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Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 9.1858

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https://doi.org/10.11588/diglit.1202#0329
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302

Gleichgesinnten wöchentlich bei sich. Joseph Koch's kurzer Auf-
enthalt fiel auch in diese Zeit, und dieser glühende und energische
Verehrer seines Carstens machte nach Kräften Propaganda. Als
entscheidender Anstoß der Bewegung kam am Ende hinzu, daß
Professor Fischer von der Akademie, der dem außerakademischen
frischen Zuge sehr geneigt war, sich rückhaltlos darüber, so wie
gegen den Klassenzwang aussprach. Er wurde dafür von den
Schülern gefeiert; sie aber büßten diesen Beifall mit derRelega-
tion von der Akademie. Overbeck stand an der Spitze. Mit
ihm gingen jetzt Pforr, C. Vogel u. A. nach Rom. Auch Cor-
nelius, der sich schon von Frankfurt a. M. aus durch seine Zeich-
nungen zu Goethe's Faust bekannt gemacht hatte, traf ein. Um
dieselbe Zeit langte W. Schadow an, welcher mit der Berliner Aka-
demie gleichfalls zerfallen war. Später kamen PH. Veit, K. Eg-
gers, Julius Schnorr, C. PH. Fohr, und es begann nun jenes
merkwürdige Treiben und Schassen im Kloster St. Isidoro, von
welchem ab man die neue Blüthe der Kunst zu datiren Pflegt.
Jeder hatte eine kleine Zelle des Klosters inne, welche kaum für
die Bilder und Modelle Raum genug bot. Den Dienst der
letzteren erwiesen sie bei Geldmangel oft einander. Sie lebten
wie die Einsiedler, aber sie erbauten sich an der Herrlichkeit der
ewigen Stadt, an ihren Basiliken und Katakomben und der ge-
ringgeschätzten christlichen Kunst.
Daß der Generalkonsul Bartholdy sich das Haus, welches
er in Nom erwarb, mit biblischen Fresken zieren ließ, daß der
Marchese Massimi den jungen Künstlern Raum gab, in seiner
Villa die italienischen Dichter zu illustriren, ist schon oben er-
wähnt worden. Von diesen beiden Häusern aus datirt die neue
Freskomalerei. Ihre Wiedereinführung ist das große Verdienst
der jungen Neurömer. Um die Wiederauffindung der Technik
hat Eggers, wie Schadow erzählt, sich besonders bemüht. Er
untersuchte nicht bloß vorhandene Reste chemisch, er stellte nicht
nur zahlreiche Versuche an, sondern fragte auch die ältesten Künstler
aus, um den Nest ihrer Erinnerungen in Bezug auf die Behand-
lung ebenfalls seiner Prüfung zu unterziehen.
Alle Kennzeichen der Romantik treten bei den Genossen des
Klosters St. Jsiroro auf. Die Richtung auf das Jenseitige, auf
das Unendliche, dem sich gern das Erhabene und Phantastische
anschließt, eine gewisse Unklarheit und Willkür, Nachahmung und
Vorliebe für das Mittelalter, schwärmerische Innigkeit des Ge-
fühls, entschiedene Hinneigung zum Katholizismus, alles dies fin-
den wir bei den jungen Reformatoren.
Auch zur Natur verhielten sie sich mittelalterlich; d. h. sie
zogen ihr die Tradition vor. Es ist hier freilich ein Unterschied
zu beachten; die Künstler des frühen Mittelalters schöpften aus
der Tradition, weil sie gar nicht auf die Quelle der Natur ver-
fielen. Die Romantiker dagegen, welche wußten, daß man sich
der Natur bedienen kann, fürchteten sich, wie Schadow berichtet,
zu naturalistisch zu werden, und malten daher, wo sie der Tradition
nicht folgten, lieber rein aus dem Gedächtnisse, um die innere
ideale Vorstellung nicht zu schwächen. „Bei einem Manne von
Overbeck's Formengedächtnisse," setzt der „moderne Vasari" hinzu,
„ging es noch allenfalls, die Uebxigen aber leisteten viel weniger
als sie vermocht hätten, und Mancher verfiel sogar in das Manie-
rirte." — Die falsche Klassizität hatte über der Form den Geist
verloren. Carstens hatte den Letzteren in seine Rechte wieder
eingesetzt und den Einklang zwischen Geist und Form hergestellt.
Die Romantiker lebten nur im Geiste, die Gefühlvolleren nur in
der Seele, und so vernachläßigten sie darüber die Form.
In dem Grade aber, wie die Form Vernachläßigung erfährt,
wird sie Symbol. Und das Symbol appellirt an den Verstand.
Nur was in voller gültiger Form zur Ausprägung gelangt ist,
kann in warmer Empfindung hingenommen werden. Von einer

Zeit, welche die Form in ihrer höchsten sinnlichen, geistgetränkten
Erscheinung noch nicht geben kann, wird sie auch nicht begehrt;
der Empfangende begnügt sich mit dem Symbol, ja er hat seine
Freude daran. Aber nachdem die Malerei einmal gezeigt hat,
welcher Formvollendung sie fähig ist, nachdem wir vom Baum
der Erkenntniß genossen haben, können wir, die Empfangenden,
des Elementes der sinnlichen Schönheit nicht mehr entbehren; und
nur diejenigen, welche zur Betrachtung der Kunstwerke nicht ihre
Phantasie, sondern vielmehr ein vorwaltendes religiöses Gefühl
oder gar den Verstand mitbringen, können auf volle Befriedigung
vor solchen Kunstwerken rechnen, an denen das überströmende Ge-
fühl oder die Spekulation einen größeren Antheil hat, als eine
im Gleichgewicht zwischen Sinnlichkeit und Gedankenhaftigkeit be-
findliche produktive Phantasie zulassen kann.
Die rührende Unbeholfenheit des Leibes auf den Tafeln der /
altkölnischen Schule, in welcher eine fromme innige Seele ihre
Prächtigen Farbenschwingen entfaltet, nimmt das lebhafteste In-
teresse für sich in Anspruch. Wir wissen nicht nur, wir sehen es,
daß der Künstler Alles gegeben hat, was er, was die damalige
Kunst überhaupt vermochte. Aber wir werden kalt, wo wir in
modernen Wiederholungen der Verzichtleistung begegnen, wo uns
gar zugemuthet wird, was wir dort als Unfertigkeit erkannt haben,
hier als Gesetz und Regel anzuerkennen. —
Von allen Künstlern der neurömischen Aufschwungsepoche,
von der wir reden, nehmen Overbeck nnd Cornelius die
größte Aufmerksamkeit in Anspruch. Beide stehen einzig und iso-
lirt da; beide haben einen eigenthümlichen Entwicklungsgang
durchgemacht. Ihr Zusammenhang mit der romantischen Schule
wie ihre Eigenthümlichkeit wird aus der näheren Betrachtung
hervorgehen.
Overbeck, von einem frommen Vater fromm erzogen,
hatte niemals ein anderes Bedürfnis;, als heilige Gegenstände
darzustellen. Schon hierin war er in Wiverspruch mit der Aka-
demie und der in seinen akademischen Lehrjahren geltenden An-
sichten. Geradezu wurden biblische Stoffe für ungeeignet in der
Malerei gehalten; erst allmählig erwachte wieder die Freude an
ihnen und das Bedürfniß, sie darzustellen, wie wir das oben
bei Wächter, Schick und Koch angemerkt haben. Aber in Over-
beck drängte Alles auf den einen Punkt hin. Anfangs war er
nicht so praeraphaelitisch, als er später immer mehr geworden ist.
Er war doch eben ein Maler. Er hat Bilder gemalt, welche
ganz raphaelisch sind, voll Liebreiz und Farbenschönheit, — ob-
schon nicht immer mit der vollen Naivetät, welche bei Raphael
so vollkommen ist, vielmehr oft mit einem leisen Anflug von Be-
wußtsein der Angehörigkeit an heilige Kreise. Aber seine ferneren
Schöpfungen liegen nicht auf dem Wege von Perugia zum Va-
tikan, sondern von Perugia bis zu St. Marko in Florenz. Im-
mer mehr tritt das Hauptprincip seiner Thätigkeit hervor, daß die
Kunst allein zum Dienste der Religion vorhanden sei. Ihm gel-
ten nicht mehr die ästhetischen, ihm gelten die dogmatischen Grund-
sätze als die höchsten. Er weist den Zwang des Leibes von sich,
und, einmal mit ihm verbunden, will er ihn mehr durch Gott-
seligkeit erklären, als durch Schönheit göttlich machen. . Nach un-
serem Sinne soll das Körperliche mehr durch Schönheit, heilig als
durch Heiligkeit schön sein. Wenn aber tiefe Innigkeit des reli-
giösen Gefühls und Einfachheit in den Formen Eigenschaften der
romantischen Schule sind, so hat sie Overbeck im höchsten Grade.
Er allein, möchte man sagen, darf seine Grundsätze ausüben,
weil sie ihm niemals abhanden kommen, weil er innerhalb der-
selben das Bilv eines in reinem, gottseligem Streben abgeschlosse-
nen Künstlers zeigt.
Wir setzen die Hauptarbeiten Overbecks als bekannt voraus.
Die Ausstellung gewährte die Anschauung der 40 Darstellungen
 
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