IX. CANOSA IN HELLENISTISCHER ZEIT
Archäologie und Geschichte Apuliens in hellenistischer Zeit haben in jüngster Zeit verstärkt Beach-
tung gefunden1490. Neben der Geschichte des Vordringens der Römer nach Süditalien sind vor allem
die Geschichte des 2. Punischen Krieges und seine Auswirkungen auf Süditalien sowie die Wirt-
schaftsgeschichte Apuliens im 3. und 2. Jh.v.Chr. in den Vordergrund gerückt1491. Während in ar-
chäologischer Hinsicht Messapien und Peuketien kaum erforscht sind, fand Daunien stärkere Be-
achtung1492. Das hängt nicht zuletzt mit den spektakulären Grabfunden in Canosa zusammen.
Bezüglich des Tempels, der, wie oben dargelegt1493, nicht im späten 4. Jh.v.Chr., sondern in der
1. Hälfte des 2. Jhs.v.Chr. errichtet wurde, muß die Frage nach seiner Bedeutung vor dem Hinter-
grund der Geschichte Canosas und Dauniens in hochhellenistischer Zeit gestellt werden. Ein
Schlüsselmonument aus der Zeit des römischen Expansionismus im späten 4. Jh.v.Chr. stellt er
nicht dar. Als das Sakralbauwerk errichtet wurde, waren Römer in Apulien schon seit mehr als 100
Jahren präsent. Vier Aspekte sind auch hinsichtlich der eingangs gestellten Frage nach der Helleni-
sierung bzw. Romanisierung Canosas von Belang und bedürfen der Klärung:
1. Die linguistischen Zeugnisse.
2. Die Münzprägung Canosas.
3. Die Geschichte Canosas.
4. Die archäologischen Funde. Bislang machen hauptsächlich Gräber die archäologische Hinterlas-
senschaft der Stadt aus. Nur über eine Untersuchung der zeitlichen Stellung und eine sich an-
schließende Analyse der Grabinhalte hinsichtlich Zusammensetzung der Beigaben, Bestattungs-
formen und Ritual in Kombination mit den spärlichen Quellen sind Aussagen über Canosa, die
soziale Struktur der Bevölkerung und Veränderungen innerhalb der Stadt im 3. und 2. Jh.v.Chr.
möglich. Damit werden zugleich Voraussetzungen für einen derart aufwendigen und prestige-
trächtigen Bau wie den Tempel in der Localitä S. Leucio deutlich.
IX. 1. Linguistische und epigraphische Zeugnisse
Eine entscheidende Rolle in der Beurteilung von Akkulturationsprozessen kommt linguistischen
Zeugnissen zu. Sprache ist ein wesentliches Merkmal von kultureller Identität. Insofern erfolgen an
dieser Stelle einige Anmerkungen zur linguistischen Position Apuliens und speziell Dauniens, die
1490 De Juliis 1, 161 ff.; F. D’Andria in: Damiano Fonseca a.O. (s.o. Anm. 57) 273ff.; Atti 1. CSPR; Atti 2. CSPR;
A. Bottini, DialA 3. ser. 10, 1992, 18ff.
1491 Vgl. A.J. Toynbee, Hannibal’s Legacy. The Hannibalic War Effects on Roman Life I-II (1965); D.-A. Kukofka, Süd-
italien im zweiten punischen Krieg (1990); T. Schmitt, Hannibals Siegeszug. Historiographische und historische
Studien vor allem zu Polybios und Livius (1991); J. Seibert, Forschungen zu Hannibal (1993) 217ff. bes. 227ff.
(Lit.); V. Sirago, La Puglia romana (1993) (Lit.).- Zur Wirtschaftsgeschichte vgl. E. Lippolis, Taras 13, 1993, 248ff.
(Lit.); G. Volpe in: Sirago a.O. 377ff. (Lit.); A.M. Small in: Tranquillitas. Melanges en l’honneur de Tram Tarn Tinh
(1994) 543ff.; Lippolis a.O. (s.o. Anm. 19) 21 ff.
1492 Messapien: R. Compatangelo, Un cadastre de Pierre. Le Salento romain (1989) (Lit); Lamboley a.O. (s.o. Anm. 19).-
Zur Wirtschaftsgeschichte: Ph. Desy, Recherches sur l’economie apulienne au IIe et au Ier siede avant notre ere
(1993).- Peuketien: A. Ciancio in: Basilicata 237ff.; F. Grelle in: Archeologia e territorio. L’area Peuceta. Seminario
di studi Gioia del Colle 1987 (1989) 11 lff.; M. Pani u.a. in: R. Cassano u.a. (Hrsg.), Storia di Bari dalla Preistoria al
Mille (1989) 11 lff. 122ff.; Grelle 33ff.- Zu Daunien: M. Miroslav Marin, Topografia della Daunia antica, in:
Biancofiore - Marin - Parlangeli a.O. (s.o. Anm. 62) 55ff. mit der vorhergehenden Lit.; M. Torelli in: Dauni 325ff;
M. Mazzei - E. Lippolis in: Mazzei, Daunia 185ff.; M. Mazzei - J. Mertens - G. Volpe in: Basilicata 177ff.;
M. Mazzei in: Comln 109ff.; P.G. Guzzo - M. Labellarte - M. Mazzei, AnnPisa 3. ser. 21, 1991, 147ff.; M. Mazzei,
AnnAStorAnt 13, 1991, 189ff.; Curti passim; M. Pani in: Principi 599ff; M. Torelli, DialA 3. ser. 10, 1992, 47ff,
wiederabgedruckt in: Principi 608ff.; Grelle 15ff.; Lippolis a.O. (s.o. Anm. 19) 75ff.
s. o. Kapitel VI.2.
1493
Archäologie und Geschichte Apuliens in hellenistischer Zeit haben in jüngster Zeit verstärkt Beach-
tung gefunden1490. Neben der Geschichte des Vordringens der Römer nach Süditalien sind vor allem
die Geschichte des 2. Punischen Krieges und seine Auswirkungen auf Süditalien sowie die Wirt-
schaftsgeschichte Apuliens im 3. und 2. Jh.v.Chr. in den Vordergrund gerückt1491. Während in ar-
chäologischer Hinsicht Messapien und Peuketien kaum erforscht sind, fand Daunien stärkere Be-
achtung1492. Das hängt nicht zuletzt mit den spektakulären Grabfunden in Canosa zusammen.
Bezüglich des Tempels, der, wie oben dargelegt1493, nicht im späten 4. Jh.v.Chr., sondern in der
1. Hälfte des 2. Jhs.v.Chr. errichtet wurde, muß die Frage nach seiner Bedeutung vor dem Hinter-
grund der Geschichte Canosas und Dauniens in hochhellenistischer Zeit gestellt werden. Ein
Schlüsselmonument aus der Zeit des römischen Expansionismus im späten 4. Jh.v.Chr. stellt er
nicht dar. Als das Sakralbauwerk errichtet wurde, waren Römer in Apulien schon seit mehr als 100
Jahren präsent. Vier Aspekte sind auch hinsichtlich der eingangs gestellten Frage nach der Helleni-
sierung bzw. Romanisierung Canosas von Belang und bedürfen der Klärung:
1. Die linguistischen Zeugnisse.
2. Die Münzprägung Canosas.
3. Die Geschichte Canosas.
4. Die archäologischen Funde. Bislang machen hauptsächlich Gräber die archäologische Hinterlas-
senschaft der Stadt aus. Nur über eine Untersuchung der zeitlichen Stellung und eine sich an-
schließende Analyse der Grabinhalte hinsichtlich Zusammensetzung der Beigaben, Bestattungs-
formen und Ritual in Kombination mit den spärlichen Quellen sind Aussagen über Canosa, die
soziale Struktur der Bevölkerung und Veränderungen innerhalb der Stadt im 3. und 2. Jh.v.Chr.
möglich. Damit werden zugleich Voraussetzungen für einen derart aufwendigen und prestige-
trächtigen Bau wie den Tempel in der Localitä S. Leucio deutlich.
IX. 1. Linguistische und epigraphische Zeugnisse
Eine entscheidende Rolle in der Beurteilung von Akkulturationsprozessen kommt linguistischen
Zeugnissen zu. Sprache ist ein wesentliches Merkmal von kultureller Identität. Insofern erfolgen an
dieser Stelle einige Anmerkungen zur linguistischen Position Apuliens und speziell Dauniens, die
1490 De Juliis 1, 161 ff.; F. D’Andria in: Damiano Fonseca a.O. (s.o. Anm. 57) 273ff.; Atti 1. CSPR; Atti 2. CSPR;
A. Bottini, DialA 3. ser. 10, 1992, 18ff.
1491 Vgl. A.J. Toynbee, Hannibal’s Legacy. The Hannibalic War Effects on Roman Life I-II (1965); D.-A. Kukofka, Süd-
italien im zweiten punischen Krieg (1990); T. Schmitt, Hannibals Siegeszug. Historiographische und historische
Studien vor allem zu Polybios und Livius (1991); J. Seibert, Forschungen zu Hannibal (1993) 217ff. bes. 227ff.
(Lit.); V. Sirago, La Puglia romana (1993) (Lit.).- Zur Wirtschaftsgeschichte vgl. E. Lippolis, Taras 13, 1993, 248ff.
(Lit.); G. Volpe in: Sirago a.O. 377ff. (Lit.); A.M. Small in: Tranquillitas. Melanges en l’honneur de Tram Tarn Tinh
(1994) 543ff.; Lippolis a.O. (s.o. Anm. 19) 21 ff.
1492 Messapien: R. Compatangelo, Un cadastre de Pierre. Le Salento romain (1989) (Lit); Lamboley a.O. (s.o. Anm. 19).-
Zur Wirtschaftsgeschichte: Ph. Desy, Recherches sur l’economie apulienne au IIe et au Ier siede avant notre ere
(1993).- Peuketien: A. Ciancio in: Basilicata 237ff.; F. Grelle in: Archeologia e territorio. L’area Peuceta. Seminario
di studi Gioia del Colle 1987 (1989) 11 lff.; M. Pani u.a. in: R. Cassano u.a. (Hrsg.), Storia di Bari dalla Preistoria al
Mille (1989) 11 lff. 122ff.; Grelle 33ff.- Zu Daunien: M. Miroslav Marin, Topografia della Daunia antica, in:
Biancofiore - Marin - Parlangeli a.O. (s.o. Anm. 62) 55ff. mit der vorhergehenden Lit.; M. Torelli in: Dauni 325ff;
M. Mazzei - E. Lippolis in: Mazzei, Daunia 185ff.; M. Mazzei - J. Mertens - G. Volpe in: Basilicata 177ff.;
M. Mazzei in: Comln 109ff.; P.G. Guzzo - M. Labellarte - M. Mazzei, AnnPisa 3. ser. 21, 1991, 147ff.; M. Mazzei,
AnnAStorAnt 13, 1991, 189ff.; Curti passim; M. Pani in: Principi 599ff; M. Torelli, DialA 3. ser. 10, 1992, 47ff,
wiederabgedruckt in: Principi 608ff.; Grelle 15ff.; Lippolis a.O. (s.o. Anm. 19) 75ff.
s. o. Kapitel VI.2.
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