II. FORSCHUNGS- UND GRABUNGSGESCHICHTE
Folgende Nachrichten über die antike Ruinenstätte in der Localitä S. Leucio sind zu verzeichnen27:
1895 wurden zwei Granitsäulen von dort zur Kathedrale von Canosa transportiert und dort zu Aus-
besserungsarbeiten verwendet28. Demnach war die Ruinenstätte schon im 19. Jh. bekannt. Erstmalig
erwähnt werden die Reste des antiken Sakralbaus bzw. des über ihm errichteten Zentralkuppelbaus
durch N. Jacobone im Jahre 192529. Er schildert kurz den trümmerhaften Zustand und nimmt auf-
grund der Kapitelle und Säulenreste die Existenz eines alten Tempels an.
Die eigentliche "Entdeckung" des Baus erfolgte erst im Jahre 193730. Das Jahr markiert den Be-
ginn einer wechselhaften Grabungsgeschichte. Am 12. Dezember des Jahres erfuhr der aus Canosa
stammende Journalist S. Pizzutto bei einem Besuch seiner Mutter, daß der damalige Besitzer des
Geländes, der Advokat Malcangio, bei (illegalen) Grabungen einige Gräber gefunden habe. Piz-
zutto überzeugte sich an Ort und Stelle von der Nachricht seiner Mutter und benachrichtigte an-
schließend den amtierenden Ispettore per i monumenti e scavi, M. Maddalena. Gemeinsam mit Piz-
zutto und den beiden Altertumsforschern G. und L. Capolongo besuchte dieser daraufhin ebenfalls
das Grundstück Malcangios. Am 13. Dezember informierten Pizzutto und Maddalena unabhängig
voneinander N. Tarchiani, den Leiter der Soprintendenza all'arte medievale e moderna della Puglia
mit Sitz in Bari. Am 17. Dezember veröffentlichte Pizzutto einen längeren Artikel über seine
"Entdeckung" der Ruine zusammen mit einer Photographie einiger Streufunde in der Gazzetta del
Mezzogiorno. Da die Photographie nicht genehmigt war, kam es zu einem Streit zwischen Pizzutto
und dem Soprintendenten.
Schon im Frühjahr 1938 begann Tarchiani daraufhin mit Grabungen. Der Beginn erfolgte vor al-
lem deshalb so schnell, weil der Advokat Malcangio nach dem Bekanntwerden seiner Grabungsak-
tivitäten jene unmittelbar nach dem Besuch Pizzuttos und Maddalenas intensiviert hatte in der
Hoffnung, er könne noch schnell einen aufsehenerregenden Fund machen. Dabei hatte er eine
Mauer ausgegraben und sie anschließend zerstört.
Die Grabungen Tarchianis, bei denen nahezu der gesamte Komplex und die Mosaikfußböden der
Kirche freigelegt wurden, endeten vorläufig am 23. April 1939 mit dem Besuch einer Experten-
kommission, der neben Tarchiani unter anderem die Archäologen R. Bartoccini und C. Drago
ebenso wie der spätere Soprintendente und Ausgräber der sechziger Jahre, F. Schettini, angehör
ten31. Eine Dokumentation der Grabungen erfolgte nicht32. Lediglich eine Notiz und eine Planskizze
der spätantiken Kirche sind von Tarchiani publiziert worden33. Weitere, geplante Grabungen fanden
wegen des Kriegsbeginns nicht statt.
27 Zur Forschungsgeschichte vgl. bislang P. Pensabene in: Italici 270f.; ders. in: Principi 620f.
28 Notiz im Archivio della Soprintendenza per i beni ambientali architettonici artistici e storici della Puglia/Bari; Artikel
von S. Pizzutto in der Gazzetta del Mezzogiorno vom 31.1.1938.
29 Canusium. Un’antica e grande cittä del’Apulia. Ricerche di storia e di topografia (1925) 116f.
30 Zum Folgenden vgl. Notizen im Archiv der Soprintendenza per i beni ambientali architettonici artistici e storici della
Puglia/Bari und einen Brief M. Maddalenas vom 25.4.1938 an N. Tarchiani im Archiv der Soprintendenza Archeolo-
gica della Puglia/Tarent.
31 Artikel S. Pizzuttos in der Gazzetta del Mezzogiorno vom 3.4.1947.- Zu der Vita der beiden ehemaligen Tarentiner Ar-
chäologen vgl. jetzt A. Conte, I signori del Picone. Storia di un museo archeologico del sud: Taranto^ (1985) 115ff.
(C. Drago); E. Lippolis in: II museo di Taranto e i suoi protagonisti. Tavola rotonda Tarent 1987 (1992) 61 ff. (R. Bar-
toccini); A. Conte - P. Mandrillo ebenda 79ff. (C. Drago).
32 Dokumentiert ist in den Archiven der Soprintendenzen Bari und Tarent: 1.) ein Streit zwischen M. Maddalena und
S. Pizzuto, wem das Recht der Erstentdeckung des Tempels zukomme.- 2.) die Auseinandersetzung zwischen
S. Pizzutto und N. Tarchiani über die Abbildung der Photographie einiger Funde in der Localitä S. Leucio in der Gaz-
zetta del Mezzogiorno vom 17.12.1937.
N. Tarchiani, Palladio 2, 1938, 149f. Abb.
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Folgende Nachrichten über die antike Ruinenstätte in der Localitä S. Leucio sind zu verzeichnen27:
1895 wurden zwei Granitsäulen von dort zur Kathedrale von Canosa transportiert und dort zu Aus-
besserungsarbeiten verwendet28. Demnach war die Ruinenstätte schon im 19. Jh. bekannt. Erstmalig
erwähnt werden die Reste des antiken Sakralbaus bzw. des über ihm errichteten Zentralkuppelbaus
durch N. Jacobone im Jahre 192529. Er schildert kurz den trümmerhaften Zustand und nimmt auf-
grund der Kapitelle und Säulenreste die Existenz eines alten Tempels an.
Die eigentliche "Entdeckung" des Baus erfolgte erst im Jahre 193730. Das Jahr markiert den Be-
ginn einer wechselhaften Grabungsgeschichte. Am 12. Dezember des Jahres erfuhr der aus Canosa
stammende Journalist S. Pizzutto bei einem Besuch seiner Mutter, daß der damalige Besitzer des
Geländes, der Advokat Malcangio, bei (illegalen) Grabungen einige Gräber gefunden habe. Piz-
zutto überzeugte sich an Ort und Stelle von der Nachricht seiner Mutter und benachrichtigte an-
schließend den amtierenden Ispettore per i monumenti e scavi, M. Maddalena. Gemeinsam mit Piz-
zutto und den beiden Altertumsforschern G. und L. Capolongo besuchte dieser daraufhin ebenfalls
das Grundstück Malcangios. Am 13. Dezember informierten Pizzutto und Maddalena unabhängig
voneinander N. Tarchiani, den Leiter der Soprintendenza all'arte medievale e moderna della Puglia
mit Sitz in Bari. Am 17. Dezember veröffentlichte Pizzutto einen längeren Artikel über seine
"Entdeckung" der Ruine zusammen mit einer Photographie einiger Streufunde in der Gazzetta del
Mezzogiorno. Da die Photographie nicht genehmigt war, kam es zu einem Streit zwischen Pizzutto
und dem Soprintendenten.
Schon im Frühjahr 1938 begann Tarchiani daraufhin mit Grabungen. Der Beginn erfolgte vor al-
lem deshalb so schnell, weil der Advokat Malcangio nach dem Bekanntwerden seiner Grabungsak-
tivitäten jene unmittelbar nach dem Besuch Pizzuttos und Maddalenas intensiviert hatte in der
Hoffnung, er könne noch schnell einen aufsehenerregenden Fund machen. Dabei hatte er eine
Mauer ausgegraben und sie anschließend zerstört.
Die Grabungen Tarchianis, bei denen nahezu der gesamte Komplex und die Mosaikfußböden der
Kirche freigelegt wurden, endeten vorläufig am 23. April 1939 mit dem Besuch einer Experten-
kommission, der neben Tarchiani unter anderem die Archäologen R. Bartoccini und C. Drago
ebenso wie der spätere Soprintendente und Ausgräber der sechziger Jahre, F. Schettini, angehör
ten31. Eine Dokumentation der Grabungen erfolgte nicht32. Lediglich eine Notiz und eine Planskizze
der spätantiken Kirche sind von Tarchiani publiziert worden33. Weitere, geplante Grabungen fanden
wegen des Kriegsbeginns nicht statt.
27 Zur Forschungsgeschichte vgl. bislang P. Pensabene in: Italici 270f.; ders. in: Principi 620f.
28 Notiz im Archivio della Soprintendenza per i beni ambientali architettonici artistici e storici della Puglia/Bari; Artikel
von S. Pizzutto in der Gazzetta del Mezzogiorno vom 31.1.1938.
29 Canusium. Un’antica e grande cittä del’Apulia. Ricerche di storia e di topografia (1925) 116f.
30 Zum Folgenden vgl. Notizen im Archiv der Soprintendenza per i beni ambientali architettonici artistici e storici della
Puglia/Bari und einen Brief M. Maddalenas vom 25.4.1938 an N. Tarchiani im Archiv der Soprintendenza Archeolo-
gica della Puglia/Tarent.
31 Artikel S. Pizzuttos in der Gazzetta del Mezzogiorno vom 3.4.1947.- Zu der Vita der beiden ehemaligen Tarentiner Ar-
chäologen vgl. jetzt A. Conte, I signori del Picone. Storia di un museo archeologico del sud: Taranto^ (1985) 115ff.
(C. Drago); E. Lippolis in: II museo di Taranto e i suoi protagonisti. Tavola rotonda Tarent 1987 (1992) 61 ff. (R. Bar-
toccini); A. Conte - P. Mandrillo ebenda 79ff. (C. Drago).
32 Dokumentiert ist in den Archiven der Soprintendenzen Bari und Tarent: 1.) ein Streit zwischen M. Maddalena und
S. Pizzuto, wem das Recht der Erstentdeckung des Tempels zukomme.- 2.) die Auseinandersetzung zwischen
S. Pizzutto und N. Tarchiani über die Abbildung der Photographie einiger Funde in der Localitä S. Leucio in der Gaz-
zetta del Mezzogiorno vom 17.12.1937.
N. Tarchiani, Palladio 2, 1938, 149f. Abb.
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