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Eggers, Friedrich [Editor]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 9.1858

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https://doi.org/10.11588/diglit.1202#0118
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reichem Kapital; von den 3 Reihen der freistehenden Pfei-
ler enthält die mittlere, der beschriebenen Anlage der Ab-
siden gemäß, einen Pfeiler mehr (nämlich 5, während die
beiden andern Reihen 4 Pfeiler zählen), welcher zwischen
den beiden Abschlüssen der Seitenschiffe zu stehen kommt.
Die Kirche soll von Hirsch Vogel erbaut oder wenigstens
entworfen sein. Ihre Einweihung wird nämlich ins Jahr
«lg- 2. 1502 gesetzt; Hirschvogels Grab, das


sich in ihr befindet, trägt aber die
Jahreszahl 1475. — Im Jahre 1729
sind die ursprünglich stark gestochenen
Gewölbe verflacht worden, um in der
Mitte derselben große Flächen zu
Freskogemälden zu gewinnen, die
leider den hierdurch bewirkten Aus-
fall an architektonischer Schönheit
nicht wieder gedeckt haben. — Die
Fenster zeigen reiches spätgothisches
Maßwerk; die Faeade hat den Mit-
telschiffen entsprechend zwei Hauptpor-
tale, übrigens aber nur eiue einfache Gliederung durch drei

Strebepfeiler, deren mittlerer etwas höher geführt ist, als
die seitlichen; der Giebel der Faeade springt zackig über
die Dachseiten hervor und hat auf seinen Absätzen übereck
aufgesetzte schornsteinartige Zinnen. — Eine zweite kleinere
Kirche in Schwaz, im Inneren einschiffig mit Netzgewölbe,
dessen Rippen auf Consolen ruhen, zeigt am Glockenthurin
eine geringe Modification des üblichen Zeltdaches, das sich
bis zu einer Glockenzelle zunächst vierseitig über schmalere Gie-
bel erhebt und erst durch die Glockenzelle ins schlanke Achteck
übergeleitet wird.

>

Das größte Prachtstück spätgothischer Art ist aber die
-aus dunklem Sandstein solid aufgeführte Pfarrkirche in
B o tz e n. Im Innern tritt die Ueberladung und selbst Ent-

,>iF. 3. 4.



artnng der spätgothischen Dekorationen noch zurück hinter
den einfachen, schönen und schlanken Verhältnissen der drei
gleichhohen Schiffe; je 5 schlanke Sandsteinpfeiler, deren
quadratischer Grundriß durch eingesetzte Dreiviertelsäulen
variirt ist, stützen die Kreuzgewölbe, von denen die beiden
den Seitenschiffen zunächst liegenden Gewölbfelder des Um-
gangs niedriger liegen, als die Gewölbe des Seitenschiffes
und des übrigen Umgangs, aber durch das üppige Maß-
werk der Fenster bricht auch der äußere Prunk bereits ins

Innere herein. Reiche verschiedenartig ersonnene Fisch-
blasen-Muster walten vor, an den Wimpergen der Portale
findet sich gleich reiche und nüchterne Ueberladung durch
Krabben und Fialen, außerdem aber auch noch die Aus-
schweifung des spätromanischen Stils, welche Löwen, oder
die symbolischen Thiergestalten der Evangelisten oder schlecht-
weg Thiere und Unthiere zu Basen freistehender Säulen an
den Portalen macht (wie an 8. (Uaeonio in Bologna, an
!^ta. Nai-iu in3Ag1or6 in Toscanella, am Dom zu Trient).
Bei letzterem dienen solche Säulen zu Stützen eines über
dem Portal giebelartig vorspringenden Daches, das somit
eine Art Vorhalle bildet, welche Form an der Botzener
Pfarrkirche nachgeahmt ist. Die Summe spätgothischen
Prunks ist im Glockenthurm vereinigt, der sich hinter das
nördliche Seitenschiff in der Weise anlehnt, daß seine eine
Seite in der Linie der Umfassungsmauer liegt, während die
drei andern aus dem schrägen Kirchendache hervorsteigen,
dessen Bedachungsmaterial durch grüne, weiße und schwarze
Färbung ein rautenförmiges Muster hat. Die Strebepfei-
ler an den Ecken der äußern Seite des Thurmes setzen beim
v . '
F'g. 5.


Beginn des Daches über einer zwischen ihnen liegenden
Gallerte mit zierlichen Fialen ab, begleiten aber noch das
nächste Geschoß in verjüngter Form, an dessen Ende sie
wieder mit Fialen abschließen; dann folgen zwei Geschosse
von rein quadratischer Grundfläche; im dem oberen beginnt
die sich, immer reicher entwickelnde Dekoration bereits in
dem üppigen Maßwerk der großen Spitzbogenfenster, die die
vier Mauerflächen durchbrechen. Der quadratische Bau
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