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Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 9.1858

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https://doi.org/10.11588/diglit.1202#0156
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181

daß er alles Andre darüber versäumte. Vor Raphael über-
gießt es ihn heiß, er will schnell nach Hause und über Hals
und Kopf malen oder den Pinsel auf ewig von sich werfen.
Wie die Natur, so entzücken ihn die Menschen; ersieht nur
Junonen, Minerven, Venusse; ihm ist nichts begreiflicher,
als wie Raphael so schöne Köpfe hat malen können. —
Später freilich meint er, man sollte das italienische Volk
aus dem herrlichsten Lande vertreiben, um es zum Wohn-
platz der Guten aus allen Völkern zu machen. „Wenn mir
mein Leben nur so lange gefristet wird, als ich diese Erde
so schön finde," äußerte er, „wenn ich auch nicht eher in
eine bessere Welt müßte, als bis ich diese irdische häßlich
fände! ich wollte es lange in dieser irdischen aushalten."
Das Haus Wilhelms von Humboldt, der preußischer
Ministerresident in Rom war, bildete damals den Mittel-
punkt für eine gewählte Gesellschaft von allem, was Kunst
und Wissenschaft an Notabilitäten aufzuweisen hatte. Tie
gültigste Empsehlungskarte in den Humboldt'schen Cirkel war
das Talent. Es verstand sich von selbst, daß Schick,
schon als der Beginn seines ersten größeren Bildes die ;
Aufmerksamkeit auf ihn lenkte, in jenen Kreis eintrat. Bald
gehörte er mit zur Familie, wurde allabendlich erwartet und
freundlich gescholten, wenn er einmal ausblieb. So in die
große Welt eingeführt, legte er bald seine Schüchternheit
ab, konversirte mit Leichtigkeit in drei Sprachen und ver-
stand mit Anmuth auf die heitere Weise des Herzogs von
Mecklenburg-Strelitz (Bruder der Königin Louise von Preu- i
ßen) einzugehen, so daß er von diesem Prinzen mit bevor- !
zugender Freundlichkeit behandelt wurde. Desto weniger
zog ihn der Kreis der deutschen Maler an; er verkehrte nur
mit Joseph Koch, dessen Talent er bewunderte. — Hielten
ihn die glänzenden Gesellschaften nicht, so saß er lieber in den
wenigen Mußestunden, die er sich gönnte, bei einem Buche
daheim. Er las alle römischen Klassiker, um sich aus dem
Boden, wo er lebte, heimisch zu machen.
Außerdem aber hatte er das echte Erbtheil des Genies,
den Fleiß, mitgebracht, und mit ihm war er unzertrennlich
von seinen Studien und Arbeiten. Je schnellere Fortschritte
er machte — und er machte sie wahrhaft sprungweise —

desto höher steckte sein Ehrgeiz das Ziel, und wenn er sich
sagen mußte, daß er frühere Arbeiten übertroffen habe, wenn
das Urtheil Anderer ihm das bestätigte und er dann hin-
ausblickte in den wundervollen südlichen Sonnenschein, so
gab es Augenblicke, wo er nach seinem eignen Geständniß
vor Freuden laut aufschrie und sich so stark und muthig
fühlte, daß er sich Unmöglichkeiten wünschte, um sie hin-
wegzuräumen.
Ob er nun gleich in Rom wie an einem Hose lebte
und die Ausbeute nicht unterschätzte, welche ihm für seinen
Geist die große Welt zu bieten vermochte, so müßte er nicht
der empfindungsvolle Künstler gewesen fein, wenn diese sein
Her; hätte befriedigen können und wenn dieses nicht gleich-
wohl solcher Befriedigung dringend bedurft hätte. Bis nun
die stunde schlug, wo der Liebesfrühling seines Lebens
een Anfang nahm, war es seine Familie, waren es seine
Geschwister, bei denen sein Herz mit aller Liebebedürftigkeit
une allem Liebesreichthum wurzelte.
Co. ist etwas Herrliches um dieses Familiengefühl, wer

es recht pflegt und wirksam macht. Im kleineren Kreise
bildet es den echten Menschen aus, der sich als Glied und
Theil eines Ganzen weiß und der den Blick auf das All-
gemeine gerichtet hält. Es ist sehr verkehrt, zu glauben,
daß das künstlerische Schaffen und das Familienleben feind-
liche Pole sind, daß das erstere gleichsam ein Höheres und
Erhabeneres sei, welches nicht durch das letztere dürfte ge-
hemmt und gehalten werden. Wir sagen dies, weil man
so oft von Künstlern die Familie gegen die Kunst herabsetzen
hört. Ihnen ist gerade Gottlieb Schick ein Beispiel, wie
die Kunst bei demjenigen gedeiht, der einen starken sittlichen
Halt in der Familie hat und Pflegt. Schick's inneres Leben
spiegelt sich in fortgesetzten Briefen an die Geschwister wie
in einer Herzens- und Seelenbeichte ab. Als er den ersten
Brief aus der Heimath im Ente Ai-eoo empfing, hüpfte und
sprang er vor Freuden und konnte ihn fast nicht öffnen. Er
aß erst zu Mittag, um kälter zu werden, dann ging er nach
Hause und legte sich auf's Bette, um ihn zu lesen. Bald
aber sprang er wieder auf und eilte vor's Thor, um in der
schönen Natur diesen Moment zu einer wahren Seligkeit zu
steigern, und weinte fast vor Wuth, als er sähe, daß der
Hauptinhalt des Packets beigeschlossene Briefe für Andere
waren, und er die innere Seite des Couverts unbeschrieben
fand, was bei ihm niemals vorkommt. Nie kann er genug
Briefe empfangen. Zuerst erwartet er sie jede Woche, dann
alle 14 Tage, endlich erfleht er sie alle 3 Wochen; und da
auch hierin keine Regelmäßigkeit stattfindet, so bittet er in-
ständig, noch längere Fristen zu setzen, aber nur diese ein-
zuhalten. Er zählt über ein Jahr vorher in jedem Briefe
die Monate bis zu des Bruders Gottlob Zuhausekunst von
Paris, weil dann ein Briefschreiber mehr in die Familie
kommt; er fragt nach Allem, nach dem Geringsten im Hause,
nach jedem Hausthier, nach der Lerche, der Katze, der Sau,
nach der Magd und den Kindern. Dazwischen aber auch
nach den Aufführungen der Schiller'schen Stücke; und an
all' dies Eingehen in die Domestika reihen sich die treue-
sten Schilderungen seines inneren Lebens, seine Hoffnungen
und seine Wünsche, sein Zagen und sein Muth, reihen sich
die Berichte über seine Arbeiten Figur um Figur.
Schon im März 1803 begann er seinen „David vor-
dem erzürnten Saul," welches Bild er von vorne herein
für seinen Herzog aus Dankbarkeit für die gewährte Unter-
stützung bestimmt hatte. Er malte daran mit grenzenlosem
Fleiße bis in die sinkende Nacht und dann im Traume
noch fort. Bald kommt es ihm vor, als ob es besonders
gut werde, bald wieder, als ob er gar keine Fortschritte
mache: und so fühlte er sich glücklich-unglücklich. „Währte
nur das Leben eines Menschen wenigstens 300 Jahre —
ruft er aus — daß es sich auch der Mühe verlohnte, etwas
recht Großes zu erlernen; so mit dieser kurzen Zeit, da die
grauen Haare schon wachsen, ehe das A.B.C. wohl erlernt
ist, was ist da zu machen!"
Am 25. October war das Bild vollendet, und der Er-
folg desselben steigerte seinen Muth. Er nahm es als eine
gute Weissagung an, daß er sich von einer heftigen Unpäß-
lichkeit erholte, als er eben, während er unter heftigen
Schmerzen zu ersticken drohte, dem Gedanken Raum gab,
daß es besser sei zu sterben, als zu finden, daß sein künst-
 
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