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Wissenschaftlicher Kunstverein in Berlin.

In der Versammlung des wissenschaftlichen Kunstvereins am 14. v. M.
hielt Herr Dr. Ernst Förster aus München einen Vortrag über die Tendenz und
den Umfang seines Werkes „Denkmäler der deutschen Kunst", indem er zugleich einige
Blätter aus dem III. Theile desselben vorlegte. Er wies auf den großen Reichthum
vaterländischer Kunstdenkmäler hin, welche bis vor Kurzem zum Theil unbeachtet und
selbst ungekannt geblieben, und die doch zu den bedeutniigsvollsten Zeugnissen der Bil-
dungsgeschichte, unseres Volkes gehören, und wie der Wunsch nahe gelegen, sie in ge-
treuen Abbildungen mit beigefügten Erklärungen in einem Werke zu vereinigen, um
die Kenntniß derselben, die Liebe zur deutschen Kunst und die Achtung vor ihren Lei-
stungen zum Gemeingut machen zu helfen, und ihrer Geschichte das Material für ihre
Darstellungen in die Hand zu geben. Als unerläßlich 'dabei bezeichnete er die Ver-
einigung der Werke der Baukunst, Bildnerei und Malerei und die Umschließung
der Zeit von Einführung des Christenthums bis auf unsere Tage; als Motiv aber
der Auswahl bei der nothwendigen Beschränkung (da das Werk aus 12 Bände mit
600 Kupfertafeln angelegt ist) die kunstgeschichtliche Bedeutsamkeit der einzelnen Werke,
so daß es das Charakteristische und Beste jeder Zeit, jeder Schule oder Kunstweise
und jedes hervorragenden Meisters enthalten wird. Von den dafür bestimmten Ab-
bildungen nach Werken der Malerei legte vr. Förster zwei Blätter nach süddeutschen
Meistern des 15. Jahrhunderts vor, das eine „der Baum des Lebens und des Todes",
entnommen einem von Berthold Furtmeyr aus Baiern für den Erzbischof von
Salzburg im Jahre 1484 gemalten großen Meßbuch; das andere einer merkwür-
digen schwäbischen Handschrift von 1460, mit Federzeichnungen auf Pergament im
Stil des M. Schongauer, darinnen das ganze wirkliche Leben jener Zeit mit allen
Thätigkeiten und Vergnügungen, Einrichtungen und Gewohnheiten in vielen reich aus-
gestatteten Bildern geschildert ist, einer Handschrift, welche sich im Besitz des Fürsten
von Wolfegg-Waldsee befindet. — Herr Professor Zahn legte drei neue Täfeln Pompe-
janischer Wandgemälde, welche nächstens im 28. Hefte seines bei Dietrich Reimer her-
auskommenden Werkes, „Pompeji, Herculanum und Stabiae," erscheinen werden, vor.
Taf. III. 71. Das schöne Gemälde Perseus, die Andromeda befreiend, welches in einem
Hause in der Strada di Mercurio entdeckt wurde und wobei die Figuren Lebens-
größe haben. In der Mitte, wo die reizende Andromeda mit dem linken Arm an
den Felsen gekettet, naht Perseus mit dem Medusenhaupte und dem Schwerte in seiner
Linken, mit der Rechten die Andromeda an den linken Arm fassend, um sie von dem
Felsen herunter zu geleiten. Links auf dem Felsen sitzen zwei bekränzte Frauen, wovon
die eine wahrscheinlich die schöne stolze Mutter der Andromeda, die Kassiopea, sein soll.
Zwischen den beiden Felsen erblickt man das schnaubende Meernngeheuer. In Hinsicht
der Komposition, Zeichnung und des Kolorits ist dies Gemälde mit zu den schönsten
bis jetzt bekannten antiken Wandgemälden zu zählen, und mit Recht als die schönste
Darstellung dieses Gegenstandes zu bezeichnen. Pros. Zahn hat dies Gemälde bald
nach der Entdeckung farbig abgebildet, später ist es durch Abbröckelung der Mauer sehr
beschädigt worden und jetzt kaum noch zu erneuern. Taf. III. 72. Ein Kinderpflock-
spiel auf weißem Grunde, in der Größe des Originals. Knaben sind beschäftigt, nach
einem in der Erde befestigten Psiock oder Nagel zu werfen, während andere den Wurf
abzuwehren suchen. Tos. III. 74. Zwei Centaurengruppen auf schwarzem Grunde in
ihrer ganzen Farbenpracht. In der oberen Gruppe ein Bacchantin, auf dem Rücken
eines Centauren, dem sie die Hände gebunden hat, denselben züchtigend. In der un-
teren Gruppe eine ganz junge, bekleidete Bacchantin auf einer Centaurin, mit ihr
bacchische Spiele treibend.

Tas Museum für Kunst und künstlerische Interessen.

Die Hoffnung, welche die Redaktion der „Dioskuren" bereits in ihrer Probe-
nummer aussprach, nämlich ihren Lesern eine photographische Abbildung des großen
Schräder'scheu Gemäldes „KarlI. nimmt Abschied von seinen Kindern" geben zu
können, hat sich schneller verwirklicht, als zu erwarten stand. Ueber das Bild selbst
sowie über die Photographie findet der Leser in dieser Nummer besondere Aussätze.
An dieser Stelle benutzen wir nur die Gelegenheit, um unsre damals gesprochenen
Worte über die Zwecke des „Museums" denjenigen Lesern, welche nicht in den
Besitz der Probenummer gekommen sind, zu wiederholen, und denen, die sie gelesen,
in's Gedächtniß zurückzurusen.

Das Ziel, welches das neubegründete und rasch emporblühende Jnstistut des „Mu-
seums sür Kunst und künstlerische Interessen" verfolgt, ist dasselbe, welches zu erreichen
„die Dioskuren" sich vorgesetzt. In der That gehen beide Unternehmungen Hand
in Hand, was auch schon daraus erkennbar ist, daß der Redakteur der „Dioskuren"
zugleich dem Comits des „Museums" als Sekretair angehört. — Unbeirrt durch Be-
denken oder gar Anfeindungen, deren unlautere Quellen nachzuspüren weniger schwierig
als widerwärtig ist, verfolgen wir die Aufgabe, der wir uns gewidmet, mit der Be-
geisterung und Anstrengung, welche man stets einem hohen Ziel zum Opfer bringen
muß: die Aufgabe nämlich, in kunstliterarischem wie in künstlerischem Gebiete eine
Versöhnung zwischen dem Kunst-Wissen und dem Kunst-Schaffen einerseits, zwischen
dem Priesterthum und dem Laienthum der Kunst andrerseits anzubahnen. Wohl-
feil wahrlich und zugleich ungerecht im höchsten Grade ist die bereits trivial gewordene
Klage über den „Mangel an Kunstsinn des deutschen Volkes." . .. „Selbst unter den
Gebildeten" — sagt man — „herrsche eine bedauernswerthe Indifferenz gegen Kunst
und Künstler, und obenein eine Ueberreizung und Verkehrtheit des Geschmackes wie
kaum wo anders." Was aber — fragen wir.dagegen — was thut denn Ihr, die
Ihr scheltet und klagt, was thut Ihr dazu, diesem Mangel abzuhelfen? Versucht Ihr
denn, auf die Ration im Großen und Ganzen zu wirken und den allgemeinen Ge-
schmack zu bilden?

Man muß dem Verständniß Brücken bauen, wenn man aufrichtig
wünscht verstanden zu werden. Gelehrsamkeit in jeder Sphäre — falls sie mit
wirklicher Gründlichkeit (was nicht immer der Fall) sich verbindet — ist etwas sehr
Achtungswerthes und schwierig zu Erwerbendes: das ist keine Frage.' Allein, was
unsrer Ansicht nach noch viel schwieriger ist, das ist die Kunst, wahrhaft Gediegenes
in populärer Form darzustellen. Dies ist das Ziel, welches sich die „Dioskuren"
vorgesetzt und, welches in seiner Sphäre das'„Museum" erreichen will. Fern von
jener Vornehmheit, mit der die Fachmänner in jedem Gebiete auf das Laienthum
herabsehen, wollen wir grade dies Laienthum über die Schwelle des geheiligten Tem-
pels hinüberzugeleiten versuchen nach dem Allerheiligsten. Mau zeihe uns nicht der
Vermessenheit ! Vielleicht liegt grade in diesem unsern Bedürfniß, an einer Versöhnung
zwischen dem Priesterthum und dem Laienthum der Kunst mitzuarbeiten, mehr wahre
Bescheidenheit, d. h. Aufgeben der eigenen Bedeutnng, als in jener sich abschließenden
Vornehmheit, welche gern eine Aristokratie in der Kunst herbeiführen möchte, in einem
Gebiete, welches mehr als jedes andere der Nation angehört, welches, wie das der
Religion, nur durch seine allgemein-menschliche Wahrheit das ist, was es ist.

Von diesen Grundsätzen durchdrungen, haben sich jene zu der Elite unsrer hiesigen
Künstler und Kunstfreunde gehörenden Männer, welche das Comits des „Museums"
bilden, vereinigt, um sie zu verwirklichen. Das letzte Ziel ist natürlich die reine
Kunst im höchsten Sinne des Worts; aber soll dies Ziel erreicht werden, so kann dies
nur allmälig und stufenweise geschehen. Darum knüpfte das Comits, dem allgemeinen
Wunsch nach guten Stichen Rechnung tragend, an dies populäre Bedürfniß an, um
auf dem dadurch gewonnenen Grund und Boden den Samen zu einem weiteren und
künstlerisch noch bedeutsameren Wirken zu streuen. —

Aber selbst in diesem Anfänge unterscheidet sich das neue Institut schon wesentlich
von andern ähnlichen Unternehmungen. Wir wollen hier keine Vergleiche anstellen,
aber die einfache Hinweisung auf den Umstand, haß das Comits mit der Vervielfälti-
gung des Schrader'schen Bildes seine Thätigkeit begann, und dem Blatte eine Größe
zu geben beschloß, welche zu den ungewöhnlichen gerechnet werden kann, verleiht diesem
Anfang schon einen eigenthümlich künstlerischen Charakter. Freilich erfordert die un-
gemeine Niedrigkeit des jährlichen Beitrages, welche für den populären Zweck' eine
Grundbedingung sein mußte, zugleich bei Allen, die sich für die Verbreitung reineren
Kunstgeschmacks interessiren, eine überaus große und warme Betheiligung, wenn das
Institut seine ebenso gemeinnützliche wie künstlerisch wichtige Aufgabe mit Erfolg lösen
soll. — Es werden freilich große Opfer nöthig sein, um es dahin zu bringen; wie
denn das Comits selbst sich nur aus reinem Interesse an der Sache als oberste künst-
lerische Instanz konstituirt hat. Aber es ist zu hoffen, daß schon nach wenig Jahren
der Verein auf eignen Füßen stehen wird. Wenigstens geben die aus den fernsten
Gegenden Deutschlands, ja aus dem Auslande selbst einlaufenden zahlreicheu Anfragen
über die näheren Zwecke des Unternehmens, begleitet von Beitrittserklärungen, die
beste Hoffnung dazu, und gewähren den Gründern zugleich die Ueberzeugung, daß die
Organisation eines solchen Instituts als eine Nothwendigkeit gefühlt wird.

So mögen denn Alle, Künstler und Kunstfreunde, Kenner von Fach wie Laien,
das Ihrige für das. fröhliche Gedeihen des jungen Instituts thun, so wird auch Allen
in gleicher Weise Befriedigung und Genuß daraus erwachsen.

Das Germanische Museum in Nürnberg.

Der Redaktion der „Dioskuren" ging der nachfolgende Artikel über das „Germa-
nische Museum zu Nürnberg" zur Veröffentlichung zu. Indem sie mit Vergnügen
diesem Wunsche Genüge leistet, behält sie sich über diesen Gegenstand noch weitere
Mittheilungen vor.

Die zwar recht erfreuliche, verhältnißmäßig aber immer noch geringe Theilnahme,
welche „das Germanische Museum zu Nürnberg" in den deutschen Gauen
bisher gefunden, hat den Vorstand und den Lokalausschuß des Museums unlängst ver-
anlaßt, zu einer allgemeiner; Betheiligung an dem Unternehmen durch einen neuen
„Aufruf", welcher bereits in Nr. 125.der Voßischen Zeitung Gegenstand einer, die
Zwecke und Leistungen des Museums sehr günstig beurtheilenden Besprechung gewesen
ist, anfzufordern. Die Unterzeichneten Agenten des Museums für Berlin glauben den
Wünschen aller Verehrer germanischer Geschichte, Sitte, Kunst und Wissenschaft ent-
gegen zu kommen, wenn sie diese Gelegenheit benutzen, wiederholt auf die Wichtigkeit
des Unternehmens hinzuweisen und Allen, die das deutsche Vaterland lieben, die Bitte
zu möglichst reger Betheiligung an dem Museum, als einer Pflicht der Pietät, an's
Herz zu legen.

Das im Jahre 1852, unter anerkennenswerther Unterstützung fast aller deutscher
Monarchen, der freien Städte und vieler Korporationen in Nürnberg gegründete
„Germanische Museum" verfolgt einen dreifachen Zweck:

1. ein wohlgeordnetes Generalrepertorium über das ganze Quellenmaterial sür
die deutsche Geschichte, Literatur und Kunst, vorläufig von der ältesten Zeit
bis zum Jahre 1650, herzustellen,

2. ein diesem Umfange entsprechendes, allgemeines Museum zu errichten, bestehend
in Archiv, Bibliothek, Kunst- und Alterthumssammlung.

3. Beides nicht nur allgemein nutzbar und zugänglich zu machen, sondern auch
mit der Zeit durch Herausgabe der vorzüglichsten Quellenschätze und belehren-
der Handbücher gründliche Kenntniß der vaterländischen Vorzeit zu verbreiten.

Es wird durch einen Vorstand von 2 Personen geleitet, kontrollirt und berathen
durch einen Verwaltungsausschuß von 24 Personen, und gleichzeitig steht ihm als großer
berathender Körper in allen wissenschaftlichen Angelegenheiten ein Gelehrten-Ausschuß
zur Seite, der bis jetzt 206 der bedeutendsten Namen deutscher Geschichts-, Sprach-,
Kunst- und Alterthumsforscher enthält. Das Vermögen des Museums, welches alle

Hierbei eine Beilage.
 
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