Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
182

einem Ziegenbock" (Nr. 1493) ist eine Burleske ohne ästhetischen und prakti-
schen Zweck, eine Verirrung des Genremäßigen bis zum Grotesken. Wenden
wir uns davon ab und den edelgestalteten Werken des fruchtbaren und geist-
reichen Bläser zu, dessen meisterhafte, fiir die Schloßbrücke ausgeführte
Gruppe: „Minerva, den Krieger im Kampfe unterstützend" (Nr. 1016 > wir
hier in einer verkleinerten Wiederholung in Broneezinkguß von Geiß wieder-
fanden: Außerdem war Bläser durch eine Reihe anderer trefflichen Arbeiten
vertreten, namentlich durch mehrere Portraitbüsten von geistreicher Charak-
teristik und lebendig wahrer Auffassung, wovon wir namhaft machen die Büsten
des „Generals von Radowitz", des „Geh. Ober-Bauraths Severin", des
„Herrn Richartz, Stifters des Kölner Stadtmuseums", des „Malers Leutze",
des „Baumeisters Felten" u. s. f; ferner durch zwei liebenswürdig komponirte
allegorische Figuren: „das neue Jahr, Gesundheit und Glück darbringend"
(Nr. 1007) und als Pendant dazu: „Christus als Weihnachtsbcscherer" in
Broncezink. — Als ferner bedeutende Werke führen wir noch an: die „Büste
Schönleins" (Nr. 1155) von Wichmann, die „Büste der verstorbenen Ober-
kammerherrn Baron von Rennekampff" (Nr. 1084) von K. Kölbel, die
„männliche Büste" von Elisabeth Ney u. s. f;

Von andern Künstlern, die durch gediegene Werke auf der Ausstellung
vertreten waren, nennen wir noch Schievelbein mit einem Relief zu dem
Ostportal an der Dirschauer Eisenbahnbrücke, darstellend: „Winrich von
Kniprode, der Hochmeister von Marienburg, als Besieger der Litauer"
(Nr. 1116), Peiffer mit seinen Relief: „Hagen mit den Meerweibchen an

der Donau" (Nr. 1625), Medem mit zwei Reliefs für das Portal des
Gräflich v. V. Gröbenscheu Begräbntßkapelle im Dom zu Marienwerder*),
Sternecker mit einem Relief „Adam und Eva bei dem erschlagenen Abel",
denen sich durch zahlreiche Arbeiten anschließen Genschow, Dietrich, Wit-
tich, Wolgast, Gilly, von der Recke Volmerstein, Friedrich u. s. f.
In der Medailloplastik sind schließlich noch die ausgezeichneten Arbeiten von
Kullrich, Pfeuffer mit Karl Fischer hervorzuheben.

Indem wir hiermit die llebersicht über die Ausstellung schließen, müssen
wir bemerken, daß wir anfangs die Absicht hatten, noch eine Nachlese na-
mentlich aus den später zur Ausstellung gebrachten Gemälden zu halten. Und
zwar waren es besonders die beiden großen und wohl bedeutendsten Werke
der Ausstellung, nämlich G. Richter's „Christus erweckt Jairi Töchterlein"
und A. Menzel's „Ueberfall bei Hochkirch", welche wir dabei im Auge hatten.
Indessen haben wir diese Absicht aufgegeben, in Betracht, daß namentlich
das erstgenannte Werk eine ausführliche Besprechung erfordert, welche wir
uns als Beleg für einen besonderen Artikel „lieber die heutige religiöse Ma-
lerei im Verhättniß zu der älteren Kunst" Vorbehalten M. Sr.

*) Siehe die Korrespondenz aus Marien Werder in Nr. 14 der „Dioskuren".

D. R.

Der Bildhauer Peter Ningering in Danzig.

Einige Aktenstücke zur Geschichte des Langgassischen Thores, mitgetheilt von M. R.

Unter der nicht geringen Zahl von Kunstbauten Danzigs, an welchen sich
neben dem Kunstsinne seiner Bewohner der Geist einer bestimmten, in seiner
Geschichte bedeutsamen Periode auf eine charakteristische Weise ausgeprägt hat,
nimmt das Langgassische Thor eine bedeutende Stelle ein. Mit seiner
doppelten Säulenstellung, der auf ihr ruhenden Galerie und den das Ganze
krönenden acht Statuen, Symbolen der das städtische Gemeinwesen schmücken-
den geistigen Güter, entspricht es nicht nur in würdiger Form seiner Be-
stimmung, dem durch das äußere hohe Thor in die Stadt Eintretenden die
Hauptstraße und die Nähe der Hauptgebäude, des Rathhauses und des Artus-
hoses anzukündigen, sondern es ruft auch En seinem italienischen Baustile die
Erinnerung an das Zeitalter Palladio's und Biguola's zurück, da bei
dem regen, unmittelbaren Verkehre der Stadt mit Rom und Venedig, auch
ihre Künstler den Eindrücken, die sie.von dorther empfingen, vorzugsweise
folgten.

lieber die Geschichte dieses Gebäudes ist bisher wenig bekannt gewesen.
Es steht fest, daß das Thor selbst im Jahre 1612 von dem Architekten
Abraham v. d. Block angefertigt wurde; es fehlte demselben jedoch, wie
eine Abbildung vom Jahre 1617 beweist, der Aufsatz der acht Statuen. In
dem darauf folgenden Jahre (1649) hat Danzigs großer Kupferstecher Jere-
mias Falck diese acht Statuen in acht Blättern mit seinem Grabstichel ver-
herrlicht. So vortrefflich diese Stiche sind, so kommt der Eindruck, den sie
machen, der großartigen Wirkung der Originale keinesweges gleich, intern
Falck die für eine bedeutende Höhe und auf die Wirkung in die Ferne be-
rechneten Figuren in unmittelbarer Nähe darstellte. Falck's Stiche haben aber
das besondere Verdienst, daß sie in der Unterschrift: fec. Peter Ringering
wenigstens den Namen des trefflichen Meisters aufbewahrten, dem wir jene
Statuen verdanken.

Einige Papiere, die ich in Betreff dieser acht Statuen neulich im Danziger
Archive anffand, setzen mich in den Stand, über den bis jetzt nur dem Namen
nach bekannten Künstler und sein Werk einige Daten mitzutheilen, die, wie
ich hoffe, für die Freunde alter Kunst nicht ohne Interesse sein werden.

Unter dem 27. Mai 1647 erfolgte ein Rathsschluß, folgendes Wort-
lautes:

„Weil sich gelegenheit pras8entiret, daß zum Zierrath der
Stadt etliche steinerne Figuren durch einen kunstreichen Meister
können formiret und auf das Thor*) gesetzet werden, ist E. E.
Raths Meinung, daß der H. Niclas v. Bodeek als Bauherr die
Mühewaltung auf sich nehmen wolle, damit solche Figuren ver-
möge dem gezeigten äbriß, bedungen werden."

Herr Niklas v. Bodeck wandte sich darauf an einen Künstler, der in
früherer Zeit als Steinhauer-Geselle in Danzig gearbeitet, später aber, als
er nach längerer Abwesenheit in der Fremde nach Danzig zurückkehrte, durch
Arbeiten, die er in kleineren Maaßverhältuissen aus Holz und Elfenbein au-
sertigte, einen bedeutenden Ruf erlangt hatte und deshalb ausnahmsweise seine
Kunst in der Stadt ausüben durfte, ohne das Bürgerrecht zu gewinnen und
in die Zunft der Bildhauer und Steinmetzer einzutreten. Dieser Bildhauer
war der von Falck genannte Peter Ringering; slir die Anfertigung sämmt-
licher acht Statuen wurden ihm 40 Thaler zugesagt. Ueber diese Bevorzugung
des fremden Meisters zürnten die Zunftgenossen und reichten am 13. Juni 1618
folgende Beschwerdeschrift beim Rathe ein:

„Herr Bürgermeister, Hochweise, Großgünstige Herren, Wir
habe» nicht ohne sonderliche Verwunderung und Bestürtzuug
dieser Tage vernommen, was maßen einer, Rahmens Peter

*) Auffallender Weise wird in allen diesen Verhandlungen das Lauggassische Thor:
„Hohes Thor" genannt, offenbar ein Ausdruck, der noch aus dem 14. Jahrhundert
stammt, wo dieses Lauggassische Thor die innere Seite des unter dem Stockthurme
sich nach außen öffnenden alten „hohen Thores" war. Der Name: „Langgassisches
Thor" war jedoch damals, wie schon die Abbildungen von 1617 beweiteu, im allge-
meinen Gebrauche.

Fortsetzung in

Ringering. welcher vor diesem bey einem unsrer Werks Meister
für einen Gesellen gearbeitet, nunmehr nach seiner Wiederkunft,
unsrem Werk zum Vorfang und Verkleinerung, man weiß nicht
ausf was weise, als ein sonderlicher Künstler eingeschlichen und
durch vorgegebene Kunst sich dergestalt insinuiret', das ihm auch
darüber gewiße Bilder aus; Stein zu hawen anbefohler, und deß.
wegen mit ihm ist verdungen worden. Sobald Wir aber deßen
verständiget waren, Haben Wir mit gebührendem Respect Uns
deßwegen bey unterschiedlichen Personen .aus E. E. Hw. Raths
mittel beschweeret und solches geren verhütten wollen. Weil
Uns aber zu verstehen gegeben, das obgenannten unserm Beschä-
diger solch erwehnte verdungene Arbeit, aus Schluß E. E. Hw.
Raths weren oommittirot worden, Haben Wir E. E. Hw. Raht,
mit gegenwertiger unser Suppiication deßfalls anzutreten für
nöthig befunden, und leben der zuversichtlichen Hoffnung, der-
selbe werde nicht gestatten, das auf sothane weise dieser einge-
bildete Künstler unserm Werke zu Vorfang länger geduldet und
foviret werde. Denn erstlich ist solches unserer Rollen und
Werks Gerechtigkeit in der Billigkeit zu wieder, das Uns, als
Bürgern der Stadt, welche alle Bürgerliche Unpflichte tragen,
Auch in Fewers-Röthen (die Gott in Gnaden verhütten wolle)
allendhalben mit unfern Gesellen bey der Hand sein müßen, bey
dieser schweren Zeit, da die Nahrung jedermann sawr wird, von
einen frembden noch ledigen Gesellen uns unsere Arbeit ge-
nommen und endzogen soll werden.

Daneben und fürs ander, ist es auch beydes dieser Löblichen
Stadt und unserm Werke schimpfflich, in dem hiedurch es dieses
ansehen gewinnet, als wenn allhier niemand sonsten were, der
solche Arbeit machen könnte, da doch nicht allein eben so gute
Künstler sondern auch wol beftere, in dergleichen (große Bilder
zu machen) im Werke zu finden seyn, welche mit diesem ange-
maßeten Künstler yertiren und überlegen seyn können. Und kann
von diesem vermeinten Künstler nichts beßeres zeugen, als seine
eigene Arbeit, die er als ein Geselle, damalen unter einem Mei-
ster stehend, gemacht hat, welche dermaßen beschaffen sind, das
ein jeder Kunst Verständiger Sie nicht anders als vor schlecht
halten kan, Gestalt solches unter andern die gehawene Bilder,
hei Hans von Freuden, Jacob Conrad, und Hrn. Kammermann
bezeugen können. Endlich wie dieses Menschen Arbeit (an großen
Bildern) nichts besonderes, also ist Sie auch nicht wolfeiler,
sondern kostbarer als die unsere, in dem er seine bloße Arbeit
auff 40 Reichs-Thaler verdungen, dahergegen Wir solches alles
eben so gut für lOO Gülden lieffern wollen auch können, woferne
es nur rathsam, das solche große Bilder auff so schmale Posta-
menter zu setzen seyn, in Betrachtung deßen, es Zu der Zeit
(als das Hohe Thor ist gebawet worden) füglicher als jetziger
Zeit (wenn es gut wäre erfunden worden) hätte können ver-
richtet werden, welches wir einem jeden ilreliitsotur-Verständi-
gen Zn erkennen gehen wollen. Denn ob schon dieser vermeinte
Künstler, wie das geschrey gehet, in kleiner Arbeit etwas prae-
stiren könnte, von Zweck Holz*) und Helffenbein gemacht, kommt
doch solches mit der großen Arbeit nichts bey, weil sie selten
zusammen bey Einem gefunden werden, Wie solches bey vielen
Künstlern genugsam offenbahr, denn selten ein guter Contrafaier
eine rechte Landschaft oder Perspectiff mahlen wird. Weil dem-
nach E. E. Hw. Raht, für diesem Uns, als dero gehorsame Bür-
ger, alle zeit bey unser Gerechtigkeit, Rolle und Bürgerlicher
Freyheit gerne und rühmlich geschützt, Uns auch nicht bewust,
das weder bey unserer noch unser Vorfahren Zeiten, einiger
Excesz oder Klage über Uns Steinhawer gebracht noch erwiesen
sey, Als wollen Wir E. E. Hw. Raht hiemit dienstlich angeflehet
und gebeten haben, Uns ferner dabey Zu schützen und nicht zu-
gestatten, das ein jeder sich selbst eingebildete Künstler, Uns

*) Zwickholz oder Spindelbaum. Evon^mus europaens.

der Beilage.
 
Annotationen