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Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 9.1858

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https://doi.org/10.11588/diglit.1202#0275
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seinen Meister lobt, und dem eine ehrende Notiznahme um so
weniger vorenthalten werden darf, je weniger heutzutage die von
Robert angebahnte Gattung der Genremalerei schlagende Erfolge
oder auch nur allenfalls genügende Leistungen aufzuweisen hat. —

V. Amsterdam.
Ary Scheffer. — Historisches Gemälde von Schwartze. — Ausstellung von
Photographien. — Nembrandt's Wohnhaus.
Der unerwartete und plötzliche Tod Ary Scheffers, der
bekanntlich seiner Geburt nach Holländer war, hat hier in der
Heimath des Künstlers eine schmerzliche Sensation erregt. Es
dürfte nicht uninteressant sein, eben aus der Heimath des berühm-
ten Mannes etwas Näheres über seine Familie und erste Jugend
zu vernehmen. Der Vater Arh's, Johann Bernard Scheffer,
war ein Deutscher und wurde 1773 zu Kassel geboren; er war
ein Schüler einer der Tischbein's, wahrscheinlich des I. H. Tisch-
bein, der, 1722 zu Haina geboren, 1782 als Direktor der damals
berühmten Akademie zu Kassel starb. In welchem Jahre I. B.
Scheffer nach Holland kam, ist nicht genau zu bestimmen; wohl
aber, daß er im Jahre 1792, im Alter von 19 Jahren, in Dort-
recht lebte, wo er Cornelia Lamme, Tochter des Malers Ary
Lamme, kennen lernte, die er heirathete und die ihm 1795 zu
Dortrecht einen Sohn, unfern Ary Scheffer, gebar. Im Jahre
1803 ließ sich die Familie Scheffer in Amsterdam nieder, nach-
dem sie sich abwechselnd erst zu Rotterdam und dann im Haag
aufgehalten hatte. Henry Scheffer wurde als dritter Sohn 1798
geboren; von dem zweiten 1796 gebornen Sohne, der Literat
wurde, weiß man, daß er auf seiner literarischen Laufbahn mehr
Kummer als Ruhm einerntete; derselbe starb vor nicht langer
Zeit zu Paris.
Scheffer, der Vater, war keineswegs ein Künstler von un-
bedeutender Begabung, was seine Werke, denen man in Holland
begegnet, hinlänglich darthun. So befindet sich noch jetzt im
Besitze eines vornehmen Kunstliebhabers im Haag eine Charitas
von ihm, die er um 1800 malte und worin er seiner Gattin mit
seinen Kindern, die ihm als Modell dienten, ein Denkmal setzte.
Zu Rotterdam im sog. Koknoshofje — einer Stiftung — findet
man vier große Portraits von seiner Hand; zu seinen besten Ar-
beiten gehört auch ein Bildniß des Königs Louis Napoleon, der
den Künstler protegirte. Im Jahre 1808 betheiligte er sich bei
dem ausgeschriebenen Konkurse für Historienmalerei und errang
den Preis; die Aufgabe war „der Admiral Jacob Simonssohn
de Ryk, wie er seine Entlassung aus dem Kerker, die ihm die
Spanier anboten, weigert." Das Gemälde befindet sich noch
jetzt im Pavillon zu Hartem; leider starb der Künstler schon im
Jahre 1809, ohne seinen Triumph erfahren zu haben. Unter
seinen Nadirungen ist besonders eine bei den Sammlern sehr
beliebt: „Das Innere einer Bürgerwohnung mit einsallendem
Sonnenlicht, wo ein Mann beschäftigt ist, die Bibel zu lesen."
Auch seine Gattin Cornelia zeichnete sich als Miniaturmalerin
aus, auch sie hat radirt; als sie ihren Gatten verlor, richtete der
berühmte Bilderdyk ein Gedicht an sie: de ^Veäu^e 6.63
Lmn3t8elli1ä6r8 d. L. Lolleller, in llare dioeUreiä." Sie starb
zu Paris im Jahre 1839.
Auf die Söhne übte somit bei dem früh erfolgten Tode des
Baters die Mutter einen bedeutenden Einfluß aus. Die zwei-
undvierzigjährige Wittwe, die bedeutende Begabung namentlich
ihres ältesten Sohnes ahnend, verließ im Jahre 1811 ihr Va-
terland, das eben erst eine französische Provinz geworden war,
und ließ sich in Paris nieder, wo Guerin, einer von David's
Schülern, Lehrer ihrer beiden Söhne wurde. Schon im Jahre

1810 hatte Ary ein Bildniß zur Amsterdamer Ausstellung ge-
liefert, welches man für die Arbeit eines vollendeten Meisters -
ansah.
Ary Scheffer besuchte mit Vorliebe ab und zu Holland und
seine Vaterstadt Dortrecht, zuletzt im Jahre 1854.
Im Saale der Kunstakademie ist in diesem Augenblicke ein
größeres historisches Gemälde ausgestellt, welches als eine höchst
achtenswerthe Erscheinung an und für sich, aber noch insbesondere
deßhalb einer Erwähnung im Deutschen Kunstblatt Werth ist, weil
der Künstler, I. G. Schwartze, deutscher Abkunft, aber in
Amerika geboren, seine erste künstlerische Ausbildung in Düssel-
dorf erhielt. Das sehr figurenreiche Bild stellt „die erste Gottes-
dienstübung der Puritaner in Nordamerika" vor. Dem Besucher
wird eine Erklärung des Gemäldes verabreicht, worin es heißt:
„Unter den Sekten, welche sich nicht mit der allgemeinen eng-
lischen Kirche vereinigen konnten, befanden sich eine Art Kalvi-
nisten, die sich Puritaner nannten, und Vorgaben, ihren Glauben
durchaus von Vorurtheil und Aberglauben gereinigt zu haben.
Sie wurden unter Jacob I. aus England verbannt und wandten
sich nach Holland, wo sie sich in den Jahren 1607 und 1608
in Leiden niederließen. Nach einem Aufenthalt von 11 oder 12
Jahren jedoch siedelten sie nach Nordamerika über, wo sie sich
an der Küste des Staates Massachusets niederließen und die
Stadt Niew Plymouth durch sie erbaut wurde. Die Auswan-
derer hatten nicht ohne große Schwierigkeit auf dem gemietheten
Schiff „The Mayflower" ihre Ueberfahrt bewerkstelligt, und sofort
bei ihrer Ankunft wurde in größter Eile ein allgemeines Block-
haus errichtet; die Auswanderer nahmen an einem Samstag von
dieser ihrer allgemeinen Wohnung Besitz, die am folgenden Tage
durch einen feierlichen. Gottesdienst eingeweiht wurde — und
diesen Augenblick hat Schwartze dargestellt.
Diese erste Niederlassung der Puritaner war in ihren Fol-
gen von welthistorischer Bedeutung; denn die eigentlichen Grün-
der der gegenwärtigen amerikanischen Republik muß man bei die-
sem Häuflein Menschen suchen. Die gegenwärtige Konstitution
gründet sich auf den Gesetzen, die durch dreißig Pilger auf dem
„Mayflower" zusammengestellt worden; und jetzt betragen die Nach-
kommen dieser Auswanderer nicht minder denn 5 Millionen Seelen,
worunter die ausgezeichnetsten und einflußreichsten Bewohner
Nordamerikas gezählt werden können."
Auf dem Gemälde steht der Prediger Brewster in der Mitte
des Raumes des aus rohen Baumstämmen aufgeführten Block-
hauses; er hat das Gesicht aufwärts gerichtet und scheint Gott
für die glückliche Ueberkunft zu danken; vor ihm steht die Wiege
des ersten Eingebornen des neuen Vaterlandes, der, während
man das Blockhaus errichtete, auf dem Schiff geboren wurde,
und den man „Peregrine" nannte. Bei der Wiege sitzt dessen
Mutter Susanna Whito, und auf einigem Abstand hinter ihr
Eduard Winslow, der später Gouverneur wurde und der Repu-
blik bedeutende Dienste erwies, so wie seine Frau Elisabeth.
Dem Prediger gegenüber steht der tapfere Kapitän Standish,
der sich später in den Kämpfen mit den Indianern auszeichnete.
Links auf dem Vorgrunde im Helldunkel zwei Kranke, wor-
unter der zuerst erwählte Gouverneur, der jedoch kurz darauf
starb; rechts auf dem Vorgrunde sitzt ein Knahe, in der Hand
einen Maishalm hallend; derselbe hat sich später durch die Ent-
deckung des Landsee's, nach ihm Billingtonmeer genannt, berühmt
gemacht.
Die Figuren des Gemäldes sind in halber Lebensgröße, und
das einströmende sonnige Licht erleuchtet die mittlere Gruppe mit
der Wiege und den sitzenden Frauengestalten, womit der Prediger
in seinem dunkeln Gewände und der Kapitän in seinem schar-
lachroten Mantel im Vorgrunde effektvoll kontrastirt. Die
 
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