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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 9.1864

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https://doi.org/10.11588/diglit.13518#0060

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Grade das umgekehrte Verhältniß zwischen Stoff und
Form, zwischen Motiv und Behandlung findet in dem
Bilde von Spangenberg statt. Wenn Petrarka in
einem Briefe die romantische Sitte schildert, daß in Köln
am Johannisabend die Jungfrauen der Stadt, mit Blumen
beladen, hinausziehen an den Rhein, um sie als eine Art
Opfer für den die blühenden Fluren der Ufer nährenden
Flußgott in den Strom zu streuen, so erregt die bloße
Mittheilung dieser hübschen, wohl noch dem Heidenthum
entstammenden Sitte ein Gefühl heiterer, jugendlicher Fröh-
lichkeit und Lebensfrische, deren Gepräge sich auch in dem
Werke des Künstlers ausdrücken müßte, welcher dies Motiv
behandeln wollte. Spangenberg, der ein specielles
Talent für den Ausdruck des Geheimnißvollen, Gespenstigen
besitzt — wir erinnern an seinen „Rattenfänger von Ha-
meln", seine „Blocksbergscene aus dem Faust" u. a. m. —
vermag jene im Motiv liegende Heiterkeit nicht wiederzu-
geben; er saßt es vielmehr als einen feierlich-religiösen
Akt auf, so daß seine „kölner Jungfrauen" uns als eine
Art Prvcession vorgeführt werden, die in Rücksicht auf
Ernst der Haltung und Feierlichkeit des Wesens ebenso
gut, ja besser in eine Kirche gehörten. Darin nun liegt
— so dünkt uns — im Sinne des Künstlers das Ge-
heimnißvolle, wenn man will das Ergreifende, daß diese
feierliche Procession eben nicht in einer Kirche vor sich geht,
sondern am sonnigen Ufer des Flusses, und daß es keine
ascelischen Mönche in grauen Kutten, mit Gebetbüchern
in den Händen, sondern jugendliche weibliche Gestalten in
bunten Kleidern mit Blumen in den Händen sind, welche
den Akt vollziehen. Dieser Gegensatz soll frappiren, und
er frappirt in der That, aber als Widerspruch der Un-
wahrheit. Nicht daß er dies Motiv so behandelte, machen
wir ihm zum Vorwurf, denn er kann nicht anders, sondern
daß er für seine specielle Neigung zum Phantastischen ein
solches Motiv wählte, das durchaus nicht dafür geeignet
isi, und es durch Hineinzwängen in jene ihm unädquate
Form vergewaltigte.

„Originalität" — das ijt nun so das Stichwort, mit
dem heutiutage arger Mißbrauch getrieben wird. Originell
sein ist sehr leicht; es gehört dazu weiter nichts, als vom
Hergebrachten abzuweichen. Wenn in diesem „Hergebrach-
ten" aber zufälliger Weise gesunder Menschenverstand und
innerliche Wahrheit liegt, so ist das Abweichen davon eben
ein Abweichen vom gesunden Menschenverstand und von
der Wahrheit. Nicht darin liegt der Grund wahrhaft
großer Wirkungen und dichterischer Effekte, daß sie vom
Hergebrachten abweichen, sondern daß sie sich über das
Hergebrachte hinaus zu einer höhereu, reineren Wahrheit
erheben. Wir verkennen keineswegs die eniinente Be-
gabung Span genberg's, ebensowenig sein bedeutendes

Talent für Malerei, das sich namentlich in einem ganz
ungewöhnlichen Gefühl für das edle und starke Kolorit
hervorthut. Dies hat er in diesem wunderlichen Bilde
auf's Neue und in höherem Maaße wie sonst bethätigt,
aber wir halten nichts destoweniger dies Bild als solches
— als Kunstwerk — für verfehlt, weil der ideelle Inhalt
des Motivs mit der besonderen Art der Behandlung einen
schreienden Widerspruch bilden.

Rosenfelder's „Betende am Sarge Heinrichs IV."
tritt zwar weder mit dem Anspruch technischer Bravour
wie das Bild von Heydens noch mit dem geheimniß-
voller Originalität in der Behandlung des Motivs wie
das Spang enberg's auf, besitzt aber von beiden, was
man auch sonst darüber sagen mag, in unfern Augen einen
großen Vorzug — eben den der Anspruchslosigkeit.
Der Künstler hat schlicht und ohne Prätension sich die
Situation innerlich zu veranschaulichen und äußerlich mit
Sorgfalt und einer großen Sicherheit in der Bewältigung
des koloristischen Materials wiederzugeben versucht. So
packt zwar das Bild nicht durch Unerwartes, aber es be-
friedigt durch Gewährung des Erwarteten. Mit Ausnahme
einer einzigen Figur, der knienden jungen Dame, welche
die zwischen den andern Figuren herrschenden Harmonie
etwas stört, gehen alle übrigen vortrefflich zusamnien; und
wenn auch in dem Typus der meisten Figuren eine ge-
wisse Neigung zu abstrakter Jdealisirung, wir meinen zu
materieller Verschönerung, sich kund giebt, so wird dieselbe
doch nicht als Mangel an Realität empfunden, da die
kräftige und gediegene Farbenstimmung des Ganzen sich
weit über die etwas nüchterne Technik der alten Düssel-
dorfer Schule erhebt. Auch herrscht eine der Situation
angemessene Stimmung in dem Bilde. Im klebrigen hal-
ten wir das Motiv im historischen Sinne für kein dank-
bares, und zwar nicht nur des in demselben liegenden
Mangels an dramatischer Actiou halber, sondern auch der
Unmöglichkeit wegen, dasselbe in der Darstellung anders
als durch einen beschreibenden Text verständlich zu machen.
Denn wer soll, falls er nicht darüber äußerlich belehrt
wird, auf den Gedanken kommen, daß in dem Sarge ein
todter Kaiser liegt, und gar, daß dieser Kaiser gerade Hein-
rich IV. ist. Das Motiv ist nun schon öfter behandelt
worden, außer von Rosenselder noch von Lessing
und Schwedler. Aber Keiner von diesen Dreien hat
diese Schwierigkeit überwunden und überwinden können,
weil es eben eine objektive ist. Wenn übrigens das
Lessing'sche Bild, namentlich durch die landschaftliche
Zuthat (auf Kosten der figürlichen Komposition) am meisten
Stimmung besaß, so verdient das R o senfel d er'sche in
Betreff der feinen koloristischen Behandlung den Preis.

(Fortsetzung folgt.)

Kunstgeschichte und Antiquitäten.

Heißt der Maler des Dombildes Lochner oder Lothner?

Seit vor etwa vierzig Jahren zuerst Dr. Fr. Böhmer
in einem anonymen Artikel des Cotta'schen Kunstblattes
das von Dürer angeführte Altarbild in der kölner Raths-
kapelle dem kölner Maler Meister Stephan vindicirt hat,
gilt dieser Stepban bei allen Kunsthistorikern als der
Meister des angeführten, jetzt unter dem Namen Dom-

bild bekannten Kunstwerkes. Es ist wohl nicht zu bezwei-
feln, daß der von Dürer namhaft gemachte Meister
Stephan mit dem in Schreinsbüchern, Rathsherren - Ver-
zeichnissen, Kopienbüchern und andern Urkunden vorkom-
menden Maler Stephan Lochner eine und dieselbe Person
ist. Der Familienname Lochner ist in den Schreinsbüchern
 
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