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selbst ist, ungerechnet den granitnen Untersatz von 2 Fuß, auf welchem es an
dem Ort seiner Bestimmung zu stehen kommen wird, von der Sohle des Sockels
bis zur Spitze 40 Fuß hoch. Es stellt einen in gothischem Stile gehaltenen
schlanken und reich mit Skulpturen gezierten Thurm dar,, dessen Nischen And
Ecken die Statuen der Stifter und Wohlthäter der Universität, so wie die
Repräsentanten der gelehrten Fakultäten an derselben, tragen. Der architek-
tonische Theil des Denkmals ist nach Allerhöchster Anordnung vom Geh.
Oberbaurath Stüler entworfen und nebst den von den Bildhauern Stürmer
und Afinger modellirten Statuen, wie schon bemerkt, durch den in diesem
Fache mannigfach berühmten Meister M. Geiß in Zink gegossen und schließ-
lich auf galvanoplastischem Wege mit einem Bronce-Ueberzuge versehen. Was
zunächst die Statuen betrifft, so stellen die vier Hauptfiguren in den Nischen
der Breitseiten vier Stifter und Wohlthäter der Universität dar, sämmt-
lich von Stürmer modellirt, und zwar 1) an der vorderen Seite: „Wra-
tislawIX., Herzog von Pommern", unter dessen Schutze die Stiftung der
Universität im Jahre 1456 durch den Greifswalder Bürgermeister Rubeno
erfolgte; darunter befindet sich das Wappen von Greifswald; 2) auf der rech-
ten Seite: „Bogislaw XIV., der letzte Herzog von Pommern", der die
Universität reichlich dotirte, darunter das Pommersche Wappen; 3) an der hin-
tern Seite: „Friedrich I., König von Schweden", Erbauer des jetzigen
Greifswalder Universitätsgebäudes; darunter das einfache Schwedische Wap-
pen; 4) an der linken Seite: „Friedrich Wilhelm III., König von Preußen",
als Beförderer der Künste und Wissenschaften, hier insbesondere als Beschützer
der Universität Greifswald; darunter das einfache Preußische Wappen. — Die
sitzenden Eckfiguren, von Afinger modellirt, entsprechen den vier Fakultäten,
und zwar erblicken wir hier 1) als Repräsentanten der Theologie: „Johannes
Bugenhagen" (im 15. Jahrhundert), die Rechte ans die Bibel gelegt; 2) der
Jurisprudenz: „Mevius" (im 17. Jahrhundert), mit dem Scrinium als
Symbol des Römischen Rechts zu seinen Füßen; 3) der Medizin: „B erndt"
(dem 19. Jahrhundert angehörend), in der Hand die Schale mit dem schlan-
genumwundenen Henkel; 4) der Philosophie: E. M. Arndt", den um eine
Rolle gewundenen Deutschen Eichenkranz hallend. Endlich zeigt noch die Rück-
seite des Denkmals das Reliefsportrait des Bürgermeisters „Ruheno", als
eigentlichen Gründers der Universität, ebenfalls von Afinger modellirt.

,Was wir bei diesen mit großer Sorgfalt durchgeführten Figuren besonders
hervorheben müssen, ist der im ganzen Stil der Behandlung vorwaltende ger-
manische Charakter, wodurch sich eine schöne Harmonie zwischen den Skulp-
turen, und der Architektonik des Denkmals ausspricht und dem Bauwerke sofort
das sehr entschiedene.Gepräge eines in sich abgeschlossenen Ganzen aufdrückt.
Wenn auch zwar selbstverständlich nicht davon die Rede sein konnte, in den
Nischen und an den Ecken eines gothischen Architekturwerkes antike Formen,
namentlich in der Gewandung, anzubringen, so lag es immerhin nahe, selbst
bei Vermeidung eines solchen ästhetischen Anachronismus, in eine gewisse All-
gemeinheit und Charakterlosigkeit zu gerathen, welche mit dem vorzugsweise
prägnanten Stiltypus der Gothik nicht minder einen störenden • Widerspruch
bewirkt hätte. Jedenfalls'wäre die Harmonie des Ganzen, als einer künst-
lerischen Einheit, verloren gegangen; und gerade diese künstlerische Einheit des
Stils'zwisch ein dem architektonischen Hauptkörped und der hier als Ornament
wirkendem Skulptur ist ein Hauptmoment der schönen, in sich so reich geglie-
derten, und Loch so harmonisch zusammenklingenden Wirkung.des Ganzen. Die
Bildhauer Stürmer und Afinger haben mit ersichtlich tiefem Verständnisse
eben dieser Erfordernisse der Gesammtwirkung nicht nur die Figuren überhaupt
komponirt, sondern sie auch in ihrer Detaillirung, namentlich rücksichtlich der
Haltung und Drapirung, und zwar ohne dem specisischen geschichtlichen Cha-
rakter derselben zu nahe zu treten, der Idee des Ganzen anzupassen und damit
in eine ideelle Verbindung zu bringen gewußt.

Die architektonische Komposition trägt natürlich zu dieser Harmonie einen
großen, wenn nicht den größten Theil bei. Sie ist voll edler Einfachheit und
doch reich an'Details, ohne überladen zu sein. Besonders zeigt sich in den,
auf die Oualität des Materials ausdrücklich berechneten Verhältnissen zwischen
den einzelnen Formen der architektonischen Gliederung eine weise Oekonomie,
die offenbar auf einem ernsten Studium der specisischen Leistungsfähigkeit (in
künstlerischer wie in technischer Beziehung) gerade dieses Metalls beruht. Das
Zink steht als Material der architektonischen Ornamentik zwischen anderm Me-
tall, wie Bronce, Eisen u. s. f., und dem Stein in der Mitte. Es läßt, wegen
seiner weicheren und biegsameren Natur, eine leichtere Ausladung der Formen
und überhaupt schlankere Verhältnisse und größere Detaillirung zw-als Stein,
und bietet sich zugleich durch seine größere Wohlfeilheit für ausgedehntere Ar-
beiten dar, als anderes Metall. In dieser eigenthümlichen Stellung liegt seine
hohe-Wichtigkeit. Schinkel, der dieselbe sehr wohl erkannt hatte, ging in
den letzten Jahren seines Lebens mit dem Plane um, den Zink in größerem
Maßstabe als Material der gesammten architektonischen Ornamentik anzuwen-
den, und so wie er (an der Bau-Akademie, der Werderschen Kirche und dem
schönen Feilner'schen Hause) eine Thon-Architektur geschaffen hatte, bei dem
Bau der neuen Bibliothek den Versuch- mit der Schöpfung einer Zink-Archi-
tektur zu machen. Leider wurde er durch seinen frühen Tod an der Ausfüh-
rung dieser-sowie vieler anderer Plane verhindert.

. Wir können nicht unterlassen, hier ein authentisches Gutachten des großen
Meisters mitzutheilen, in dem sich sein Interesse für die Zinkarchitektur und
sein tiefes Berständniß dieses Kunstzweiges deutlich ausspricht.

Je mehr man mit dem Zinkmetall umgeht und Gelegenheit hat, seine Anwendung
in der mannigfaltigsten Art zu fördern, finden sich fortwährend die bedeutendsten Vor-
theile des Materials) besonders für die Anwendbarkeit in der Architektur.

Alle Fälle dieser Anwendbarkeit haben in lOjähriger Zeitperiode bei uns die
genügendsten Beweise seiner Haltbarkeit gegeben und überall seine Unzerstörbarkeit durch
Witterung gezeigt, wo nur irgend das Metall nicht gegen seine Natur verwendet

wurde. Ganz vorzügliche Vortheile ergab das gegossene Metall wegen größerer Starke,
wenigerer Empfindlichkeit gegen Kälte und Wärme und wegen der Eigenschaft eines
aus's äußerste reinen Gusses, weshalb es vorzugsweise für alle plastische Kunstarbeiten
geeignet erscheint. Wir sehen auch bereits große Statuen nach der Antike in der Werk-
statt des Herrn Geiß in Berlin auf das sauberste ausgeführt, denen durch einen
Niederschlag aus Kupfer eine vortreffliche Farbe gegeben werden kann, die nicht allein
das Metall gegen die Witterung noch mehr schützt, sondern von einer solchen Art ist,
daß er mit der Zeit eine grüne schöne Patina ansetzt. Alle Ornamente, durchbrochene
Arbeiten und Spitzen, welche sich aus der Architektur frei erheben um durchfichtige
Krönungen in der Architektur zu bilden, werden in dem Metall auf die leichteste, so-
lideste Weise hergestellt. Ebenso aber werden Haupttheile der Architektur höchst wohl-
feil und dauerhaft damit gefördert. Wir haben jetzt eine große Herstellung des Uni-
versitäts-Gebäudes beendigt, bei welchem circa an 1600 Fuß Haupt-Gesims mit Me-
daillons aus Zink hergestellt sind, welches an einem Eisengestell gefertigt und an dem
Gebäude angebracht wurde, und welches statt 16 Thaler pro laufenden Fuß in Stein,
nur 9 Thaler mit der eisernen Verankrung in Zink gekostet hat und in vollkommen
horizontaler Linie sich darstellt. Bei der Dachbedeckung ziehen wir, wegen Vermeidung
schädlicher Ausdehnung und Zusammenziehung des Metalls, die Deckung mit Zink-
ziegeln den Eindeckungen mit großen Zinkblechstreifen vor', weil bei diesen nach der
Erfindung des Herrn Geiß in Berlin, das Metall sich frei bewegen kann, ohne dem
Wetter den Eingang zu gestatten. Hiermit wäre die Architektur auch in dieser Bezie-
hung gesichert. Vorzüglich aber werden große Kosten erspart bei der Restauration alter
aus barocker Zeit stammender "Bauwerke. Die geschmacklosen Formen der Ornamente
dieser Gebäude werden auf die leichteste Weise durch Abformung der Originale und
Ausguß in Zink erhalten und man übergeht eine langweilige, den Geschmack nicht för-
dernde Ausarbeitung in Stein, hat außerdem den Vortheil weit leichtere Massen, wo-
durch das Gebäude nicht belastet wird und welche weit leichter befestigt werden können,
auch nicht mit dem Ausbringen anderer. Baustücke hindernd' znsammentreten, sondern
ganz zuletzt an das Gebäude gebracht werden und dasselbe völlig beenden. Die vielen
Vortheile, welche dies Metall in der Architektur der Meubles an die Hand giebt, an
Vasen'im Freien zu stellen, und an andern Gegenständen, z. B. Kandelabern, Schalen
p. p. wo es zugleich weniger Beschädigung ausgesetzt ist als der Stein, ferner bei Ver-
kleidung roher eiserner Stützen in schönsten Säulenformen Und Konsolen, Thürverklei-
dungen und anderen reichverzierten Architekturstücken gewähren die Ueberzeugung seiner
außerordentlichen Nützlichkeit und werden es für die Architektur künftighin unentbehrlich
machen, wie sie zugleich dazu beitragen, den Umfang der Architektur immerfort zu er-
weitern.

Berlin, den 3. Mai 1840. (gez.) Schinkel,

Ober-Landes-Bau-Direktor.

In dem Greifswalder Denkmal hat nun einer seiner bedeutenden Schüler
im Geiste des Meisters diesen Versuch verwirklicht, und schon von diesem Ge-
sichtspunkte aus ist die Ausführung dieses Werks eine Thatsache von vor-
aussichtlich weitgreifender Wirkung. Wenn wir, um noch eimnal auf den Stil
des Denkmals zurückzukommen, einen Einwurf machen möchten, so ist es der,
daß die Spitze desselben, rat Berhältniß zu der schlanken Gesammtform, zu
schnell ausläuft und dadurch etwas kurz und in Folge dessen zu schwer sich
darstellt. Auch dürfte die Bekrönung etwas zu leicht gerathen sein, aber sie
würde weniger so erscheinen, wenn die Ausladung der Spitze schlanker gehal-
ten wäre,

'Die hier hauptsächlich in Frage kommende technische Ausführung ist in
jedem Betracht vortrefflich zu nennen. Der Guß .des durschschnittlich 4 Zoll
starken Metalls zeichnet sich durch vorzügliche Reinheit der Form in allen
Details und durch eine so kunstreiche Zusammensetzung der einzelnen Bestand-
theile zum Ganzen aus, daß in dieser Beziehung das Institut von Geiß ein
wahres Meisterwerk zu Tage gefördert, hat. Rücksichtlich der Verwendung des
Zinkgusses für architektonische Zwecke scheint auch das -bei dem Denkmal in
Anwendung gebrachte-Prinzip der Verankerung von großer Wichtigkeit. Da
bei der bedeutenden Höhe von 40 Fuß die unteren, nur 4 Zoll starken und
zum Theil geraden Flächen der Breitseiten ohne Unterstützung einen zu star-
ken Druck würden aushalten müssen,-so wurde, um diesen aufzuheben, im
Innern des Werkes ein etagenmäßig, je nach den Absätzen des sich verjün-
genden Denkmals selbst, enlporstcigendes Säulengerüst, von Eisen angebracht,
dessen .einzelne Stockwerke durch horizontal liegende Eisenplatten unter sich und
in den Ecken mit der äußeren Zinkhülle wieder in Verbindung gesetzt sind.
Diese Säulen sind nicht hohl, sondern dreieckig, theils auch der Metall--
ersparung wegen, theils auch der größeren Festigkeit halber. Der Durchschnitt
der einzelnen Säule bildet eine Figur, ähnlich derjenigen, welche entsteht, wenn
man von dem Mittelpunkt eines gleichseitigen Dreiecks gerade Linien nach den
Winkelpunkten desselben zieht. Diese Säulen, von denen je eine in jeder Ecke
einer jeden Etage steht, bauen sich nun, immer näher zusammenrückend, über-
einander und sind außerdem durch Kreuzbalken verbunden, so daß sie unver-
rückbar das Ganze und die sich mit ihnen aufbauende Zinkumhüllung tragen.
So einfach diese Konstruktion ist, so erscheint sie doch durch ihr naturgemäßes
Prinzip als die geeignetste,-weil sie die Möglichkeit darbietet, die Zinkarchi-
kektur in jeder Ausdehnung und in größtem Maßstabe'zur Anwendung und
Ausbildung zu bringen. Geiß hat sich mit diesem Denkmal felbet zugleich
'ein Denkmal seines Fleißes und seiner.Geschicklichkeit gesetzt, und es dürfte
deshalb um so mehr an der Zeit sein, ein Unrecht, das dem Meister früher
zugefügt worden, wieder gut zu machen. In dem amtlichen Bericht der Lon-
doner Ausstellungskommission wird -nämlich gesagt, daß die Königliche Eisen-
ießerei zuerst den Zinkguß in's Leben gerufen, denselben später aber Privat-
änden überlassen habe. Diese Behauptung ist eine irrige, .indem Geiß no-
 
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