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Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 9.1858

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https://doi.org/10.11588/diglit.1202#0085
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68

Schmuck. Zur eigentlich glanzvollen Thätigkeit entfaltet sich
die byzantinische Emailmalerei vom neunten Jahrhundert
ab: Neben den reichen Arbeiten, die für den einheimischen
Prachtbedarf gefertigt werden, entwickelt sich eine lebhafte
Industrie für den Handel. Der Occident wird von dort
aus mit kostbaren Arbeiten versehen; kleine Goldtäfelchen
mit sauberen Emailbildern, nach dem Occident herüberge-
führt, werden zur Ausstattung von Prachtgeräthen, mit
Edelsteinen und Perlen abwechselnd, gern verwandt. Man-
ches der Art hat sich auf unsre Zeit erhalten. Das Haupt-
werk byzantinischer Emailmalerei, von dem wir eine An-
schauung besitzen, gehört ebenfalls diesen, für die occiden-
talischen Lande gefertigten Arbeiten an. Es ist die be-
rühmte Pala d'oro zu Venedig, der Schmuck des Haupt-
altares der dortigen Kirche S. Marco. Längere Zeit im
Schatze von S. Marco aufbewahrt, ist die Pala seit 1847
in erneuter Herstellung wieder über dem Altäre befindlich.
Sie mißt 10 Fuß 6V2 Zoll in der Breite, 6 Fuß 5^ Zoll
Ln der Höhe und besteht im Ganzen aus 83 Emailbildern
auf Gold von zum Theil ansehnlicher, zum Theil geringer
Dimension, einzelne Gestalten und figurenreiche Scenen
heiliger Geschichte darstellend; aus den Rahmenstücken zwi-
schen den Bildern zählt man 1339 edle Steine und mehr
als 1200 Perlen. Hr. Labarte hat diesem Werke eine ein-
gehende Untersuchung gewidmet und die Geschichte desselben
aus seiner Beschaffenheit, seinen Inschriften und den son-
stigen historischen Nachrichten festzustellen gesucht; das Re-
sultat, zu dem er gelangt, in einigem Widerspruch mit den
Ansichten italienischer Forscher, erscheint völlig überzeugend.
Schon der erste Blick auf die Pala läßt erkennen, daß die
Anordnung, in welcher sich ihre Bildtafeln befinden, nicht
die ursprüngliche ist, daß mit ihr vielmehr in verschiedenen
Zeiten Umänderungen vorgenommen sind. Wir entnehmen
aus der Darlegung des Vers., daß sie ursprünglich, aus
einer geringeren Zahl von Bildtafeln bestehend, das Ante-
pendium war, welches die Vorderseite des Altars bekleidete,
und daß sie in solcher Weise gegen den Schluß des zehnten
Jahrhunderts durch den Dogen Orseolo I. in Constantino-
pel beschafft war; daß im Jahre 1105 der Doge Ordelafo
Faliero daraus, unter Hinzufügung der übrigen Bildtafeln
(gleichfalls byzantinischer Herkunft), einen Aufsatz über
dem Altar machen ließ; daß sie 1209 unter dem Dogen
Ziani und abermals 1345 unter dem Dogen Andrea Dan-
dolo hergestellt wurde, und daß dieser letzteren Herstellung
die gegenwärtige architektonische Anordnung des Ganzen und
namentlich die zierliche Umrahmung desselben aus ciselirtem
And vergoldetem Silber angehört.
Die byzantinische Emailmalerei zeigt durchweg, bis
auf die allerseltenste, vielleicht auf occidentalischer Rückwir-
kung beruhende Ausnahme, das Verfahren der Linaux
eloisoluieo. Einige Nachfolge scheint dasselbe im Occident,
zunächst in Italien, gefunden zu haben; doch sind die An-
deutungen darüber gering. Hr. Labarte gedenkt des Abtes
Desiderius von Monte Casino, der im 11. Jahrhundert für.
den Altar seiner Kirche wiederum, gleich dem venetianischen
Dogen, Emaillen in Constantionopel anfertigen ließ und
der sodann für die Bedürfnisse seines Klosters eine förmliche
künstlerische Schule einrichtete. Aus dieser seien voraussetz-

lich auch italienische Emailmaler hervorgegangen. Ein be-
sonderes Zeugniß liegt für diesen Punkt indeß nicht vor.
Nur daß der Presbyter Theophilus die Thätigkeit der Tos-
kaner in dem Kunstzweige des Electrum rühmt, giebt, wie
es scheint, einen Beleg für italienische Nachahmung der
. byzantinischen Technik.
Der Gegensatz der letzteren, wie schon bemerkt, besteht
in dem Verfahren der Lmaux ellamxl6V68. Dasselbe er-
scheint ebenso entschieden occidentalischen Ursprungs, wie
jenes dem Orient angehört. Hier kommt die bekannte
Stelle des Philostrat (im dritten Jahrhundert n. Ehr.) in
Betracht: daß die am Ocean wohnenden Barbaren das Erz
am Zaumzeug ihrer Pferde mit aufgeschmolzenen Farben,
welche wie Stein erhärteten, zu schmücken pflegten. Die
Aeußerung kann füglich nur von den Kelten verstanden wer-
den; die Richtigkeit dieser Annahme wird von dem Verf.
noch aus einer andern Stelle desselben Autors bestätigt.
Eine Anzahl gallischen Schmuckgeräthes, Fibeln u. dgl., im
Antikenkabinet der Pariser Bibliothek, im Louvre, im Mu-
seum von Poitiers, dient zur unmittelbaren Veranschau-
lichung der angeführten Stelle. Das Metall ist zur Auf-
nahme der Schmelzfarben, mit erhaben stehenden Rändern,
vertieft, die Arbeit in schon zum Theil eigenthümlich künst-
licher Weise ausgeführt. Ein ansehnliches ehernes Henkel-
gefäß, welches in England, zu Bartlow in der Grafschaft
Essex, gefunden wurde und neuerlich durch einen Brand
untergegangen ist, hatte dieselbe, sehr reizvoll durchgeführte
Ausstattung, deren Beschaffenheit ebenso wie die Umstände
des Fundes mit Bestimmtheit auf die heidnische Epoche zu-
rückdeuteten. Freilich scheinen sich die Spuren dieser Kunst-
übung bald zu verlieren. Es ist nichts weiter an schriftlicher
Angabe über sie vorhanden, und die erhaltenen Arbeiten
aus den frühern Jahrhunderten des Mittelalters, die für
eine fortgesetzte Uebung der Technik in Betracht kommen
dürften, sind äußerst geringfügig. Es werden zwei Ringe
aus der Zeit des neunten Jahrhunderts, beide ebenfalls
England angehörig, genannt; einer, im britischen Museum,
mit dem Namen des Ethelwulf, Königs von Wessex (gest.
857) und ein zweiter mit dem Namen Ahlstan, welchen
man auf den Bischof dieses Namens von Sherborne (817—
67) deutet. Wiederum beträchtlich später ist ein dritter,
mit leichten Streifen von blauer Emaille verzierter Ring,
der in Frankreich, im -Grabe des Bischofes Gerhard von
Limoges (gest. 1022), gesunden wurde.
Hr. Labarte glaubt daher auch von derartig vermitteln-
den Uebergängen zwischen der alten keltischen Kunsttechnik
und der der occidentalisch-christlichen Emailarbeit ganz ab-
sehen zu müssen. Trotz ihrer von der byzantinischen Technik
so wesentlich verschiedenen Beschaffenheit läßt er die letztere
doch unter byzantinischer Einwirkung entstehen. Er knüpft
zu diesem Behuf an ein Ereigniß deutscher Geschichte, —
an die Vermählung Otto's II. mit der griechischen Prin-
zessin Theophania an; die Kaiserin habe griechische Künstler,
und somit auch Emailarbeiter, an ihren Hof berufen, und
Werke von diesen, die eine weitere Nachfolge gefunden hät-
ten, seien noch vorhanden. In diesen Ausführungen geht
der geschätzte Verfasser ohne Zweifel indeß erheblich zu weit.
Wenn man früher auch bei uns jene Verbindung der beiden
 
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