Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsches Kunstblatt: Literaturblatt des Deutschen Kunstblattes — 3.1856

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.1205#0094
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
90

Antlitz durch den Umstand, daß der übrigen« doch rechtschaffne Fürst-1 z. iS- der erwähnte sonst so zartsprechende Pater von der deutschen
abt von Fnlda, der angeklagten Hedwig Onkel und Landesherr, zum! Kaiserkrone sagt, daß sie „in die Grapse" gekommen sei. Wir be-

Mitwisser und moralischen Theilnehmer gemacht wird — und wahr-
lich kein besseres durch die völlig jesuitische Zweideutelei, mit der er
sich und die Uebrigen über seine unleugbare Mitschuld zu täuschen
bemüht, oder gar durch die dabei angewendeten Bibelcitate, von
denen überhaupt im Buche' ein allzu häufiger und nicht immer wohl-
thuender Gebrauch gemacht ist. Der Verfasser scheint selbst nicht
ohne ein warnendes Gesühl bei dieser (nach unserem Gefühl auch
daneben ganz überflüssigen) Betheiligung des Abtes an dem bevor-

merkten vorher, daß der Stoff ungewöhnlich günstige Gelegenheit zur
Einflechtung moderner und allgemein menschlicher Ideen gegeben,
und finden diese Gelegenheit keinesweges über die Gebühr benutzt;
aber uns mißfällt auch weit weniger, was der Verfasser sagt, als wie
und von wem er es mitunter sagen läßt. So wäre gewiß auch an und
für sich nichts gegen den Gedanken einzuwenden, die etwa benöthig-
ten historischen Fingerzeige den handelnden Personen selbst in den
Mund zu legen. Aber es macht sich doch gar zu absichtlich, wenn

stehenden Meuchelmorde geblieben zu sein — so muß denn doch die > der alte Langenschwarz seinen Brüdern in gedrängter Kürze, wie
Sache am Ende genannt werden! Er selbst giebt sich gewissermaßen > aus einem Eompendium einige Notizen über „Peter Waldus, Waldo
Mühe, ihn wieder weißzubrennen, doch mit wenig Erfolg. Der oder Valdez" geben muß, und gradezu komisch, wenn die zweideutige
Anschlag des Abts, den gefährlichen Widersacher seiner Nichte und Kreuzfahrerin Wilkwirk dem Ritter Conrad, der um einen Wafsen-
seines eignen Ansehens durch den jungen Ritter Konrad aufheben Handel bei nächtlicher Weile zu ihr kommt, ein Privatissimum über
und so für eine Weile außer Gefecht setzen zu lassen, wäre an sich Kaiser Friedrich II., seinen Kreuzzug und seine Händel mit dem
eben so geschcidt als kühn, wenn er nicht eben ein Paar Tage zu Papste verträgt. Die Klarheit und der historische Tiefblick, den sie
spät gefaßt würde, und wir nicht längst den Dörnbacher mit des dabei entwickelt, ist sehr billig in unscrm Zeitalter der Eouvcrsations-
Abtes Segen (!) und seiner guten Klinge, nebst noch bessern Vor- > lepika und Miniaturclassiker, aber der braven Kreuz- und Landfah-

unterwegs wüßten. Die natürliche Folge von alledem ist, rerin will er ebensowenig, als der gebildete Docententon anstehen-
daß wir, statt uns durch den Tod der Ketzerverfolgers erleichtert An einer andern Stelle finden wir im Munde des brustkranken und
und befriedigt zu fühlen (was, glauben wir, durchaus im Stofs, wie sterbenden Mönches Borgias eine vollständige poetisch-philosophische
im Interesse des Buchs lag, und unschwer zu erreichen war) einen Abhandlung über den Kampf des menschlichen Willens gegen den
fatalen Nachgeschmack uugesühuter Gcwaltthat behalten, der durch Zwang der Natur, des Staats, und des eigenen Ichs, über Osten-
den Schluß, wo der Thäter vor Kaiser und Reich — nicht etwa barung, Kirche, bürgerliche und geistige Freiheit, und fürchten bei-
gestraft, sondern geradezu belebt wird, weit entfernt ist wieder auf- nahe, in ihr den eigentlichen 'geistigen Kern des Buches erblicken
gehoben zu werden. . zu sollen. Sie hätte nämlich, dünkt uns, dann entweder klarer oder

Einigermaßen gereicht allerdings der Umstand zur Milderung poetischer, — vielleicht auch beides sein müssen,
dieser mißlichen Eindrücke, daß das Opfer der Mordthat so pechschwarz Wir zweifeln übrigens keinen Augenblick, daß das Buch der
und flammenroth als möglich gemalt wurde, aber dieser Umstand ist ge- Lescwelt als unterhaltende und spannende Lectüre, willkommen sein
wiß im Uebrigen kein Vortheil für das Buch. Die Rolle, die Magister| wird, und können cs von diesem Gesichtspunkt durchaus empfehlen.
Kurt von Marburg in der Geschichte, wie in vorliegender Novelle zu Der oft und rühmlich genannte Name des Verfassers veranlaßt
spielen hat, ist an sich gehässig genug; ohne daß es nöthig war seinem uns aber eingehender nach der Erfüllung der künstlerischen Be-
Bilde zu schmeicheln, konnte Etwas geschehen, uns für einen so energi- dingungcn zu forschen,
schen, muthvollen, vielleicht nur, wie auch der Verfasser andeutet, durch !
feindliche Schicksale und innere Kämpfe zerrütteten Geist, wenn nicht
Sympathie, doch Interesse einzuflößen, etwa wie dies dem großen
englischen Romantiker mit dem Templer Brian de Bois-Guilbert
(Jvanhoe), ja selbst Victor Hugo mit dem Archidiakonus Claude
Frollo (Notre-dame) gelungen ist. Wir glauben nun einmal, der
„Magister" sei doch eigentlich die Hauptfigur, wenn nicht des Buchs,!

Zur /rugc vom geistigen Eigcnthum.

Unsre Musiker und Musikverleger sind in lebhafter Bewegung -
Sie haben sich veranlaßt gesehen, die Rechte des geistigen Eigen-
doch des Stoffs, und bedeutsam genug kündet ihn der Ver- thums an literarischen Erzeugnissen und Werken der Kunst, wie sie
fasser an (Th. 1. S. 161), wo das erschreckte Volt ihn in einem in Frankreich und wie sie bei uns gesichert sind, zu vergleichen, und

vorüberwandelnden hochgcwachscuen Pilger zu erkennen wähnt, der
aber nur — sein Opfer ist. Auch am imposanten äußern Auf-
treten fehlt es nicht, aber cs kann uns nicht für das entschädigen,
was wir am innern geistigen Gehalt dieser Figur vermissen.

Wenn, wie wir schon andeuteteu, die meisten übrigen Personen
mehr in der Anlage als in der Ausführung befriedigen, so liegt
dies vielleicht nicht so sehr au dem, was sic thun, sondern was
oder vielmehr wie sie reden. Nicht blos der gelehrte und frei-
sinnige Pater Borgias, der excentrische junge Novize Egil, sondern
auch der derbe jähzornige Fürstabt und seine verständige Nichte reden
mehr als einmal in Weisen, wie man — wir sagen nicht im 13.,
sondern auch im 19. Säculum wohl selten zu sprechen, allerdings
aber im letzteren zu schreiben pflegt, — mit einem Wort, wir hören
gar zu oft den poetischen und modern gebildeten Verfasser statt sei-
ner Figuren reden, ,während die witzelnde Ausdrucksweise der rohe-
ren oder niedriger gestellten Personen gradezu an den Ton gewisser
periodischen Scherzblätter erinnert. Diese beiden Weisen wechseln
denn so ziemlich ab, wie der Baß des Puppenspielers mit dem Dis-
kant seiner Frau, gerathen auch wohl zuweilen durcheinander, wenn

sie besorgen, falls es einmal zum Abschluß eines Vertrages mit
Frankreich zum gegenseitigen Schutz dieser Rechte komme, für uns
die größten Nachtheile, da der französische Componist sich einer viel
weiter greifenden gesetzlichen Anerkennung seines geistigen Eigenthums
erfreut als der Deutsche. Sie dringen vor Allem auf Anerkennung
des „ausschließlichen Eigeuthums der Melodie," welches z. B. in
Frankreich jedem Erfinder einer Melodie (oder demjenigen, der recht-
lich in seine Stelle getreten, also seinem Verleger), die alleinige Be-
nutzung derselben in allen möglichen Bearbeitungen, bekanntlich den
einträglichsten Unternehmungen des Musikhaudels, sofern es sich nur
um irgend welche beliebte Melodien handelt, zuspricht.

Vielleicht darf für unsre Poeten Aehnlicheö in Erwägung kom-
men. Im Allgemeinen zwar ist ihr Autorrecht gesichert, und unlängst
ist noch die, gewiß sehr anzuerkeunende Erweiterung desselben hin-
zugekommen, daß gedruckte Dramen durch den Druck, welcher für
die Lectüre und für die buchhändlerische Benutzung bestimmt ist, so-
fort noch nicht der zweiten, hievon wesentlich verschiedenen Be-
nutzuugsart, der Bühnenaufsühruug, anheim fallen sollen, daß die
letztere vielmehr und die Berechtigung dazu unter allen Umständen
 
Annotationen