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Eggers, Friedrich [Editor]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 9.1858

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https://doi.org/10.11588/diglit.1202#0256
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tuch —, woraus allmälig die jetzige Haube entstand. Das Haar
der Mädchen wurde mit dem „Iiemkellnt" zu einer „Frissel"
durchflochten, welche spiralförmig auf dem Scheitel lag, nachdem
das Haar erst von unten auf mit einem Haarband —
noarlint." festgesetzt war. Dieses Band war von Seide, mit
Gold durchwirkt. Der „I'oarüoclitor", eine Art Stirnbinde, wurde
nur von den verheirateten Frauen getragen, die damit in feierlicher
Weise gleich nach der Trauung bekleidet wurden; auch war der
„Londons" der verheirateten Weiber aus einem Stück, bei den
Mädchen aus mehreren zusammengesetzt. Ein paar ausgestellte
friesische Bräutigamsstrumpfbänder tragen die eingewirkte Inschrift:
auf dem einen: 0 liand soet verdecken
Naatrt .41168 onäer Aemeen;
auf dem andern: Met8 als äe äoock en trän 8olleicl6n
ZIaatrt liarten äan toä een.
Von äußerst zierlicher Form sind die der altfriesischen Familie Inau-
treina angehörenden Lederschuhe und Pantoffel, welche mit den
hohen Absätzen, von schöner Hand geschwungen, eine gefährliche
häusliche Waffe abgaben. Auch die Nordholländischen Bauern
trugen Schuhe mit hohen Absätzen, wie ein ausgestelltes Exem-
plar darthut; diese Absätze (baktcen) hatten von innen eineOeff-
nung zur Bergung der Dukaten und Reichsthaler, und daher
rührt das noch jetzt übliche Sprüchwort: „liet viel veel
Om äe liakken." Ueber die innere Ausstattung und Einrichtung
der altfriesischen Wohnungen geben mehrere getreue, wenn auch
unbehülfliche Aquarellbilder eines friesischen Künstlers (Lap) er-
wünschte Auskunft. Eigentümlich und von nationaler Bedeu-
tung ist noch eine ausgestellte „Laterne ohne Licht": diese Laternen,
von Messing und zierlich geformt, wurden an dem Thürpfosten
des Hauses aufgehängt, wo. sich eine Leiche befand, und unter-
schieden sich in der Größe je nach dem Alter des Gestorbenen.
Die reformirten Holländer, welche allen Reliquienkultus aus
ihren Kirchen entfernt haben, halten darum nichtsdestoweniger
Gegenstände, welche ihren berühmten Männern angehörten, in
Ehren. So ist das Lederwamms, wie es die Männer trugen,
worin Hugo Grotius aus Löwenstein entkam und womit bekleidet
er von Gorcum nach Waalwyk reifete, nebst einer beglaubigenden
notariellen Urkunde in einem Glaskasten ausgestellt. — Ebenso
das Korsett (koElzck), welches den schönen Busen und das ge-
fühlvolle Herz der gefeierten Dichterin Maria Tesselschade
Visscher umschloß, sowie der Malerstock des Jan Steen, das
Tischtuch nebst 6 Servietten des de Ruiter, und eine Anzahl
Reliquien, eine Geldbörse, kalligraphische Uebungen und Proben
der Papierschneidekunst (irnlx^ork) der berühmten Anna Maria
Schuurmans. Ich darf jedoch über diese Reliquien einige andere,
die in das Uralterthum zurück datiren, nicht vergessen: es sind
dieses altfriesische und seeländische Schlittschuhe, von Thier-
schenkelknochen verfertigt; drei derselben wurden im Jahre 1848
bei Jrnsum in Friesland gefunden und damals in den Verhand-
lungen des friesischen Alterlhnmsvereins besprochen. Die Knochen
sind an den Enden durchbohrt und zeigen auf der unteren Fläche
die deutlichen Spuren ihres Gebrauchs. Nach Strutt (l'^nKloterro
ano.) band man im 12. Jahrh. hier zu Lande diese Knochen an
die Füße und bewegte sich so, mit einem spitzen Stock bewaffnet,
auf dem glatten Eise fort. —
Die Kategorie der Thon arbeiten zerfällt in folgende
Unterabtheilungen: a) Najolioa — I'aien^a —; b) Uoterio äeo
ll'ours — Lemarä und seine Schule —; e) Krüge und
Kannen, unverglaset; ä) sogen. Frau Jakoba-Kännchen; o) desgl.
überglaste; 1) Vickreeoines — braune Kannen mit breitem Bauch,
engem Hals und einem Ohr; am Halse ein Kopf mit langem
Bart; s) graue verglasete Schenkkannen mit Ohr; ll) Schenk-
kannen, blau und grau; L) Kannen mit erhabenen Darstellungen

um den Bauch; L) hohe Bierkannen, Hannaps — (Humpen);
1) überglaste Delfsche und andere Thonarbeiten. Manche sel-
tene und schöne Exemplare der einzelnen genannten Abtheilungen,
wie k und ä, wurden bei Trockenlegung des Harlemer Meeres
aufgefunden.
Im Ganzen waren ca. 250 dieser Thonarbeiten ausgestellt;
die trefflichen inländischen Arbeiten ließen den gänzlichen Verfall
dieses Industriezweiges bedauern.
Die Abteilung Hölzerne Möbel zerfällt in Bettstellen,
Schränke, Tische, Stühle, Fußwärmer (8tovon), Spiegel, Kistchen
mit Silber montirt.
Unter den Prunkschränken befindet sich einer, mit Schildkrot
aufgelegt und auf den Laden — Schiebfächern — mit Glas-
gemälden verziert, den der Admiral Tromp vom König von
Dänemark zum Geschenk erhielt.
Das Glaswerk hat die Unterabtheilungen: a) Venetiani-
sches; b) desgl. mit weißen Streifen — I^Uieinio ; o) Alt-
deutsches, größtentheils aus dem 16. und 17. Jahrhundert; ä)
Gravirte Venetianische und andere Gläser; o) Geschliffene Pokale
und Kelche; 1) gebrannte Fenstergläser, meist holländischen Ur-
sprungs, aber höchst unbedeutend und der hohen Stufe, worauf
dieser Kunstzweig hier zu Lande stand, nicht würdig. Die Glas-
bläserei und Schleiferei, mit Ausnahme der optischen Gläser, stand
hier nie auf hoher Stufe, und auch jetzt wird das Glaswerk zu-
meist aus Böhmen eingeführt. Die ausgestellte Sammlung,
namentlich des deutschen Glaswerks, ist jedoch ziemlich reichhaltig.
Nicht minder reichhaltig vertreten sind die Waffen, und
unter diesen eröffnen 12 ciselirte Waffenrüstungen, im Besitze
der Stadt Amsterdam, im 80jährigen Kriege von den Spaniern
erbeutet, den Neigen. Ich mache bei dieser Gelegenheit auf die
äußerst reiche und wohlerhaltene Waffensammlung der Stadt
Amsterdam, die im obersten Geschosse des Rathhauses unter Auf-
sicht des Stadtarchivars Scheltema bewahrt wird, aufmerksam.
Sie wird dem Liebhaber bereitwillig gezeigt; vielleicht werden die
Gegenstände jedoch zu sauber und blank gehalten, denn wie man
mit Recht bei allen Münzen und Metallarbeiten die aeruZo no-
dilw hochhält, wünscht man in gleicher Weise die alten Waffen
ohne gleißende Politur.— Außer den Münzen, Siegeln und
Urkunden, deren Besprechung zu weit führen würde, war dieses
Mal eine beträchtliche Anzahl von Manuskripten, Inkuna-
beln und sonstigen seltenen Druckwerken ausgestellt.
Von diesen ersteren will ich einige anführen, indem vielleicht
dadurch später befugten Kennern und Archäologen, die Holland
besuchen, Veranlassung zu näherer Untersuchung gegeben wird,
und folge dabei dem Katalog:
Lateinisches Evangelarium von 1200 mit illustrirten
Initialen und Nandverzierungen, und an vielen Stellen
Miniaturen von lebendigem Styl und tiefem Gefühl. Im
Besitze des Herrn L. Stokbroo in Hoorn.
Lateinisches Breviarium (Oetz-ckebook) in kl. 4. auf
Pergament, von 1359. Die Miniaturen, einen strengen
und edlen Styl verrathend, haben ab und zu gelitten, und
viele sind durch spätere Ueberarbeituug verdorben. Höchst
bemerkenswerth sind in diesem Manusc. die phantastischen
Figuren der Nandverzierungen, denen nicht unähnlich, welche
in der seltenen Bibel auf der Bibliothek zu Stuttgart Vor-
kommen. Im Besitze des Herrn Hekking zu Amsterdam.
Ein desgl. holländisches in kl. 4. aus Pergament, aus
dem 14. Jahrh. Mit goldenen Initialen und gefärbten
Majuskeln, sowie rothen und blauen, mit Grün aufgefärb-
ten Randverzierungen. Im Besitze des Kath. Pastors zu
Overveen.
Evangelarium in 8. auf Perg. von 1408, mit einfach ver-
 
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