Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Eggers, Friedrich [Editor]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 9.1858

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.1202#0280
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
255

fassen, ihn festzuhalten, ihn hineinzutragen in die einzelnen
Schulen, in ihm sich zu befestigen — das ist das Wesen, das
sind die Kennzeichen der deutschen Schule. Man muß aber auch
nicht glauben, als ob die deutsche Schule in diesem Sinne nicht
schon eristirt hätte. Dem Auslande gegenüber — wir haben
das auf der Pariser und auf der Brüsseler großen Ausstellung
gesehen — läßt sich sehr wohl von einer deutschen Schule reden.
Die einsichtigen Kunstrichter überm Rhein geben selber nicht bloß
zu, „daß die deutschen Künstler denen anderer Länder geistig
überlegen sind, daß sie im Ganzen bei der Ausübung ihrer
Kunst Adel der Grundsätze und Tüchtigkeit der Gesinnungen,
Freimüthigkeit der Ansichten, Aufrichtigkeit des Geistes und Her-
zens und persönliche Würde entwickeln," sondern „daß die deut-
sche Schule überhaupt die höchste, edelste und geistigste Richtung
in der Kunst vertritt." * Freilich, indem sie unserer Kunst die
Tiefe des Geistes und die Lauterkeit des Herzens willig zuspre-
chcn, nehmen sie gern mit der andern Hand, was sich auf Idea-
lität und Schönheit der Form bezieht, läugnen ger;r ein gutes
Quantum von Talent und Geschicklichkeit. Es ist aber nicht die
Natur des deutschen Geistes, sich mit einem Theil zu begnü-
gen, vielmehr ist das seine innerste Natur, daß er auf das
Ganze, auf das Höchste gerichtet ist. Er kann keine Grundsätze
für die deutsche Schule machen, keine Ziele für die deutsche
Schule stecken, außer sie seien Beides, Grundsätze und Ziele,
identisch mit den wahren Grundsätzen und Zielen der Kunst
überhaupt. Dazu sind wir das Volk der Denker, dazu das
Volk langsam schaffender Künstler.
Ist es wahr, daß die deutsche Kunst die höchste, edelste
und geistigste Richtung vertritt, so wird doch Niemand sagen,
am wenigsten wir Deutschen, daß die deutsche Kunst, wie er-
quicklich in der Gegenwart ihr blühender Zustand sei, ihre höch-
sten Aufgaben, also die höchsten Aufgaben, welche der Kunst
überhaupt gestellt sind, gelöst habe. Warum aber sollen wir
uns nicht der Hoffnung hingebcn, daß das geschehen werde, so
lange wir ernsthaft streben sehen? Warum nicht glauben, daß
die Vereinigung der deutschen Künstler auf diesem Wege des
Strebens liege, so lange wir sehen, daß sie von der höheren
Bedeutung solches Zusammenwirkens belebt sind? — So, glau-
ben wir, haben wir die Worte-zu deuten, daß „die deutsche
Künstlerschaft den geistigen Wechselverkehr der verschiedenen Schu-
len unterhalten wird." Sie werden nicht nur sich einander auf
den richtigen Bahnen erhalten, sie werden höhere Bahnen ein-
schlagen, vielleicht auf diesen gemeinsam irren, aber auch ge-
meinsam siegen und zur Wahrheit kommen. Denn manche Er-
rungenschaft ist gemeinsam zu bewahren, manche allgemeine
Frage praktisch zu lösen. Sie haben die Frage über den Idea-
lismus und Realismus in der Kunst, die theoretisch keine ist,
oder keine sein sollte, sie haben die immer offne Frage nach
stylvoller Darstellung zu lösen; sie sollen — sie, die Deut-
schen insbesondere — die Frage nach der wahren Historienmalerei
(nicht nach Historienbildern) durch ihre Thaten beantworten —
es werden immer Fragen im Vordergrund sein, welche der Eut-
wicklungsgeist ihnen stellt und welchen sie durch ihre Werke ge-
recht werden müssen.
Wird die deutsche Künstlerschast verstehen, sich stets ein
Centralcomite zu wählen, welches im edelsten Sinne des Wortes
„ihr Herz" genannt werden kann und welches wie ein treues
und begeistertes Herz nicht nur das Innerste und Heiligste hegt,
sondern es auch in die Genossenschaft belebend ausströmen läßt,
dann kann allerdings in dieser „die Wahrheit, das Heil und
die Zukunft der deutschen Kunst liegen."
* Vergl. Jahrgang VI. S. 262.

Die ganze Rede wurde mit warmer Begeisterung ausge-
nommen, und das Comite gab sein Mandat in die Hände der
Versammlung zurück, die nun zur Constitüirung des Bureaus
für die Dauer der Tage zu schreiten hatte. Einstimmig-wurde
Dietz zum Präsidenten ausgerufen und seiner anfänglichen Wei-
gerung ein nur um so entschiedenerer Meinungsausdruck entgegen-
gesetzt. Auch wurde ihm überlassen, die übrigen Beamten zu ernennen,
und so verkündigte er Prof. Eybel von Berlin als ersten, Ro-
bert Kummer von Dresden als zweiten Vicepräsidenten, Her-
mann Becker von Düsseldorf dagegen und Pros. v. Sicards-
burg (von Wien berufen) zu Sekretären der Versammlung.
Nachdem diese auf solche Weise konstituirt war, wurde dem
Könige und danach Allen, welche sonst zum Gelingen des Unter-
nehmens beigetragen, ein Hoch gebracht. Als zum Gesammt-
Comit6 gehörig wurden genannt: aus Wien: Führich, Rüben,
van d. Nüll, v. Sicardsburg, Aigner, Wurzinger, Conrad
Grefe, Neustädter; aus Berlin: Eybel, Moser, Weber, Eggers;
aus Düsseldorf: Sohn, Mücke, Becker, Michelis, Krause; aus
Dresden: R. Kummer; aus München: Dietz, PH. Folz, Schön,
Carriere, Bernhard, Köckert, Morgenstern, Seibertz, Widnmann
u. A. m. — Ein allgemeiner Namensaufruf zum Zweck der
gegenseitigen Vorstellung beendete diese Sitzung.
In der nächsten gab der Präsident zuvörderst ein Bild der
Geschichte der Ausstellung. Wohl mochte er an das Wort des
Dichters erinnern: „Es ist der Geist, der sich den Körper
baut." Die Idee einer historischen Ausstellung war schon
in früheren Jahren, namentlich bei der Ausstellung von 1854
durch Anton Teichlein ausgesprochen und vielfach debattirt
worden, ohne daß sie damals zu Stande kam. Jetzt beschloß —
sicher ohne den ganzen Umfang des Worts zu bedenken — die
Versammlung in Stuttgart eine solche Ausstellung. Die deut-
schen Künstler schossen zusammen, Jeder zahlte 30 kr. Das
gab etwa 300 fl., womit die Kosten bestritten werden sollten.
Diese beliefen sich hinterher — auf mehr als 25,000 sl. Und
doch steht die Ausstellung und trägt einen reichen Gewinn! Es
darf hier nicht vergessen werden, daß das Comitä eine unge-
meine Thätigkeit entwickelte, daß die Staatsbehörde, vor Allen
der Cultusminister von Zwehl, dem dafür der öffentliche Dank
der Versammlung dargebracht wurde, mit Rath und That bei-
standen, daß das Handelshaus Pichlers Erben den ausgedehnte-
sten Credit eröffnete; aber --er Redner hatte Recht, als den
andern Hauptkapitalisten die Liebe zur Sache zu nennen. Es
war an der Zeit, eine solche Ausstellung zu machen. Alle, die
mit der Kunst Zusammenhängen, bedurften ihrer einmal, und
der Widerhall des Aufrufs dazu war so stark und allgemein
daß man nicht im Zweifel sein durfte über die Nothwendigkeit
des Unternehmens. Es verdient angemerkt zu werden, daß die
erste Sendung, welche durch die Güte Sr. K. H. des Groß-
herzogs von Weimar eintraf, die Zeichnungen von Jacob Asmus
Carstens enthielt, den man als den Grenzstein der herzu-
stellenden Uebersicht angenommen hatte.
Um die Geschäftsverwaltung hat Bernhard, als Chef
der Aufstellungs-Kommisston Engelbert Seibertz sich große
Verdienste erworben. Beiden Herren wurde der Dank der Ver-
sammlung.
Diese erste allgemeine deutsche und zugleich historische Ausstellung
ist also zu Stande gebracht und — dem Erfolg nach — gelungen.
Es traten nun die Fragen hervor, ob im nächsten Jahre „wieder
eine Ausstellung, ja ob eine allgemeine Künstler-Versammlung,
und wo, endlich ob Beides immer mit einander verbunden sein
solle. Es liegt auf der Hand, daß man nicht alle Jahre histo-
rische Ausstellungen machen kann. 'Unsere specielle Ansicht ist,
daß die nächste historische Ausstellung auch vollständiger und
 
Annotationen