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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 9.1864

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https://doi.org/10.11588/diglit.13518#0033

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der Statue ward auf einstimmigen Beschluß des Cvmitos
Hrn. I. H. Fol eh, dem wohlbekannten irischen Bild-
hauer, übertragen, welcher selbst hundert £ gezeichnet hatte.
Sie steht nun vor dem Trinity-College, welchem das Co-
mits sie zum Geschenk gemacht hat, „als ein Denkmal,
als ein sichtbarer Beweis für die Nachwelt, und besonders
für die Jugend, welche diese Stätte der Musen aufsucht,
von der dankbaren und liebenden Bewunderung, welche
jeder Irländer dem Genius und den Schriften Oliver
Goldsmith's zollen muß". Die Ceremonie der Entbüllung
nahm der Lord-Statthalter vor.

B. Königsberg i. Pr.. Anfang Januar. (Architek-
tonisches.) Unsere Stadt hat in der neuesten Zeit, seit
meinem letzten Bericht in diesen Blättern (1860 No 20)
in architektonischer Beziehung wieder sehr gewonnen. Der
große Universitäts-Palast ist vollendet und steht als
ein Meisterwerk für alle Zeiten da. Wenn die Kompo-
sition des Ganzen — bekanntlich die schwache Seite der
ganzen modernen Architektur in allen Richtungen — Man-
cherlei zu wünschen ließe, so ist die Anlage im Allgemeinen
doch zweckentsprechend, organisch, und die dekorative Aus-
bildung aus dem Material in charakteristischer Weise ent-
wickelt. In der Ausbildung des Details — und darin
zeichnet sich die berliner Schule vor allen andern vor-
theilhast aus — ist hier wieder Bewunderungswürdiges
geleistet. Das Auge haftet überall mit Vergnügen und
wird nie müde, die einzelnen Formen bis in's Kleinste
hinein zu betrachten, sich an dem Schwung der Linien,
an der Komposition der Ornamente, an der meisterhaften
technischen Ausführung zu erfreuen. Ueberall erkennt
man das Walten eines mit Verständniß und feinem Ge-
schmack erfindenden Künstlers. Bei der Faoade dürfte für
den mit Recht besonders geschmückten Mittelbau etwas
zu viel an plastischem Schmuck gethan sein. Dagegen ist
die an der Wandfront sich hinziehende Halle mit ihren
Bogeneinfassungen, Gesimsen und Gewölben ganz beson-
ders schön und edel. Tritt man in das Innere, so impo-
nirt das Vestibulum mit seinen Marmorsäulen in mächtiger
Weise und erinnert lebhaft an gewisse genuesische Paläste.
Das Vestibulum und die breite dreiarmige Treppe bilden
zusammen eins der großartigsten Interieurs der Art, die
man irgendwo sehen kann, und werden für Königberg stets
ein besonderer Schmuck und Stolz bleiben. Das Auditorium
maximum habe ich leider nicht gesehen. Zu den eben
hervorgehobenen Vorzügen kommt nun noch die bisher in
Königsberg nicht gesehene Pracht des Materials, nament-
lich an bunten Marmoren. — Auch die Umgebung der
der Universität ist des Gebäudes würdig. Der Parade-
platz mit den ihn umschließenden, obgleich architektonisch
nicht bedeutenden Gebäuden ist einer der schönsten Plätze
der modernen Städte Norddeutschlands und verdient jetzt
wohl mit Recht seinen alten Namen „Königsgarten", denn
er ist jetzt wirklich mit Garten-Anlagen versehen und trägt
das broncene Reiterbild König Friedrich Wilhelm III.

Einige andere neu ausgeführte oder in Ausführung
begriffene öffentliche Gebäude konnte ick bei der Kürze
meines Aufenthaltes leider nicht in Augenschein nehmen.
Aber auch an trefflich durchgeführten Privat- Ge-
bäuden ist die Stadt reicher geworren und gewinnt so
immer mehr das Ansehen einer Großstadt. Besonders
siel mir ein Eckhaus in der Junkerstraße auf, das bei
großem Reichthum in den architektonischen Formen sich
durch Eurhytmie der Verhältnisse und verständige Anord-
nung des Ornaments auszeichnet. Namentlich haftet das
Auge wohlgefällig an einem organisch angebrachten Erker.
Das Hartung'sche Haus in der Löbenicht'schen Lang-
gasse, bisher nur durch seine Ausdehnung hervorragend,
ist jetzt nach dem Ausbau auch seiner würdigen, edlen
dekorativen Ausbildung und seinen architektonischen Ver-
hältniffen nach ein Palast im wahren Sinne des Wortes.
Dagegen nehmen aber auch hier die von Berlin her

allgemein so übel bekannten großen Mieth-Häuser, die man
sehr richtig als „Mieth-Kasernen" bezeichnet hat, überhand
und drohen der Stadt ein noch langweiligeres Ansehen
zu geben, als sie es bisher mit ihren klein bürgerlichen
Häusern ohne Architektur hatte.

> München, im Januar. (Kunstverein.) Da in
den vier letzten Wochen-Ausstellungen die eigentliche hi-
storische Kunst gar nicht vertreten war, will ich meinen
Bericht mit der Besprechung eines Bildes beginnen, das
dem sogenannten historischen Genre angehört und durch
seinen Stoff alle Ansprüche auf besondere Beachtung hat.
Es ist dies das ziemlich große Oelgemälbe von Friedrich
Pecht, dem bekannten strengen Kunstrichter, welches die
„Einführung Goethe's bei der Herzogin Amalia von Wei-
mar zu Tiefurt im Jahre 1775" behandelt. Der Kunst-
kritiker ist nicht auf Rosen gebettet, am wenigsten dann,
wenn er zugleich ausübender Künstler ist. Die Antikritik
hat dann ein ebenso kurzes wie schlagendes Wort, das vom
„Bessermachen" zur Hand, wesckes sie dem Kritiker sofort
in's Gesicht schleudert. Ob mit Recht, ist freilich eine an-
dere Frage, die schwerlich zu bejahen ist. Nach meiner
Anschauung hat man kein Recht, den Künstler mit dem
Kritiker zusammenzuwerfen und ihn in seiner ersteren
Eigenschaft fühlen zu lassen, daß er vielleicht in seiner
zweiten stärker ist als in jener. *) Die Gesellschaft,
die wir, nach dieser Abschweifung im Garten zu Tiefurt
einkehrend, beisammen finden, ist die beste von der Welt.
Außer dem ersten Helden unsers Bildes sehen wir seinen
jugendlichen Freund und Gönner, Herzog Karl August,
die Herzoginnen Amalie und Louise, Wieland, Einsiedl,
Prinz Konstantin, Frau von Stein, Musäus und das
Fräulein von Göchhausen. Wieland hat seinen Stuhl in
die nächste Nähe der fürstlichen Damen gerückt und liest
ihnen aus einem Buche vor. Die Aufmerksamkeit der
Gesellschaft wird jedoch in diesem Augenblick durch den
Herzog Karl August abgelenkt, der, Goethe an der Hand
führend, über eine Stufe herabschreitet und ihn eben vor-
zustellen scheint. Es handelt sich also um einen rein cere-
moniellen Akt, der zu wenig höheres Interesse bietet, als
daß er länger fesseln könnte. Goethe kommt so ex abrupto,
so wie herein geschneit, daß die hohe Gesellschaft sich noch
gar nicht recht klar sein kann, wie sie sich ihm gegenüber
verhalten soll. Am übelsten kommt Wieland dabei weg,
der plötzlich völlig bei Seite geschoben wird. Aber auch
Goethe's Situation scheint nicht die allerangenehmste.
Ich sage scheint, denn wie wir alle Goethe kennen, war
er Keiner von denen, die sich so leicht aus der Fassung
bringen ließen, am wenigsten durch eine Vorstellung bei
Damen. Gleichwohl hat der Pechtische Goethe etwas Be-
fangenes, das sich hinter einem gewissen geschraubten Wesen
zu verstecken sucht. Das geniale Element, welches den
jugendlichen Dichter charakterisirte, ist auch nicht annährend
angedeutet. Auch Karl August hat etwas Gesuchtes, Un-
wahres, das an ihm doppelt auffallen muß, da er, wie
man zu sagen pflegt, bei sich zu Hause ist. — Daß bei

*) Es ist natürlich seitens der Künstler ein sehr wohlfeiler
Einwand gegen die Kritik, daß der Kritiker, welcher es besser
wessen will, auch besser zu machen verstehen müßte, um seine
Berechtigung auf das Urtheil zu dokumentiren. Als ob nicht
„Wissen" und „Können" etwas ganz Verschiedenes wären,
ja als ob beide nicht einander in gewisser Beziehung ausschlössen.
Die Quelle, aus denen das produktive Talent entspringt, ist erne
andere als die der philosophischen Reflexion. Muß man noth-
wendiger Weise Schauspieler sein, um zu beurtheilen, ob eine Rolle
schlecht oder gut dargestellt ist? Ohnehin ist es eine bekannte
Erfahrung, daß Künstler, die über ihr eigenes Fach gut zu re-
flektiren verstehen und sich beispielsweise deshalb vortrefflich zu
Lehrern eignen, in demselben Berhältniß an produktiver Ur-
sprünglichkeit Mangel leiden. Wilhelm Schadow ist für das
Eine, Lessing und alle wahrhaften Künstlernaturen für das
Andere ein Beispiel. Bemerkung der Redaction.
 
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