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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 9.1864

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https://doi.org/10.11588/diglit.13518#0180

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Eigenschaften ruht. Meist wird eine solche Behandlung
des Thiermotivs eine humoristische Wendung nehmen.
Denn schon die Verwendung des Thiers selbst zu diesem
Zweck — statt der direkten Schilderung der menschlichen
Natur in menschlicher Form — verleiht der Darstellung,
selbst wenn es sich um ein ernstes Motiv handelt, an
sich eine humoristische Färbung. Die Affen z. B. haben
nicht an sich, sondern nur weil sie in ihren Bewegungen,
im Ausdruck ihres Gesichts u. s. s. so sehr an den Men-
schen erinnern, etwas Komisches für uns, wie man sie
denn auch mit Recht die Karrikatur des Menschen ge-
nannt hat. Als Illustrations-Beispiel geben wir eine sehr
ergötzliche Darstellung des jungen Meyerheim, welche
eine „Affengruppe" darstellt, die in das Studium des
gedruckten Plakats vertieft ist, welcke ihre auf den Abend
festgesetzte Theater-Vorstellung ankündigt.

Allein zwischen dieser Darstellung des Thiermotivs
und der entschiedenen Thiersymbolik ist doch noch ein
weiter Schritt. Das Thier wird auch in dieser höheren
Auffassung des Thiergenres durchaus innerhalb der Gren-
zen seiner Natur gehalten; Nichts wird demselben hinzu-
gethan, was ihm als Thier fremd wäre. Die darin ent-
haltene Beziehung auf den Menschen und seine Welt ist
durchaus eine innerliche, keine formell ausgedrückte. Die
darin liegende Ironie, der Humor überhaupt, welcher
daraus spricht, ist ein objektiver, unbefangener, darf nicht
als Tendenz, als beabsichtigte Wirkung zum Bewußtsein
kommen. Es wäre seitens des Künstlers, welcher ein
solches Motiv behandelte, ein großer Fehler, wenn er,
sei es in der äußern Umgebung sei es in der Bewegung
des Thiers, eine Andeutung von Symbolisirung machen
wollte. Nichtsdestoweniger kann die Beziehung auf einen
menschlichen Vorgang für den Beschauer deutlich genug
sein. Wir erinnern beispielsweise an die bekannte „Scene
im Vorzimmer" von dem in diesem Genre überhaupt
fruchtbaren und erfinderischen Steffeck. Es sind zwei
Hunde, ein Wachtelhündchen und ein Windspiel, welche
auf höchst graziöse Weise in einer Art zärtlicher Konver-
sation begriffen sind, indem das Wachtelhündchen an dem
Windspiel emporspringt, während dieses mit einer koket-
ten Kopfbewegung sich nach ihm umblickt. Auf dem
Tische liegt ein Stock und ein Herrenhandschuh, und die
halbgeöffnete Thür des andern Zimmers läßt errathen,
daß eine ähnliche Scene zwischen dem Herrn des Wind-
spiels und der Herrin des Wachtelhündchens vorgeht.
Diese „Vermuthung" ist aber durch kein weiteres äußer-
liches Merkmal angedeutet, und gerade darin liegt der
poetisch-humoristische Reiz der Komposition. Die Hunde
selbst sind in ihrem Spiel durchaus unbefangen, gänzlich
Hunde: das Weitere ist nur eine künstlerische Perspektive,
welche für den Beschauer lediglich als poetische Möglich-
keit vorhanden ist.

Sobald nun diese „latente" Symbolik als beabsich-
tigte Wirkung zur Geltung kommt, treten wir aus dem
Thiergenre heraus in das Gebiet der eingestandenen Thier-
Symbolik.

4. Die Thiersymbolik ist nun die vierte Stufe
der Thierdarstellung. Hier wird das Thier nicht mehr
als Zweck, sondern als Mittel der künstlerischen Wirkung

behandelt und demzufolge auch seiner eigentlichen unbe-
fangenen Thierwirklichkeit entkleidet. Hier handelt es sich
ausgesprochener Maaßen nurum menschliche Vorgänge, für
deren humoristische Schilderung das Thier als bloße Pa-
rabel benutzt wird: das Thier wird zur Maske mensch-
lichen Denkens und Fühlens verwandt. Das ganze Reich
der Fabel, in welcher das Thier die Hauptrolle spielt,
um darunter eine indirekte Moral zur Anschauung zu
bringen, gehört hierher. Das Fabelthier fühlt, denkt
und spricht, wie ein Mensch, wenn es auch in der bild-
lichen Komposition den Thiertypus beibehält. Aber diese
Gattung gehört — eben weil es dabei auf die gesprochene
Moral aukommt — eigentlich nicht in das Gebiet der
bildenden Kunst, sondern in das der Poesie. Ein solches
Thierbild kann im günstigsten Sinne nur Illustration sein,
und zwar meist eine sehr dürftige Illustration, weil die
eigentliche künstlerische Pointe eine wortpoetische ist, die
sich durch die bloße Situation nicht wiedergeben läßt.
Es verhält sich damit geradeso, wie mit den Illustrationen
zu Theaterstücken, welche wenig mehr als die äußerliche
Dekoration, die Kostüme und einen Gestus der betref-
fenden Personen darstellen können und ohne Kenntniß der
in der Dichtung enthaltenen Entwicklung der Action doch
unverständlich bleiben.

Aber es giebt noch eine andere, für die bildende Kunst
sehr dankbare Thiersymbolik, welche der Wortpoesie
nicht unmittelbar bedarf, um verständlich zu sein; wir
meinen die Gattung derselben, welche Kaulbach in seinem
„Reineke Fuchs" und besonders in seinem Kinderfries im
Treppenhause des neuen Museums zur Darstellung ge-
bracht hat. In diesem Genre ist Kaulbach original und
unerreicht. Hätte er sich auf diese Symbolik beschränkt,
statt sie auch auf die menschliche Figur zu übertragen, so
würde er manchen Fehlgriff vermieden haben. Die man-
nigfaltige Zusammenstellung von Thier- und Kindergestal-
ten in Verbindung mit den die einzelnen Gruppen tren-
nenden Arabesken, welche die Hauptphasen der mensch-
lichen Kulturentwicklung von Anfang der Geschichte bis
auf die neueste Zeit darstellen, gehört zu dem Reizendsten
und Geistvollsten, was in dieser Art je geschaffen wurde.

Was aber das Thier als Motiv für diese Symbolik
betrifft, so wird es natürlich seines eigentlichen Charak-
ters beraubt und auch in seiner Physiognomik nur so
weit konservirt, als diese zu einem Hebel für die humoristische,
resp. karrikaturartige Wirkung zu benutzen ist. Hier sind
wir nun an der Grenze angelangt, bis zu welcher das
Thiermotiv für die Kunst brauchbar ist, und es bleibt uns
nur noch eine Bemerkung über den Zusammenhang
zwischen dem Inhalt der verschiedenen Stufen mit den
für jede passendsten Darstellungsmitteln übrig.

Wir beschränken uns, um uns nicht zu weit auszudehnen
aus die Bemerkung, daß unter den von uns geschilderten
Stufen nur die drei ersten mal bar sind, die vierte, die Stufe
der Thiersymbolik, dagegen nur für die graphische Illu-
stration oder höchstens für die Darstellung von grau in
Gran geeignet ist; wie denn auch Kaulbach seinen „Kin-
derfries" im Neuen Museum in wohl verstandener Wür-
digung seines symbolischen Charakters in der letzteren
Weise ausgeführt hat. Unsere Behauptung gründet sich
 
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