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Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 9.1858

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https://doi.org/10.11588/diglit.1202#0086
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Kaiserhäuser als ein für die Kunstgeschichte entscheidend
wichtiges Ereigniß aufzufassen liebte, so ist neuerlich das
Willkürliche solcher Ansicht zur Genüge nachgewiesen; ich
beziehe mich in diesem Betracht nur aus Schnaase's über-
zeugende Darstellung (Geschichte der bildenden Künste, IV,
Abthl. II, S. 367). Ganz ohne Einwirkung wird jenes
Vorkommniß freilich nicht gewesen sein; die byzantinische
Fürstin wird allerlei byzantinischen Kunstschmuck mitgebracht,
auch vielleicht die Neigung für dergleichen befördert haben;
die Voraussetzung principieller Maßnahmen, z. B. der
Gründung von Pflanzschulen griechischer Künstler, bestätigt
sich durch Nichts. Ein mit Emaillen geschmücktes Pracht-
kreuz im Münsterschatze von Essen, welches der Vers, zur
Bestätigung seiner Ansicht als Stiftung der Kaiserin an-
führt, rührt nicht von ihr, sondern, wie aus der Inschrift
am Rande hervorgeht von ihrer Enkelin,, der Aebtissin.
Theophania, die bald nach der Mitte des 11. Jahrhunderts
starb, her; auch tragen die aufgehefteten Emaillen hier
völlig den Charakter einer Handelsware, deren Ursprung
möglicherweise -in weiter Ferne gesucht werden darf. Es
sind Stücke mit verschiedenartig ornamenüstischen Darstel-
lungen, zum Theil in einer Form und Fassung, die auf
eine ursprüngliche Bestimmung für ganz andre Zwecke, im
Einzelnen namentlich sür eine Dekoration von Bogenglie-
dern, mit Bestimmtheit hindeutet. Diese Arbeit ist also
nicht geeignet, zur Feststellung der fraglichen Untersuchung
einen sichern Beitrag zu liefern.
Für die deutsche Schule jener Byzantiner, für die Nach-
ahmung byzantinischer Emailtechnik durch deutsche Hände
sührt Hr. Labarte sodann andre Beispiele (immer noch von
der Gattung der I^maux e1oi8onno8) an, die sich gegen-
wärtig in der Bibliothek zu München, in der Prachtaus-
stattung dortiger Handschriften, befinden. Das eine ist der
Deckel eines aus dem Domschatze von Bamberg herstam-
menden Buches, der mit einer auf Kaiser Heinrich II.
(1002—24) bezüglichen Inschrift versehen ist; er hat ein
figurenreiches Elfenbeinrelief und umher einen breiten Gold-
rand mit kleinen Emaillen, Steinen und Perlen. Zwölf
der Emaillen, das Brustbild Christi und die von elf Aposteln
darstellend, sind bestimmt byzantinische Arbeit, von zierlich
feiner Behandlung; vier andre, Rundstücke mit den Sym-
bolen der Evangelisten, zeigen das byzantinische Verfahren
in etwas derberer Fassung und zugleich etwas grellere Far-
bentöne. Diese hält der Verf. für deutsche Arbeit. Noch
entschiedener glaubt er die letztere in zwei, ebenfalls run-
den Emailstücken erkennen zu dürfen, die auf dem Pracht-
deckel der Kiste befindlich sind, welche das Evangeüarium
aus Kloster Niedermünster in Regensburg (aus etwas jünge-
rer Zeit) einschließt: Bilder Christi und der Maria, das
* Der Gewährsmann, dem Hr. Labarte, leider ohne eigne An-
schauung, folgt, hat die Inschrift unrichtig angegeben. Anderweitige
Notizen über jenes Kreuz und über die weiter unten zu erwähnenden
Stücke des Münsterschatzes von Essen finden sich im „Organ für christ-
liche Kunst", II, Nr. 2 f. Umfassendere Mittheiluugen und vollständige
bildliche Darstellungen wird demnächst der zweite Theil der „Kunstdenk-
mäler des christlichen Mittelalters in den Rheinlanden, herausgegeben
von Ernst aus'm Weerth" bringen. Ich schreibe nach Ansicht der hiezu
gefertigten Zeichnungen, welche Hr. E. aus'm Weerth mir mitzutheilen
die Güte hatte.


! len des Buchdeckels zunächst nur der Unterschied zweier
Werkstätten kund giebt, so deutet die lateinische Inschrift
bei den andern allerdings auf einen außer-byzantinischen
Ursprung. Die Annahme aber, daß dies ein deutscher war,
ist damit noch nicht bestätigt.
Jndeß liegen in der That für eine Übertragung der
byzantinischen Technik nach Deutschland einige undre Zeug-
nisse vor, welche Hru. Labarte unbekannt geblieben sind.
Sie bestehen in der Ausstattung einiger andrer Prachtkreuze
des Müusterschatzes von Essen. Das eine von diesen hat
am Fuße ein Emailtäfelchen, mit der Darstellung einer
weiblichen Gestalt, die von einer männlichen einen Kreuzstab
(ohne Zweifel den Stab, dessen Krönung eben dieses Pracht-
kreu; ausmacht), empfängt, jene inschriftlich als „^Inliüülck
J.dda(ti88a)", diese als „Otto. Dux" bezeichnet. Das
zweite hat, außer sehr zierlichen ornamenüstischen Email-
stücken, ein etwas größeres Täfelchen mit Darstellung der
thronenden Maria, zu deren Füßen gleichfalls die „^lallüülck
J.d1>Lr(ti88a)" kniet. Die Persönlichkeit dieser Aebtissin
Mathilde ist nicht ganz leicht zu bestimmen; die alten Ver-
zeichnisse der Aebtissinnen von Essen * haben Mehrere des
Namens in den Zeiten des 10 —13. Jahrhunderts. Doch
scheint es, daß für den vorliegenden Fall nur Zwei mit
Sicherheit in Frage kommen können: eine Verwandte Kaiser
Otto's III. zu Ende des 10. Jahrhunderts und eine Dame
aus bayrischem Herzogsgeschlecht in der Spätzeit des 11.
'Jahrhunderts. Ich glaube, daß die letztere gemeint ist.
Mich leitet hiebei zunächst der Vergleich ihrer beiden Kreuze
mit dem der Theophania. Während das letztere noch mit
zufällig zusammengelesenen Emaillen geschmückt erscheint,
sind die ihrigen mit Emaillen versehen, welche bestimmt für
diesen Zweck gefertigt sind, somit jedenfalls ein festes, im
Jnlande geübtes Kunstverfahren erkennen lassen. Es ist,
wenn nicht geradezu unmöglich, so doch wenig wahrscheinlich,
daß Theophania ein solches Verfahren, wenn es schon vor
ihrer Zeit Hebung und Pflege fand, für ihren Zweck nicht
auch sollte benutzt haben; es ist somit zu vermuthen, daß
sie jener Mathilde vorangegangen war. Sodann kommt
noch eine andre Arbeit des Münsterschatzes von Essen in
Betracht, welche den Namen der „Nallüülä J.dI>aÜ88a"
trägt: ein großer siebenarmiger Leuchter von weiland ver-
goldetem Erz, dessen Stamm und Arme mit großen, reich
ornamentirten Buckeln versehen sind, während die Lichtteller
von ähnlich ornamentirten Flachkapitälen getragen werden,
auch die Zwischentheile des Schaftes leichte Ornament-
streifen haben. Ich finde hier einen Styl, den ich etwa
! nur der späteren Zeit des 11.. oder der früheren Zeit des
12. Jahrhunderts zuzuschreiben wüßte; es ist, zumal in deu
größeren Ornamentstücken, eine strenge und feine Klassicität,
verbunden mit der Aufnahme arabischer Blattbildungen, wie
dergleichen eben nur in jener Epoche auftaucht, als das
Endresultat der naiv klassischen Bestrebungen, die im Ein-
zelnen das 11. Jahrhundert durchwalten, als das Ergebniß
der ersten Hinneigung zu orientalischen Motiven, die schwer-
lich früher nachweisbar ist, und von dem phantastisch con-
* Vergl. u. A. die Geschichte des Fürstenthums und der Stadt
Essen, von vr. F. PH. Funcke.

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