Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 9.1858

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.1202#0183
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
158


andere mehr oder weniger reslaurirt, wie Schloß Rotten-
stein und Schloß Laders, welche zeitweilig Eigenthum
des Architekten Leo v. Klenze waren, und Schloß Rametz,-
welches mit Fresken von Schülern des Mailänder San
Quirico geschmückt ist. Die letztgenannten Schlösser sind
uns übrigens nicht durch eigne Besichtigung in unmittel-
barer Nähe bekannt; dagegen besuchten wir Schloß Leben-
berg, das in-neuester Zeit durch den jüngst verstorbenen,
in Tirol bekannten Schriftsteller und Dichter Lentner, der
sich aus einem erfolglosen politischen Treiben hierher zurück-
gezogen hatte, nicht ohne Geschick mit eigenthümlichen Fres-
ken in einigen Zimmern geziert ist. Es finden sich an den
Wänden Darstellungen, welche Bezug haben auf Leben und
Thaten des alten „Degenfuchs", (der wohl dem Geschlechte
der Edlen von Fuchs angehört hat, welche im 15. Jahr-
hundert Herrn dieses Schlosses waren), wie er mit Edel-
fräulein charmirt, oder mit dem „Finkenstein" zecht, oder
Händel mit dem Volk hat, oder als Gespenst umgeht. Das
Ganze ist humoristisch gehalten, ohne Carrikatur zu sein; in
Tracht und Gebahren ist altdeutsches Wesen vorgeführt; die
Ausführung ist in schwarzen Conturen, die mit lebhaften
ungebrochenen Grundfarben colorirt sind. Bezügliche In-
schriften in Versen sind überall angebracht. Ein kleineres,
oder eigentlich sehr kleines Zimmer mit Diminutiv- So-
pha, -Tisch und -Stühlen, das, im Thurmvorsprunge liegend,
nach allen Seiten die herrlichste Fernsicht gewährt, ist durch
Inschriften in gothischer Astumrahmung mit Wappenschilden
zum Lieblingszimmer Lentners gestempelt. Noah, Walter
von der Vogelweide, Aennchen von Tharau und Franz von
Sickingen, in ähnlicher Malweise wie die Darstellungen des
größeren Zimmers in der Umrahmung angebracht, geben
die Beziehungen an, welche dem malenden Dichter hier vor-
züglich Werth sein mochten.
Die Erwähnung dieser nicht gar so bedeutenden Schil-
derten aus jüngster Zeit mag auf die Frage lenken, ob
denn die Kunst der Gegenwart nicht gewichtigere Zeichen
ihres Daseins in Tirol gibt, oder ob nur die-aus dem Mit-
telalter überkommenen Denkmäler, namentlich der Architek-
tur, als Spuren jetzt vergangenen Kunstlebens übrig blie-
ben? — Für die Skulptur ist diese Frage bereits beant-
wortet, indem uns außer den Resten ältester Zeit eben ge-
rade die fortdauernde Kunstübung des alten Pandl
Aufmerksamkeit abgewann. Es sollte damit jedoch nicht ge-
sagt sein, daß sich zwischen diesen Endpunkten der Skulptur-
übung nichts Beachtenswertes fände, sondern wir wieder-
holen nur, daß dem flüchtig Reisenden erklärlicher Weise
das minder Augenfällige entgeht und wenn Architektur an
sich augenfälliger ist, als Skulptur, so blieb letztere unbe-
achtet, wo erstere Interesse darbot oder dem bloß Durch-
reisenden die letztere geradezu verhüllte. Wo diese Alter-
nativen einmal zufällig fehlten, als wir nämlich bei kurzer
Reiserast im Dorfe Pfunds im Oberinnthal in die sehr
kleine, alte Pfarrkirche eintraten, die schmucklos gothisch (mit
Zeltdachthurm, einschiffig mit spitzbogigem Sterngewölbe)
architektonisch nichts Bemerkenswertes darbot; da lenkte
der in frühem Barockstyl gebaute Hauptaltar die Aufmerk-
samkeit auf sich und zeigte holzgeschnitzte Reliefs in der
sinnigen Gesühlstiefe des Mittelalters componirt. Oben

links die Verkündigung, rechts Maria und Joseph im Gebet
beim neugebornen Kinde. Die Gewänder sind reich ver-
goldet oder blau und roth bemalt. Die unteren Felder
waren von der Anhäufung geweihter Kerzen und bunter
Papierblumen, diesem leidigen, nüchternen Kirchenschmuck,
der aus Italien eingewandert zu sein scheint, durchaus den
Augen unzugänglich. —
Jedoch um auf die Kunst der Gegenwart zurückzukom-
men, so hat gerade auch die Architektur sich in Tirol nicht
schläfrig und theilnahmlos bewiesen, sondern ist so ziemlich
die Straße mitgewandert, die im Allgemeinen von ihr in
Deutschland seit Beginn dieses Jahrhunderts eingeschlagen
wurde. — Das zuletztgenannte Dorf Pfunds hat eine
1821 in anspruchlosem Renaissancestil erbaute neue Pfarr-
kirche auszuweisen, die wir aber nur aus der Ferne erblick-
ten. Die ebenfalls nur im Vorbeifahren bemerkte Kirche
im Dorfe Mils, ebenfalls im Oberinnthal, verräth ihre
Jugend zunächst schon durch die Neuheit des Baumaterials;
dann aber auch in den Dekorationsformen, welche die mög-
lichste Vernüchterung gothischer Formen mit den einfachsten
Mitteln herzustellen wußte. Sie hat den üblichen, sehr
schlanken Zeltdachthurm, dessen spitzbogige Fenster, wie die
Fenster der Kirche selbst in ihrem Maßwerk die beregte Nüch-
ternheit zur Schau stellen. Der Giebel der Faeade ragt
zackig über das Satteldach hervor. —

Sig. 23. Sig. 24. Fig. 25.


Fenster im L>chiff.
Die 1822 im Marktflecken Imst (Oberinnthal) im
gothischen Styl mit schlanken: Zeltdachthurm erbaute neue
Pfarrkirche, sowie die 1853 nach einem zerstörenden Brande
im Dorfe Steinach, an der Brennerstraße, gebaute Kirche,
deren Fa^ade im obern Geschoß ganz unmotivirt byzantini-
flrt, erwähnen wir ebenfalls als nur flüchtig bemerkte Spu-
ren neuerer Thätigkeit im Gebiete der Architektur. Dagegen
können wir uns nicht versagen, die 1848' erbaute Kirche im
Dorfe Silz im Oberinnthal etwas genauer zu betrachten.
Ihr Baumeister, der Architekt Haase in Innsbruck, beweist
in diesem Werke, daß er mit Verständnis; und künstlerischer
Produktivität in die Entwickelung der neuesten Architektur
mit eingreist. Die nähere Beschreibung der Anlage wird
Nachweisen, wie Haase sowohl in den wesentlichen Zügen
des Gesamtplans, als auch in der Entwickelung der De-
tail-Compositionen ganz die nämliche Richtung eingeschlagen
hat, die sich in der noch unvollendeten katholischen Michaelis-
kirche in Berlin von Söller eine berechtigte Anerkennung
erworben hat. Die Kirche ist im romanischen Stile italie-
nischer Bauart errichtet. Es findet sich, diesem Stile nicht
fremd, die Bedeckung des Mittelschiffes durch unter dem
 
Annotationen