohl Brustbild oder
Herme) aufbewahrt wurde. Die Heiligtümer
zu Marienburg wurden in gewissen Zeit-
räumen am Tage Philippi und Jakobi (r.Mai)
unter Zufluß einer großen Menschenmenge
öffentlich ausgestellt.
Noch größere Anforderungen an die
Tätigkeit des Goldschmiedes stellten die
persönlichen Bedürfnisse des Hochmeisters
und seine Schenkungen an geistliche und
weltliche Würdenträger. Zu seiner Kleidung und Be-
waffnung hatte der Goldschmied zu liefern: Haken, Ösen
und Knöpfe für die Gewänder und Pelze; Beschläge,
Nadeln und Eicheln für Helme; Sporen, Panzergürtel,
Buckel, Senkel und Fesseln für die Schwerter; schließlich
zum Schmuck Ketten und edelsteinbesetzte Ringe. An
Tischgeräten: Schüsseln, Kannen, Becken, Löffel, Messer-
beschläge (Beiwürfe); für die Jagd silberne Hunde-
halsbänder und Falkenschildchen; als Zierat der Wohnung
werden in Silber gefaßte Straußeneier und vergoldete
Wisenthörner genannt; zu seinen Andachten dienten
„Täfelchen“, d. h. gravierte oder getriebene bildnerische
Arbeiten in der Art des früher beschriebenen Eibinger
Reliquiars, Kirchenleuchter, Paternoster, schließlich ist
noch sein an silberner Kette hängendes Ingesiegel zu
erwähnen. Viele der genannten Gegenstände für den
Gebrauch des Hochmeisters waren vergoldet. Zahlreich
sind die von ihm ausgehenden Verehrungen an Würden-
träger und Gebietiger des Ordens, an die litauischen
Herzöge Witowd, Sigismund (Coribut) und Switrigal,
an die Bischöfe benachbarter Kirchensprengel, von Kur-
land, Reval, Gnesen oder an hervorragende Besucher,
wie die Herzöge von Lothringen, von Öls, an den Bürger-
Fig- 31-
Siegel des Goldschmiede-
gewerks zu Marienburg.