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Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 9.1858

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https://doi.org/10.11588/diglit.1202#0303
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276

Ein Grabmonument von Troschel befindet sich in Odessa, es
stellt den Tod eines Weibes in den Armen ihres Mannes dar;
ein Todesengel vervollständigt die Gruppe. — Mit großer Liebe
ist ein halbbekleidetes Mädchen, das aus der Erde sitzend Flachs
bricht, modellirt; die Körperformen sind von der knospenartigen
Zartheit, die Linien so weich, wie eben das Alter von 15 Jahren
sie zeichnet. Gleich lieblich ist eine weibliche Gestalt in vollen-
deter Entwicklung, eine schlafende junge Spinnerin; die Spindel
ist ihr entfallen, die schönen Glieder ruhen, der Kopf hat sich
auf die Schulter geneigt. — Noch muß ich einer Gruppe aus
der Hand unsers Meisters erwähnen: die drei Grazien. Sie
sind in Liebesgespräch vertieft; die älteste in der Mitte flüstert
zu der nächst jünger», die jüngste und lieblichste horcht mit
ahndungsvoller Neugier. Die Gruppe ist sehr schön abgeschlossen.-
Kein Arm befindet sich in müßig baumelnder oder eckig hervor-
stehender Haltung. Die älteste, den Stamm der Gruppe bildend,
hält die beiden Schwestern umschlungen; rechts von ihr schlingt
die jüngere den linken Arm um die Hüfte der ersteren, die rechte
Hand auf deren Herz legend, als ob sie lauschte, ob schöne Ge-
fühle es stärker schlagen machen. Zur Linken hat die jüngste der
Grazien die eine Hand auf die Schulter der Schwester gelegt
und bekränzt mit der andern liebevoll das Haupt derselben. Die
geschickte Gruppirung ist ein Hauptvorzug dieser Composition.
Professor Tenerani gilt mit Recht als der ausgezeichnetste
italienische Bildhauer; auch genießt er, bei seiner hohen persön-
lichen Begabung, noch des Vorzugs, ein Schüler des großen
Thorwaldsen zu sein. Der directe Einfluß dieses Meisters tritt
uns unverkennbar an vielen seiner Arbeiten, namentlich an alle-
gorischen Figuren, die in seine frühere Zeit fallen, entgegen;
Naturwahrheit von dem Schönheitshauch des klassischen Alter-
thums verklärt. Ein zweites Moment, dem sich Tenerani
nicht ganz entziehen konnte, ist die Kunstrichtung der italienischen
Nation, die im Ganzen und Großen durchaus nicht über Canova
hinaus kann; und es scheint, als ob der klare starke Geist des
nordischen Bildhauers, in dem sich die edle, keusche und maßvolle
Schönheit unablässig spiegelte, auch nicht in dem besten Sohne
eines entarteten Volkes dauernd fortzeugen konnte. In mehreren
seiner spätern Figuren sehen wir mit einem Male jene sentimental
weiche Sinnlichkeit Canova's, wenn auch in vollendeter Schöne
und Correctheit. Dies gilt z. B. von seiner Venus, welcher Amor
einen Dorn aus dem Fuße zieht; sie ist der in der Villa Bor-
ghese sehr ähnlich, nur daß sie, auf der linken Hüfte liegend, die
rechte etwas mehr nach vorne neigt, so daß der entsprechende
Fuß den Amor nicht in seiner Operation stört. Von gleichem
Charakter ist eine nach dem Oeffnen der Pandorabüchse einge-
schlafene Psyche. In halb sitzender, halb liegender Stellung ruht
sie an einem Felsen, den Körper mit der linken Hand gestützt;
das schöne Haupt hat sich im Schlafe nach hinten und links ge-
senkt, ein üppiger Liebestraum scheint ihren Ausdruck zu bestim-
men. — Auf der Höhe zeigt sich die Eigenthümlichkeit seiner Be-
gabung in seinen Portraitstatuen. Scharfe correcte Natnrauf-
fassung, Verständniß der Persönlichkeit in ihrer Gesammtheit
sowohl wie in ihren feinsten Zügen, das ist ihm eigen wie Keinem,
und um diesen Ausdruck der Persönlichkeit gruppirt sich Alles, bis
auf die letzte Falte der Gewandung, vollendet harmonisch. Ich
nenne unter den Portraitstatuen nur den General Bolivar in
Uniform mit über die Schulter geschlagenem Mantel, den Helden-
sinn auf der Stirne, als Schlachtenschöpfer dargestellt; ebenso
den im Jahre 1848 ermordeten Minister Nossi; in sitzender Stel-
lung, ein nachdenkender Gesetzgeber, hält er in den Händen Tafel
und Griffel; der Ausdruck des Gesichts, die gesammte Haltung
ist außerordentlich edel, so daß das moderne Kostüm auch nicht
im mindesten einen profanen Eindruck macht. — Das Standbild

des Königs von Neapel ist zu bekannt und berühmt, um es hier
weiter zu erwähnen. — Die Fürstin Caroli aus Ungarn hat er
als eine der zehn klugen Jungfrauen dargestellt; knieend, mit
bekränztem Haupte, hat sie eine Hand aufs. Herz gelegt und hält
in der andern dem Bräutigam die brennende Lampe entgegen.
Diese Figur ist mir merkwürdig geworden: sie ist fast eine reli-
giöse zu nennen, aber das religiös Ideale befindet sich hier im
Dienste der Darstellung eines bestimmten Individuums, und so
ist Alles ausgezeichnet. Ganz anders ergeht es aber dem
Meister da, wo das Religiös-Ideale Selbstzweck ist, wo der Kern
und Brennpunkt in der Idee selber liegt, die sich im genialen
Geiste verklärte, aber nichtsdestoweniger bestimmte Persönlichkeiten
erzeugen soll; das ist nicht Tenerani's Sache. Seine heiligen
Bilder sind leb- und geistlos. Doch hat ihn sein künstlerischer
Instinkt auch von dem ferne gehalten, was nicht seinem Talente
entspricht; von den wenigen hieher gehörigen Arbeiten erwähne
ich nur einen Schutzengel, der ein spielendes Kind bewacht, das
von einer Natter bedroht wird, — und den sitzenden Christus,
welcher die Arme ausbreitend die Mühseligen und Beladenen zu
sich eiuladet; er ist colc-ssal und wird die Hauptfigur des Denk-
mals bilden, das Pius IX. dem Papste Pius VIII. in der Peters-
kirche wird setzen lassen. Zur Rechten und Linken werden Petrus
und Paulus stehen und vor Christo Pius VIII. knieen.

U. Amsterdam.
Bei dem unlängst im Haag stattgehabten Verkauf der Kunst-
sammlungen des verstorbenen Staatsraths van Hall sind für das
hiesige städtische Museum — Trippenhuis — folgende Gemälde
angekauft worden, die leider in dem neuen Katalog noch nicht
mit aufgeführt sind:
1) Alb. Dürer, Portrait des W. Pirkheimer.
2) I. van Hugtenburg, Willem Prinz von Oranien.
3) Th. de Keiser, Portrait des Admirals Piet Hein, ein
gut gemalter lebendiger Kopf; der berühmte Seeheld, Er-
oberer der Silberflotte, ist mit der Ehrenkette geschmückt,
die noch jetzt aufbewahrt wird und unlängst auf der Aus-
stellung von Antiquitäten in der Künstlergesellschaft zu
sehen war.*
4) I. Lutma, jr., Portrait des berühmten Goldschmieds
P. van Vianen.
5) Fr. Post, Portrait des Johann Moritz von Nassau Siegen,
Gouverneur von Brasilien-
6 u. 7) Rachel Nuysch, zwei Blumeustücke.
8) Sprong, Portrait des Bürgermeisters (von Hartem zur
Zeit der Belagerung 1572) Kies; trefflicher Kopf.
9) Palamedes, Port, des Prinzen Friedrich Heinrich.
10) Unbekannter Meister, Portrait des W. von Oldenbarne-
veldt, Sohn des Hingerichteten Großpensionärs und Re-
publikaners.
11) Desgl., Bildniß des Admirals Wassenaar. —
Die jetzt abgelaufene Ausstellung von Gemälden lebender
hcllä idischer Meister zu Groningen zählte 337 Nummern von
195 Künstlern. —
* Ein Portrait des Piet Hein von N. Koedyk, welches das Mu-
seum besitzt, scheint nicht authentisch.

Verlag von Ebner L Seubert in Stuttgart. — Druck ber I. G. SprandeUschen Buchdruckerei baseM.
 
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