Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Eggers, Friedrich [Editor]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 9.1858

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.1202#0051
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
34

len mochten, der ihnen bis zum Erlöschen eigen war; er
berief ihn sonntäglich zu sich, gab ihm Aufgaben und freute
sich ihrer Lösung, ließ es auch an gelegentlicher Belohnung
nicht fehlen. Im Schlosse aber hatte dieser Gelegenheit,-
Manches von edler Kunst zu sehen. Die Kopie einer anti-
ken Apollostatue, die Marmorbüsten Friedrichs des Großen
und Goethe's von Trippel, die letztere ein Werk, welches
mit der Behandlungsweise des 18. Jahrhunderts schon den
vollen Zauber geistig idealer Beseelung verbindet, fesselten
ihn lebhaft. Der Drang, Bildhauer zu werden, sprach sich
aus, und der Vater gab ihn, schon 1790, zu dem „Hof-
bildhauer" Friedrich Valentin in die Lehre.
Hier gab es freilich nur handwerkliche Uebung. Da
es dem Lehrer an bedeutenderen Aufträgen fehlte, so schlug
dieser, bald nach Rauchs Eintritt, seine Werkstatt der Er-
sparung halber aus einem benachbarten Dorfe auf, und der
kleine Kunstjünger hatte den weiten Weg dahin täglich
viermal zurückzulegen. Verzierungen in Stein und Holz an
Grabmonumenten und Bilderrahmen, nach Kupferstichen und
vorhandenen Zeichnungen, machten die Anfänge der künst-
lerischen Beschäftigung aus, während die Erzählungen des
Lehrers, der früher in London gearbeitet hatte, von den
prachtvollen Monumenten der Westminsterkirche und von
den Abgüssen antiker Sculptur die Sehnsucht nach dem Hö-
heren wach hielten. 1795 war die Lehrzeit um, und Rauch
durfte nach Cassel gehen, zu dem Hofbildhauer Professor-
Ludwig Ruhl, wo sich ein eigentlich künstlerischer Betrieb
austhat, wo in Thon modellirt, auf der Akademie nach dem
lebenden Modell studirt und dem eifrigen Schüler bald die
silberne akademische Medaille zu Theil ward. Aber schon
ein Jahr nach Rauchs Übersiedelung nach Cassel starb sein
Vater, und er war genöthigt, selbst für seinen Unterhalt zu
sorgen; er übernahm Dekorationsarbeiten in Holz und Sand-
stein und schnitzte u. A. die Hirschköpfe für den Saal der
Löwenburg auf Wilhelmshöhe. Und nach der kurzen Frist
eines neuen halben Jahres, im I. 1797, starb ein älterer
Bruder, der mit treuer Liebe dem Bildungsgänge des jun-
gen Künstlers gefolgt war und Manches zu seiner Förde-
rung gethan hatte. Mit diesem Ereigniß brachen die ersten
schon gestörten Studienjahre vorzeitig ab.
Der Bruder war Hofgärtner in königlich preußischem
Dienst und seit Kurzem Kastellan von Sanssouei gewesen.
Dorthin begab sich Rauch, die kleine Nachlassenschaft für
die Mutter zu ordnen. Der König, Friedrich Wilhelm II.,
hatte eine persönliche Theilnahme für seinen Diener gehabt
und trug diese auf den jüngeren Bruder, den er sich vor-
stellen ließ, über. Der mächtige Geheime Kämmerier, Rietz,
besprach mit ihm seine Lebensaufgabe; Rauch wollte um
Alles seinem künstlerischen Berufe treu bleiben; aber jener
stellte ihm das Gefahrvolle solcher Bahn beim Mangel
aller nöthigen Mittel, stellte ihm die günstige Möglichkeit,
für den Lebensabend der Mutter ausreichend sorgen zu
können, wenn er in den persönlichen Dienst des Königs
eintrete, so überzeugend dar, daß Rauch nachgeben mußte.
Er nahm diese dienstliche Stellung an. Es braucht wohl
kaum bemerkt zu werden, daß es nur sehr empfehlende per-
sönliche Eigenschaften sein konnten, welche den fremden jungen
Mann, wider seinen Willen, in ein solches Verhältnis; zogen.

Im Sommer desselben Jahres ging Friedrich Wil-
helm II. zur Kur nach Pyrmont; Rauch, mit den dortigen
Lokalitäten genau bekannt, wurde vorausgeschickt, die Ein-
richtungen zur Aufnahme des Monarchen zu treffen. Nach
der Rückkehr, am 16. Nov. 1797, starb der letztere. Im
Drange seines künstlerischen Berufes bat Rauch jetzt den
neuen Herrscher, Friedrich Wilhelm III., um seine Entlas-
sung. Aber es scheint, daß das, was ihn in jenen Dienst
geführt, auch stark genug war, ihn vorerst darin festzuhal-
ten; sein Gesuch wurde nicht genehmigt, doch gab man ihm
gern alle mögliche Freiheit, seinen künstlerischen Studien
obzuliegen und die Mittel, welche die Berliner Akademie
darbot, zu benutzen. Freilich galt hier der junge königliche
Diener als künstlerischer Dilettant und entbehrte damit der
eigentlich praktischen Unterweisung eines erfahrenen Meisters;
es sei ihm immer fühlbar geblieben, bemerkt er in seinen
Notizblättern. Sein erneutes Studium mußte somit mehr
ein autodidaktisches sein und allen Beschwernissen eines sol-
chen unterliegen; aber der Vortheil, daß es ihn gleichzeitig
vor aller bequemen Aneignung der durch einen Meister schon
ausgeprägten Darstellungs- und Behandlungsweise, daß es
ihn vor aller Manier bewahrte, während er um so emsiger
nach den Weisen und den Gründen der Erscheinung und
nach den Mitteln zu ihrer Wiedergabe forschen mußte, war
ohne Zweifel ein wesentlich größerer. Im Uebrigen fehlte
es nicht an mannigfach lebhafter Anregung. Die Ausfüh-
rung historischer Monumentalseulpturen in Marmor, für den
Wilhelmsplatz zu Berlin, war bereits unter Friedrich dem
Großen begonnen; der Statue Schwerins von Adam, in
einer Art französisch-antiken Opernkostüms, dabei jedoch in
der meisterlichen Durchbildung einer kühnen und schwierigen
Bewegung, der roheren gleichfalls antikisirenden Statue Win-
terfelds von den Gebrüdern Nänz waren die Statuen von
Seidlitz und von Keith gefolgt, welche der Flamänder
Tassaert gefertigt hatte, einfach und ohne alle idealisirende
Zuthat im Kostüme ihrer Zeit, obwohl noch in etwas dekla-
matorischer Haltung; und so eben war die Statue Zieten's
von Schadow vollendet worden, ein Werk ähnlicher Rich-
tung, aber in einer Auffassung von noch freierer, noch un-
gleich ächterer und mehr in sich beschlossener Naivetät. Dies
frische Erfassen der natürlichen Erscheinung, von allen den
Conventionen frei, welche die Kunst des Rococo zum Gesetz
gemacht hatte, konnte des lebhaften Eindruckes, wie auf alle
Zeitgenossen, so auch auf das jugendlich künstlerische Ge-
müth unmöglich verfehlen. Zugleich ward ernsthaften wis-
senschaftlichen Studien obgelegen. Hiezu hatte sich ein Kreis
gleichgesinnter junger Künstler vereinigt. Mit. Begeisterung
wurden die eben erschienenen Propyläen Goethe's gelesen und
ihre Hinweisung auf das hohe Maß und die hohe Idealität
der klassischen Kunst in Herz und Seele ausgenommen. Mit
gleicher Begeisterung empfing der junge Kreis die neuen
Schiller'schen Dichtungen, welche dasselbe Gesetz lauterster
Idealität verkündeten.
Hiemit lagen die beiden Grundelemente des künstleri-
schen Schaffens, wie sie der Geist der Neuzeit forderte,
schon in bestimmt ausgesprochener Weise vor. Einerseits
ein kühner Naturalismus, welcher der Selbständigkeit des
Individuellen ihr volles Recht gab, — schon durchaus in

-
 
Annotationen