Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsches Kunstblatt: Literaturblatt des Deutschen Kunstblattes — 3.1856

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.1205#0092
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
88

Der Verfasser verordnet hierbei im Buche:

(Sie bleibt starr stehen. Der Vorhang fällt. Der Zwischenakt dauert nur
eine Minute.)

und dem entsprechend heißt es am Anfang des vierten Aktes:

(Elisabeth, allein, steht noch eben so da. Man hört in der Ferne trommeln,
trompeten und jeweiliges Schießen, Nach einer Pause, während sie sich nicht
regt, tritt Ralph ein :c. :c.)

Dieser beabsichtigte Effekt ist so richtig berechnet, daß wir wäh-
rend des Lesens die volle Wirkung empfanden und von seiner Un-
fehlbarkeit überzeugt waren.

Gei der Ausführung, der wir beiwohnten, waren wir gespannt,
das Experiment zu beobachten. Es mißglückte vollständig, und
wodurch? —

Das klatschsüchtige Publikum nöthigte die Königin heraus; sie
erschien vor dem Vorhänge, aus Courtoisic Hand in Hand mit ihrem
Todfeinde Essex; und, als (statt nach einer Minute eine geraume
Weile später) der wieder ausgehende Vorhang sic in der vorgeschrie-
bcnen Positur zeigte, war alle Illusion verwischt und aller Effekt
vereitelt; denn inzwischen war ja dieselbe Elisabeth in einer ganz
heterogenen Situation so eben gesehen worden!

In der Seele des Verfassers waren wir in Verzweiflung, als
wir jenes verderbliche Klatschen sich erheben hörten! Und was muß
dabei die Königin hinter dem Vorhänge gefühlt haben! —

Wir schließen unsre Beurtheilung mit einem Eitate aus derje-
nigen Vorrede, womit Laube's Rival, der Verfasser von „Liebe und
Staatskunst," sein unter dieser Firma handelndes Essex-Stück cin-
sührt. Er sagt:

„Die Geschichte des Essex ist von den Engländern, Spaniern
und Franzosen für die Bühne bearbeitet worden; aber bis jetzt hat
man sie noch niemals als Gemälde der Zeitgeschichte aufgcsaßt und
behandelt. Keine der zcitherigcn Bearbeitungen erhebt sich über dao
Niveau des gewöhnlichen Intriguenstücks, selbst nicht Banks und
Brooks, deren Arbeit Eollin verbessert und für die Wiener Bühne

zugänglich gemacht hat."

Er scheint zwar unter diesen „zcitherigcn" Bearbeitungen die
Laube'sche noch nicht mitverstanden zu haben, insofern „Liebe und
Staatskuust" ein Jahr früher, als Laube's Essex, gedruckt ist. Aber,
wenn cs sich auch umgekehrt verhielte, so würden wir sagen: er
habe Recht!

Nur möge Herr Laube hieraus nicht etwa schließen, daß wir
der Meinung wären, „Liebe und Staatskunst" sei das angcdcutete
„Gemälde der Zeitgeschichte."

Im Gcgcntheil! Selbst von einem „Jntrigucnstücke" ist hier
nicht die Rede.

„Ich bin so treu, wie möglich, den Duellen der Geschichte ge-
folgt," sagt der Verfasser, und zeigt näher au, woher er seinen ersten,
und woher er die vier anderen Akte entnommen habe. Wir glauben
ihm dies aufs Wort, aber wenn er schließt: „Zur Hauptaufgabe
habe ich mir die Belebung der großen Königin gestellt, von der
Macaulah sagt: Schon seit 230 Jahren liegt Elisabeth in der Ka-
pelle Heinrichs XVII., und noch ist ihr Andenken frisch und jung,
und dem Herzen eines freien Volkes theuer", so mag Macaulah sehr
Recht haben, aber belebt ist durch Liebe und Staatskunst die große
Königin nicht.

Der Raum gestattet uns nicht, diese unsere Ansicht hier ge-
nauer zu entwickeln. Nur Eine Bemerkung sei axtgefügt: der Ver-
fasser behauptet nämlich, der Vers sei diesem Stoffe sehr hinderlich,
weil die schneidende Schärfe und impouirende Kraft der Königin in
der Gemessenheit des Verses verschwimmen; für kein Stück, wenn
cs ein Spiegelbild der Geschichte sein solle, sei die Prosa ein solches
Bedürfnis.

Wir glauben, Shakesspcare habe noch weit Schneidenderes und
Imponirenderes in fünffüßigen Jamben gedichtet.

„Liebe und Staatskunst" ist kraft dieses Princips in Prosa ge-
schrieben, und in welcher! Für ihre Güte giebt cs nur Einen Maaß-
stab, den einer nicht ganz gelungenen Uebersetzung.

In Punkto der „Bühnengercchtigkeit" und der „Efsektsucht"
schließlich scheint der Verfasser über Alles erhaben zu sein, was wir
oben an anderen Poeten etwa auszusetzen fanden.

Das Stück sängt im Schloßhofe der Königin an, ehe Essex
nach Irland gehl und die Rutland heimlich heirathet. In Essexhouse
gibt Elisabeth ihm Marschallstab und Ring. Mit der Heirath schließt
der erste Akt. Im folgenden ereignet sich ein Kriegsrath in Essex'
Zelte in Irland, der Aufrührer Throne bietet Essex die Krone Ir-
lands an, in dem Augenblick, als Raleigh mit der Absetzung an-
kömmt; Essex zieht in Hellem Haus nach London zurück. Im dritten
Akt ist Essex wieder in London, überwirst sich mit der Königin, der
er endlich Schach bietet. Großer Volksauflauf und Sturm gegen
den Pallast, wobei Essex, verlassen, die Waffe streckt. Iin vierten
Akt wirft Elisabeth das Todesurtheil fort und beredet Essex vergeb-
lich zur Reue, verhöhnt die Rutlaud, weil Essex seine Ehe geläug-
net hatte, unterschreibt, als die Rutland ihr das Gegentheil versichert,
das Todesurtheil, schickt aber die Ladh Nottingham zu Essex nach
dem Ringe. Im fünften Akte weigert sich Essex, den Ring, den er
übrigens bei der Trauung seiner Braut geschenkt hatte, hcrauSzu-
geben. Die Königin will sich daher den Ring selbst Helen, begegnet
auch unterwegs der Rutland, welche ihn bringt; inzwischen ist Essex

Bei F. A. Brockhaus in Leipzig erschien soeben und ist durch alle Buch-
handlungen zu beziehen:

Lieder des (Jummini Oltcfi

von Palermo.

%

Aus dem Sicilianischcn von Ferdinand Gregorovins.

8. geh. 1 Thlr. 15 Sgr.

Der Name Giovanni Meli's ist als der des berühmtesten Dichters Sici-
liens allgemein bekannt, seine Gedichte selbst aber sind außer je einem von Goethe
und von Herder übersetzten wegen der örtlichen und sprachlichen Abgeschiedenheit
Siciliens säst gänzlich unbekannt. Somit ist die vorliegende meisterhafte Ueber-
setzuug der besten Gedichte Meli's von Ferdinand Gregorovins (Rosenkranz
zugecignet und mit einer historischen Einleitung versehen) in literarhistorischer Be-
ziehung von besonderm Werthe. Aber namentlich werden sich alle Freunde echter
Poesie an der Grazie dieser reizenden Lieder, die in der meisterhaften Ueberset-
znng wie Originale erscheinen, wahrhaft erfreuen.

Ben Ferdinand Gregorovins erschien gleichzeitig in demselben Verlage:

Figuren. Geschichte, Leben und Scenerie aus Italien. 8. geh.

1 Thlr. 24 Sgr.

Harthaiiscn's „Transkmikafia".

Soeben erschien bei F. A. Brockhans in Leipzig und ist durch alle
Buchhandlungen zu beziehen:

Transkaukasia.

Andeutungen über das Familien- und Gemeindcleben und die socialen
Verhältnisse einiger Völker zwischen dem Schwarzen und Kas-
pischen Meere. Reiseerinnerungen und gesammelte Notizen von

August Freiherr» von Haxthause».

Zwei Theile.

Erster Theil. Mit einem Titelkupfer, zwei Lithographien und zahlreichen
Holzschnitten. Zweiter Theil. Mit zahlreichen Holzschnitten und einer Karte.

8. Geh. 5 Thlr. 10 Sgr.

Verlag von Hnnrich Schindler in Berlin. — Druck von Trowihsch und Sohn in Berlin.
 
Annotationen