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Eggers, Friedrich [Editor]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 9.1858

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https://doi.org/10.11588/diglit.1202#0155
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130

Bewunderung zu schenken, so stellte er schließlich doch das
Urtheil des Professors Hetsch als maßgebend für seine Ein-
willigung in die Künstlerlaufbahn hin. Es war ihm nicht
genug, daß der Sohn ihn mit den schönsten Landschaften
überraschte, von denen die erste noch heute vorhanden ist.
Sie ist in mancher Hinsicht kindlich, namentlich was die
beiden Figuren darin angeht, aber der Baumschlag zeigt
doch eine wunderbar dreiste und frische Hand. Auf der
Rückseite hat der kleine Künstler sie mit ^0. 1. pinxit Im.
1789 bezeichnet, welches anzudeuten scheint, daß er noch
eine große Folge im Sinne hatte. Aber der Vater begehrte
ein förmliches Probestück. Der ehrwürdige Alte zog seinen
Sonntagsrock an und verlangte, daß der Sohn ihn, wie
er dasitze, porträtiren solle. Eingedenk dessen, was es galt,
nahm dieser alle Kraft zusammen und lieferte ein Bildniß,
welches nicht nur das günstigste Urtheil des Schiedsrichters
hervorrief, sondern noch heute im Stande ist (es befindet
sich im Besitz des Sohnes Julius Schick in Stuttgart) die
größte Bewunderung zu erwecken. Es ist ganz das Bild
eines rechtlichen schlichten Bürgersmannes, mit einem runden
. freundlichen Gesicht, das Haar fällt glatt herunter; aus dem
grüuen Rock schaut das gefaltete Jabot hervor. Die Farbe
ist gesund und natürlich, die Formen voll Leben; man kann
nicht begreifen, daß dies die Arbeit eines 15jährigen Kna-
ben ist, der nur sich selber zum Lehrmeister hatte.
Er kam also in die Lehre zu Hetsch. Aus einem Bilde,
welches die Eifersucht der Procris darstellt und welches er
schon im zweiten Jahre seiner Lehrzeit uralte, kann man
schon bedeutende Fortschritte in der Technik und zugleich
große Begabung für den Ausdruck seiner Ideen wahrnehmen.
Procris liegt getroffen auf einer Erderhöhung. Kephalus —
zu dem ihm sein älterer Bruder zum Modell diente — beugt
sich auf sie nieder. Er würde die Anordnung später ästhe-
tisch befriedigender gemacht haben, schwerlich aber, wenn er-
ste hier nicht so durchaus natürlich gemacht hätte. Ein
innigerer Verkehr als der mit seinem Lehrmeister, verband
ihn mit Tannecker, den er in Liebe verehrte und unter dessen
Leitung er sich auch im Modelliren übte; ihn betrachtete
er als seinen eigentlichen Lehrer, ihm dankte er nach seinem
eigenen Geständniß Alles, was er in der Kunst habe und
wisse.
Mit dem 19. Jahre war seine Lehrzeit zu Ende, und
er eilte seinem Bruder Gottlob nach, der sich in Paris auf-
hielt, welches dazumal unter Davids glänzender Entfaltung
als die hohe Schule für die Maler galt. Es ist bekannt,
wie David den Geist des klassischen Alterthums wieder her-
auszubeschwören versuchte; aber er war mehr Römer als
Grieche. Nicht nur war er rhetorisch wie sie und ließ den
Verstand mitreden, auch darin glich er ihnen, daß er sich
im Streit befand mit dem bisher Gültigen; er war Er-
oberer, wie es auch der später von ihm gefeierte Napoleon
war. Das Deklamatorische, das Theatralische in seiner
Darstellungsweise begegnete der tiefsten Abneigung in der
Seele des deutschen Künstlers, ohne daß daraus mehr als
ein passiver Widerstand erwuchs. Jung, wie er war, wie
hätte er, was kaum mehr als ein dunkles Gefühl war, ge-
gen eine herrschende Meinung, gegen die Geister, die er sich
überlegen glaubte, ja gegen die blendenden Vorzüge der Schule

geltend machen sollen? Vielmehr that er sich bisweilen Ge-
^ Walt an, die französische Manier anzunehmen, ohne daß es
: gelang. Auch unterschätzte David das Talent des Deutschen
keineswegs; er zeichnete ihn aus und bedauerte, daß er den
Preis für Rom nicht bekam, womit ihm jedoch nach seinem
eigenen Ausspruche kein Unrecht geschehen. — Ueberhaupt
war er in dem schönen Paris heiter genug und ließ sich
den Zwiespalt mit der Schule nicht allzu nahe treten. Der
gute Glaube an seinen eignen Genius sprach sich nicht in
Opposition, sondern in der Form harmloser Zuversicht aus.
So erinnert er sich später noch an eine gegen seinen Bru-
der dazumal geäußerte Prophezeihung, daß er noch einmal
reich und berühmt werden und alsdann in einer Equipage
fahren wolle. Einmal gerieth er durch seine Gutmüthigkeit
in Mangel, da er einem vermeintlichen Freunde seine ganze
Baarschaft borgte, womit dieser durchging. Weit entfernt
aber, den Vater um Hülfe anzugehn, verdingte er sich ent-
schlossen bei einem Dosenmaler und ersetzte auf diese Weise
seinen Verlust.^
Aus seiner Pariser Zeit kennen wir ein lebensgroßes
nacktes Frauenbild, durch welches er die Eitelkeit des weib-
! liehen Geschlechts personifizirte. Offenbar kam es ihm darauf
! an, eine weibliche Actfigur in anmuthig bewegter Stellung
> wiederzugeben; und sein künstlerischer Sinn machte ein Bild
daraus. Man sieht die Eva an dem Saum eines klaren
^ Wässerchens. Im Begriff, hindurchzuschreiten, erblickt sie ihr
! Ebenbild im Wasserspiegel und halt in froher Ueberraschung
inne, das blonde Haar an der einen Seite zurückstreichend.
Sie' verräth damit ebenso sehr die Lust am ungestörten
Schauen, als dadurch die Neigung zum Putz aufkeimt, selbst
ohne noch weitere Mittel zu haben, als die der eigene
Körper darbietet. — Hinter ihr entgleitet ihre Feindin, die
i Schlange; auf dem Baume aber spreizt sich ein Pfau.
Im Jahre 1802 kehrte Schick nach Stuttgart zurück.
Seine Arbeiten erregten Aufmerksamkeit, und vorzüglich war
es wieder Dannecker, welcher sich lebhaft für die weitere
Ausbildung des jungen Malers interessirte. Ein Jahrgeld
des Herzogs, ein Contract mit Cotta, dem er gegen eine
bestimmte jährliche Summe eine Anzahl von Zeichnungen
für seine Taschenbücher zu liefern hatte, und das eigne kleine
Vermögen setzten ihn in den Stand, Nom zu besuchen, und
nach sechsmonatlichem Aufenthalt ging er noch im Herbst
desselben Jahres dahin ab.
Die Natur und die Kunst Italiens wirkten gleich groß-
artig und reifend auf die Künstlernatur Schicks. Er konnte
sich nicht satt sehen und freuen an allem Herrlichen und
Schönen, das er alles .als sein betrachtete, da er ver-
stand, es zu seinem geistigen Eigenthum umzuprägen. Das
volle Bewußtsein, zu denen zu gehören, für welche hohe
Kunstwerke erschaffen wurden, pflegt die Freude an den-
selben zu steigern, und empfänglich, wie diese Künstlerseele
war, slutheten in ihr alle Stimmungen, welche Rom, über
welchem der Inhalt der Ewigkeit liegt, hervorzubringen ver-
mag. Hypochondrische Schwermuth und übersprudelnde Lu-
stigkeit troffen ihm wechselsweise von dem Himmel Italiens,
dessen kleinster und gemeinster Stern ihm lichter däuchte,
als der Abendstcrn des deutschen Himmels. — Er betrieb
den Besuch der Museen, Gallerien und Loggien so eifrig,
 
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