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Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 9.1858

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https://doi.org/10.11588/diglit.1202#0184
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159

Dache liegende Kuppeln (was also weder eine Neuerung
Söllers bei der genannten Michaeliskirche, wie Springer*
meint, noch überhaupt eine Neuerung ist; — wir erwähnen
als ähnliche Anlage z. B. 8. Lalvatore von Sparento und
Tullio Lombardo, 8. Naria Formosa von Bergamasco in
Venedig); die Sohle der Kuppel ist in der Höhe des Schei-
tels der sich von den Seitenschiffen ins Mittelschiff hinein-
öffnenden Tonnengewölbe. Das Mittelschiff setzt sich über
die gerade abschließenden Seitenschiffe hinaus fort und endet
in halbkreisförmiger Nische. Durch das gegenüberliegende
Hauptportal betritt man eine mit drei Kreuzgewölben ge-
deckte Vorhalle, von welcher drei Portale in die drei Schiffe
führen und zwar zunächst in einen innern Vorraum unter
einer Empore, die sich über die drei Schiffe erstreckt und
auf Rundbogenarkaden ruht, die durch die dünneren, zwischen
die Hauptpfeiler gestellten Pfeiler gebildet werden. Auf der
Empore liegt weiter zurück und wiederum etwas erhöht das
Orgelchor. Vor die Seiten der quadratischen Pfeiler sind

Fig. 20.


Grundplan.

Pilaster von polirtem rothem Marmor gelegt, auf hohen
Sockeln von grauem Marmor mit zierlichen weißen Blatt-
kapitälen. Das weitere reiche, aber nirgend überladene
architektonische Detail besteht in mannigfaltigen geometrisch-
figürlichen Compositionen in der Weise des gothischen De-
tailschmuckes nur mit dem Unterschiede, daß alle Formen
auf dem Rundbogen baflren und im Geiste des romanischen
Stils gedacht sind. Dies Detail zeigt sich an den schmuck-
vollen Portalen, wie im reichen Maßwerk der Rundbogen-
fenster; ferner im Innern an den fünf Altären, den reichen
Beichtstühlen, der Kanzel^ den Gallerten der Empore; am
Aeußern noch hauptsächlich an den Horizontal-Gliederungen
durch Friese und Gesimse, welche an der Fa^ade ein oberes
Geschoß, der inneren Empore entsprechend, abgrenzen und den
sich in der Mitte der Fa^ade erhebenden Thurm in mehrere
durch reiche Rundbogenfenster durchbrochene Geschosse glie-
* Springer: Geschichte der bildenden Künste im 19. Jahrhundert,
1858, S. 179.-

dern bis zum vierseitigen Helm, der sich über einer offnen
Glockenzelle zur achtseitigen Spitze fortsetzt. Alle vertikale Glie-
derung ist durch Lisenen bewirkt. Die Fa^ade ist übrigens
nicht zu ihrem Rechte gekommen (sie ist „verkünschtelt" sagte
nicht unbezeichnend der Silzer Gemeindebauer, dem wir die
faktischen Daten über dies Bauwerk verdanken), jedoch ohne
Schuld des Architekten, welcher zwei den Seitenschiffen ent-
sprechende Thürme und einen zwischenliegenden Giebel in-
tendirt hat, aber wegen vermutheter zu großer Kosten nicht
ausführen durfte. Der horizontale Abschluß der Faeade,
an sich in durchaus ansprechender und kräftiger Weise be-
wirkt, steht weder in harmonischer Beziehung zur recht-
winklich aus ihr hervorsteigenden Masse des Thurms, noch
zum Kirchengebäude. Man kann einer Dorfgemeinde, die,
wie es hier der Fall ist, ganz ausschließlich aus eignen
Mitteln ein künstlerisch bedeutendes Bauwerk stiftete und
mit einer edlen Pracht ausstattete, die Anerkennung nicht
versagen; aber gleichwohl bleibt es bedauerlich, wenn der
bauherrliche Einfluß dann zugleich unkünstlerische Erfolge
bedingte. Offenbar wird die Reprobation der ursprünglich
gebilligten Doppelthürme so spät erfolgt sein, daß schon tech-
nische Unmöglichkeit anderweitiger Aenderung die unkünst-
lerische Vollendung der Faeade zur Folge haben mußte. —
Der Architektur haben nun die Schwesterkünste bereit-
willige Hülfe geleistet beim Ausschmuck dieses Gotteshauses.
Die Skulptur erscheint freilich mehr als bloß dekorative in
den erwähnten ornamentistischen Holzschnitzereien der Altäre,
Kanzel, Beichtstühle und Gallerten, welche sammtlich nach
Zeichnungen des Architekten ausgeführt sind und bei denen,
wie auch anderweitig im Innern, die Vergoldung so weit
angebracht ist, daß der Eindruck einer soliden Pracht her-
vorgerufen wird.. Die Malerei dagegen empfängt uns schon
bevor wir das Heiligthum betreten, indem die Darstellung
Moses beim feurigen Busch al ti-eseo im Tympanon des
Hauptportals dem Nahenden bedeutungsvoll zu erkennen
gibt: „Ziehe deine Schuhe aus von deinen Füßen: denn
der Ort, da du auf stehest, ist ein heiliges Land." — Reicherer
Freskoschmuck wird sodann im Innern dargeboten in neu-
testamentlichen Bildern an den Seitenwänden des Chors
und in der Chornische, wo Christus unter den Zwölfen sei-
nen Stellvertreter in Petrus erwählt. In den nächsten
Kuppelzwickeln sind die vier Evangelisten, in den Zwickeln
der folgenden Kuppel vier Kirchenväter dargestellt und über
dem Orgelchor der große Psalmist mit der Harfe. — Alle
genannten Fresken sind von Arnold, Maler im Städtchen
Hall, ausgeführt und bilden rücksichtlich der Composition,
wie der Ausführung einen dem künstlerischen Werthe des
Gebäudes durchaus entsprechenden Schmuck desselben. Die
himmelblau gemalten, mit goldenen Sternen bedeckten Kup-
pelwölbuugen, die Fenster, deren zierliches Maßwerk bunt-
farbige Glasscheiben hält und vor deren Stabwerk hellfar-
bige Vorhänge angebracht sind mit Bildern von Heiligen,
grau in grau gemalt, bilden den Rest des Schmuckes, den
die Farbe dem Bauwerke darleihen sollte. Selbständig tritt
die Malerei noch in den fünf Altarblättern aus. Die drei
größeren auf dem Hauptaltar und den nächsten Seitenaltä-
ren sind von Hell weg er in Innsbruck. Ersteres zeigt
Maria auf Wolken von Heiligen umgeben, auf der Erde
 
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