Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 9.1858

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.1202#0255
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
230

Eine Anzahl Becher, Kelche und Geräthe haben vorzugsweise
ein historisches Interesse. Zu diesen gehört ein großer vergoldeter
Kelch mit Deckel, im Besitz der Stadt Vere, vom Jahre 1551.
Auf der Spitze des Deckels steht ein römischer Krieger, mit der
Rechten aus den Wappenschild der Stadt Vere gestützt. Auf dem
Deckel befindet sich in getriebener Arbeit der Uebergang des
Grafen van Buren mit seinem Heer über den Rhein. Im In-
nern desselben befindet sich das emaillirte Wappen des Grafen
van Egmond van Buren; um den Kelch eine betreffende Um-
schrift, sowie in getriebener Arbeit die Vereinigung des Heers
des Grafen v. Buren mit dem Carl's V. Der Fuß ist reich
mit Früchten, Arabesken, Adlern und Löwenköpfen verziert. Der
Becher ist abgebildet und beschrieben in dem Werke von A.
Andriessen „1rdiuIdi§iiiA van 2zm6 D. II. Billern Ilarol Hendrik
I'riso eto. al8 Nark§raak van Vere." —Das größte Silberstück
der ganzen Ausstellung ist ein kolossaler vergoldeter Becher, den
die Königin von Böhmen 1641 der Stadt Leyden schenkte, aus
Erkenntlichkeit für die ihr bewiesene Gastfreundschaft. Tritonen
und Nereiden, über ihnen Pan, bilden den Fuß; der Becher ist
mit eingeätzten Darstellungen verziert; der Deckel hat Medaillons
in ähnlicher Arbeit, sowie das Bildniß der Donatrix.
Eine vergoldete Waschkanne nebst Schüssel, im Besitze der
Stadt Amsterdam (1614), zeigt in getriebener und eingeätzter
Arbeit die merkwürdigsten Siege der Holländer über die Spanier.
(S. van der Kellen.) — Merkwürdig ist in dieser Hinsicht noch
ein silbernes Kesselchen mit Handhabe, maurischen Ursprungs,
welches vom Grafen Max v. Buren der Stadt Grave im Jahre
1576 geschenkt wurde; der Tradition nach erbeutete der Graf im
Dienste Kaiser Carl V. das Stück zu Tunis von den Sarazenen.
Der Raum dieser Blätter erlaubt es nicht, weiter auf die
Prunkgefäße und Geräthe, theils vom König und den Mitgliedern
der königlichen Familie oder andern reichen Privaten und Anti-
quitätenhändlern hergeliehen, einzugehen. Nur will ich noch des
vergoldeten Trinkgefäßes mit Deckel, im Besitze des Prinzen
Friedrich, erwähnen; es ist eine Arbeit des berühmten holländischen
Silberschmieds Paulus van Vianen. Im Deckel befindet sich die
Abbildung des Fürstbischofs Heinrich Julius von Halberstadt
nebst betr. Inschrift — auf dem Deckel Bacchus, Ceres und Amor.
Auf dem Gefäß (Lox) selbst Diana im Bade mit ihren Nymphen,
von Aktäon belauscht; am Fuß: 8. Oaes. Nti3 aur(arias) Sau-
lus de Viana, UltraseotenZis, Io. (1610). Die Arbeit ist vor-
trefflich und läßt italienische Einflüsse erkennen, ist jedoch weit
entfernt von dem reinen Geschmack eines Benv. Cellini, von dem
sich gleichfalls angeb!, eine kleine Arbeit, ein Kämmchen mit Henkel
und getriebener Kriegsscene verziert in edlem Renaissancestyl auf
der Ausstellung befindet.
Im Ganzen sind oiroa 370 Silberarbeiten mannigfachster Art
ausgestellt.
Denselben schließen sich die Gilde-, Ordens- und
Würdezeichen an, von denen besonders chie der Rederykers-
kammern von Hartem „de V^n§aardraiiÜ6ii" unv „Irouv^ moet
dicken" das Interesse erregen. Das Botezeichen dieser ersten
Kammer, bestehend aus einem grünsammtenen Bande, zeigt in
silbernen Lettern Len Spruch der Gesellschaft: läolda boven al;
an demselben hangen drei silberne Schilde; auf dem ersten steht:
1)662 Lamor 13 »68ti§t t6N bl06d dor k06216,
Door Laar1em8 0viiAli6id, 't laar Vzckdianlioiidoi'b dri6.
Dan» mo6t dit Lroodortal 2iZ 8tr6n§6l6n voor 't vnnkoii,
ckn 1/161(16 bov6n al al8 2uivr6 ^V^nAaardrankvn.
In 't laar 66Q dui26nd 26V6N 1iond6rt
Ln tv^66 6N dortig, 13 d662' Land
Ln 2i1v6r^6rk, ni6t8 nitA62ond6rt,
Vvrniound door'3 Uro6d.6r3 mild.6 Iiand.

Auf dem zweiten befindet sich das Wappen der Kammer, vor-
stellend Johannes den Täufer in einem brennenden Herzen, um
welches Weinranken eingegraben sind; oben der Spruch „IÜ6kd6
dov6n al" nebst den beiden Wappen der Stadt Hartem 1732.
Auf dem dritten die Weinranken und an beiden Seiten zwei
Medaillen, von denen die eine im Jahre 1765 durch H. Noozeboom,
die zweite durch Jan van Walrde im Jahre 1825 beim Wieder-
aufleben der Gesellschaft als von dem ersten neuen „Kaiser" der
Kammer geschenkt wurde. — Das Botezeichen der zweiten Rede-
rykerskammer zu Hartem „Irouv mo6t bl^kon" besteht aus
einem rothsammtnen Bandelier mit dem Motto und dem Pelikan
mit dem Wappen der Stadt; es sind 11 silberne Wappenschilde
daran befestigt. — Außer den auf hölzernen Tafeln gemalten
Wappenschildern dieser Gesellschaften sind noch 13 andere ähnliche
Tafeln mit den Wappen und Motto's von Nederykerkammern
aus Amsterdam, Leyden, Haag, Aetwaertswoude, Ketel, Vlaer-
dingen, Schiedam, Haestrecht, Gouda, Noordwyk, Katwyk aus der
Ausstellung, welche Kammern sämmtlich auf dem großen Redery-
kersfeste zu Hartem im Jahre 1606 erschienen waren.
Ich bin auf die Beschreibung dieser die Rederykerskammern
betreffenden Insignien näher eingegangen, weil diese Institute als
echt nationale für die Kunstzustände der Niederlande von hoher
Bedeutung waren und auch für die Zukunft beim Wiederaufblühen
derselben wieder zu werden versprechen, und kann füglich die
Insignien der andern Gilden aus den verschiedenen Hauptstädten
des Landes übergehen, die sich in ähnlicher Weise in andern
Ländern, wo das Gildewesen blühte, vorfinden dürften.
Auch Überschläge ich die Emaillen, geschnittenen Steine,
Perlmutterarbeiten und Bijouterien, unter denen zwar
viel Vortreffliches, aber das fast sämmtlich ausländischen Ursprungs
ist, und führe lediglich eine silberne Schnupftabaksdose aus dem
Ende des vorigen Jahrhunderts an, die Friedrich dem Großen
angehörte und sich jetzt im Besitze des Prinzen Friedrich befindet.
Die Dose, ganz mit Brillanten auf rothem Grunde besetzt, die
auf 30,000 Gulden geschätzt werden, lockt natürlich die Zuschauer
in größerer Anzahl, als irgend ein anderer Gegenstand der Aus-
stellung.
Die Kategorie der Webereien und Kleidungsstücke ist
besonders durch die vom Friesischen Alterthumskabinet eingesandten
altfriesischen Nationalkleidungsstücke und Hausgeräthe bemerkens-
werth. Um diese Nationaltrachten jedoch gehörig würdigen zu
können, wäre es nöthig gewesen, daß man einige Gliedermän-
ner damit bekleidet hätte. Diese Gegenstände wurden größten-
teils von dem friesischen Altertumsforscher Halbertsma dem ge-
nannten Museum geschenkt, und eine kleine beigelegte Schrift die-
ses Gelehrten — I^8t 66N6r L^draZo van liot Lri686li Oadinot
van 0nd1i6d6n — gibt dem Liebhaber dieser ethnographischen
Studien über das altfriesische Nationalkostüm, das sich in einzel-
nen Gegenden und Inseln, wie Hindelopen, noch bis auf den
heutigen Tag erhalten hat, eine höchst interessante Aufklärung und
Belehrung. Bekannt ist der noch jetzt allgemein übliche malerische
Kopfputz der Friesinnen, welche das Haar bis zur Wurzel ab-
schneiden und darüber ein eng anschließendes schwarzes Mützchen
tragen; über das Mützchen wird sodann das glänzende Ohrblech
(oor^26r) gesetzt, und über dieses die lang im Nacken nieder-
wallende faltenreiche Spitzenhaube, die den Kopf eng umschließt.
Der Prototypus dieser Kopfbekleidung war ursprünglich das „Sta-
vorsche Krepsel" (llot 8taiv?6r866 liaod), wie es noch jetzt auf
Hindelopen getragen wird. In früherer Zeit verschnitten nur die
Weiber der Unfreien ihr Haar; die Freien trugen über die Flech-
ten (Frisseln) ein leinenes Mützchen, über dieses eines von bunt-
gewirkter Leinewand — Lindoloxar bont — welches im Nacken
zugestrüppt wurde, und darüber kam der s. g. Zondoak— Sonn-
 
Annotationen